Inhalt

Konferenz der Internetseelsorge-Beauftragten 2020

Gleich zweifach war die diesjährige ISBK am 17. und 18.6. durch die Covid-19-Situation geprägt: Zum einen fand sie deshalb nicht, wie sonst gewohnt, als Präsenztagung statt, sondern per Videokonferenz, zum anderen beschäftigte sie sich vor allem am 17.6. als Thementag unter dem Titel „Verbunden bleiben trotz Corona: aktuelle pastorale Erfah­rungen online“ mit den Entwicklungen der letzten Monate.

Aufgrund der Versammlungs- und Kontaktbeschränkungen, die für einige Wochen öffentliche Gottesdienste unmöglich machten und andere persönliche Begegnungen verhinderten oder zumindest er­schwerten, waren in dieser Zeit viel Kreativität und Bewegung im Bereich der Pastoral im digitalen Raum und mit digitalen Mitteln zu erleben. Im Rahmen der ISBK bot sich nun eine erste Gelegenheit, in einem größeren überdiözesanen Rahmen Erfahrungen und Beobach­tungen dieser Zeit austauschen und gemeinsam zu reflektieren.

Dazu gab es zunächst einige Erfahrungsberichte. Felix Goldinger (Bistum Speyer) stellte die Angebote der Netzgemeinde da_zwischen vor, die über verschiedene Messenger-Dienste zugänglich sind. Das ursprünglich im Wochenrhythmus zum Mitmachen und meist auch in irgendeiner Form zu Rückmeldungen einladende Impulsformat wurde erweitert, um in der Krisenzeit täglich eine „gute Botschaft“ zu geben. Die Nutzer/-innen wurden eingeladen, die Seelsorger/-innen bei Bedarf anzusprechen. Dazu gab es an den Sonntagen und den Kar- und Oster­tagen und an weiteren Feiertagen ein Gottesdienstangebot, das den Tag über per Messenger-Dienst abgerufen werden konnte und bei dem die Nutzer/-innen durch einen Chatbot – also einen automatischen, vom Seelsorgeteam vorprogrammierten Chat-Dialogpartner – durch den Ablauf geleitet wurden. Das Gottesdienst-Angebot war ursprünglich nur für die Wochen ohne öffentliche Präsenzgottesdienste gedacht, war aber schnell so gefragt, dass es nun vorläufig weitergeführt wird. Im Mes­sen­ger-Gottesdienst besteht wie bei den Wochenimpulsen meist die Mög­lich­keit für die Mitfeiernden, Bilder, Texte oder Videos einzusen­den, die dann gesammelt allen zugänglich gemacht werden. Während der Zeit, in der der Gottesdienst jeweils abrufbar ist, gibt es auch ein Angebot, mit Seelsorgerinnen und Seelsorgern per Chat ins Gespräch zu kommen. Die Nutzerzahl der Netzgemeinde hat sich in der Corona-Zeit deutlich erhöht.

Martin Ludwig Jetschke berichtete von der Lingualpfeife-Community, ursprünglich entstanden aus Jetschkes Youtube-Kanal mit Orgelvideos und dessen Zuschauern und Kommentatoren. Mittlerweile vernetzen sich einige hundert, vorwiegend junge Menschen über einen Discord-Server mit dessen Chat-, Messaging- und Konferenzfunktionen. Auch hier brachte die Corona-Situation einen deutlichen Zuwachs. Die Nut­zer/-innen haben das gemeinsame Interesse, ihr Leben aus dem Glau­ben zu gestalten, und teilen in der selbstorganisierten und von kirch­lichen Institutionen unabhängigen Com­munity einen Teil ihres Alltags miteinander, unterhalten sich über Glaubensthemen und alles, was sie bewegt. Sie beten online miteinander Stundenliturgie und feiern Got­tesdienste, in denen die Mitfeiernden über Audiochat verbunden sind und in denen viel Persönliches zur Sprache kommen kann. Der Com­munity gehören ehrenamtlich mehrere Seelsorger/-innen an, die kein explizites Seelsorgeangebot machen, sondern einfach selbstver­ständlich bei Bedarf angesprochen werden. Unter den Mitgliedern der Commu­nity bleibt es nicht beim digitalen Kontakt allein; Besuche und Treffen vor Ort gehören (zumindest in „nor­malen“ Zeiten) dazu.

Als ökumenischer Gast informierte Karsten Kopjar über die Angebote der Online-Kirche – einer der „Erprobungsräume“ der evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), in denen mit neuen Formen des Kircheseins experimentiert wird. Der Online-Kirche ist ein Pfarrer mit einer Teilzeitstelle zugeordnet, der als Seelsorger angesprochen werden kann. In der von der Corona-Pandemie geprägten Zeit wurde das Ange­bot an Online-Gottesdiensten ausgebaut; mithilfe von Online-Tools wie Mentimeter wurde Interaktivität erreicht. Unter der Woche gab es regelmäßige Videoandachten. Nach der Gottesdienstzeit am Sonntag wurde ein Online-Gemeindetreff via Zoom angeboten, der nun, um nach Wiederaufnahme der öffentlichen Gottesdienste vor Ort nicht mit diesen in Konkurrenz zu stehen, an einem Abend in der Woche weiter­geführt wird.

Einige der vielfältigen Angebote der Orden stellte P. Maurus Runge OSB für die Deutsche Ordensoberenkonferenz vor – neben live gestreamten Stundenliturgien und Eucharistiefeiern aus mehreren Klöstern gehör­ten dazu unter anderem Coronablogs, Podcasts, Impuls-Newsletter und das Angebot seelsorglichen Kontakts. Gerade die Orden haben die Erfah­rung gemacht, dass viele Menschen in dieser Zeit auf der Suche nach „geistlichem Futter“ waren. Gefragt war auch die geistliche Erfahrung mit Einsamkeit und Rückzug: Auf Twitter entstand der Hashtag #coronaeremit, unter dem Ordensleute unterstützende Gedanken für Zeiten der Quarantäne und des Alleinseins zu Hause posteten.

Die Erfahrungen in der beratenden Internetseelsorge schilderten Walter Lang (Bistum Würzburg) für internetseelsorge.de und Stefanie Uphues (Bistum Münster) vom Haus der Seelsorge. Die Nachfrage nach Seelsor­gekontakten war im April/Mai zwar deutlich wahrnehmbar stärker, aber nicht massiv höher als sonst; die Themen waren kaum „corona­typisch“, sondern bewegten sich in einem ähnlich breiten Spektrum wie gewöhnlich.

Der Nachmittag und der zweite Konferenztag gehörten der Diskussion und dem weiteren Austausch. Es wurde festgestellt, dass in der Pastoral eine hohe Kreativität und Mut zum Ausprobieren (und Fehlermachen!) vorhanden sind, die sich in der besonderen Situation zeigen konnten. Während in der Öffentlichkeit vor allem das Streamen von Eucharistie­feiern wahrgenommen und diskutiert wurde, wurden verschiedenste neue Online-Formate jenseits der Hochliturgie entwickelt oder bereits bestehende ausgebaut und fanden große Nachfrage. Dass die Teilnahme am Gottesdienst in der Kirche für viele fremd geworden ist, ist eine Realität, mit der umzugehen ist; viele Rückmeldungen zeigen, dass auch Menschen, die nicht mehr regelmäßig vor Ort am Gottesdienst teilnehmen, es schätzen, sich online „genau die richtige Dosis Spiritua­lität“ holen und zwischen vielen verschiedenen Angeboten und Stilen wählen zu können. Hier ergeben sich neue Anknüpfungs- und Teilhabe­möglichkeiten.

Der Mut, Spiritualität selbst und im eigenen Umfeld zu gestalten, sind in dieser Zeit, auch durch unterstützende Online-Angebote, gestärkt worden. Bibelteilen und andere Gesprächs-, Gebets- und Gottesdienst­formen über Videokonferenzen haben zahlreiche Gruppen aus eigener Initiative ausprobiert. Aus der Notsituation heraus haben viele, sowohl Gläubige als auch Seelsorger/-innen, gute Erfahrungen mit geistlichen Inhalten und Vollzügen online gemacht und zugleich technisch dazugelernt.

Wichtig ist es nun, Angebote, die weiterhin gefragt sind, nach Mög­lich­keit weiterzuführen und der sich wieder entspannenden Situation gemäß weiterzu­entwickeln – was es notwendig macht, dafür Zeit und finanzielle Ressourcen weiterhin bereitzustellen. Dies heißt auch, an­hand der Erfahrungen dieser Intensivphase zu reflektieren und weiter­zudenken, wie Pastoral in der Digitalität neue Gestalt gewinnt. Ange­sichts einer Fülle z. B. an Impulsangeboten, oft ohne Interaktions­mög­lich­keit oder Gesprächsangebot, stellt sich aber auch die Frage nach der Qualität und Professionalität digitaler geistlicher Angebote.

Für die Konferenz war es eine neue und gute Erfahrung, dass das inten­sive fachliche Gespräch unter den gegebenen Bedingungen auch per Videokonferenz konzentriert und in gutem Kontakt stattfinden konnte. Sogar der bei Tagungen nicht unwichtige informellere Rahmen fehlte dank eines Treffens im „virtuellen Tagungshaus-Clubraum“ am Abend nicht ganz. Dennoch soll die ISBK wenn möglich im nächsten Jahr wieder als Präsenztagung stattfinden. Allerdings wurde vereinbart, übers Jahr mit regelmäßigen kurzen Videokonferenz-Treffen enger in Kontakt zu bleiben, um das gemeinsame Weiterdenken zu stärken.