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Wie Frauen Gemeinde tragen können

Seit Mai 2019 engagieren sich katholische Frauen in der Initiative „Maria 2.0“ gegen die Machtstrukturen in der katholischen Kirche und für die volle Gleichstellung von Frauen, inklusive des Zugangs zum Weiheamt. Kurz darauf vereinten sich unter dem Namen „Maria 1.0“ Frauen, die als Gegenbewegung wahrgenommen wurden und sich insbesondere gegen die Forderung wenden, das Weiheamt für Frauen zugänglich zu machen.
Wir haben Vertreterinnen beider Gruppen nach ihrer Vision für Frauen in der Kirche gefragt – wie können Frauen Gemeinde und Kirche tragen?

„Die Stunde kommt, die Stunde ist schon da, in der sich die Berufung der Frau voll entfaltet, die Stunde, in der die Frau in der Gesellschaft einen Einfluss, eine Ausstrahlung, eine bisher noch nie erreichte Stel­lung erlangt. In einer Zeit, in welcher die Menschheit einen so tief­greifenden Wandel erfährt, können deshalb die vom Geist des Evan­geliums erleuchteten Frauen der Menschheit tatkräftig dabei helfen, dass sie nicht in Verfall gerät.“ So schreibt Papst Paul VI. in der großen Botschaft des Konzils an die Frauen am 8. Dezember 1965, dem Hoch­fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria. Maria ist die Frau, der in der Kirche größtmögliche Ehre ent­gegengebracht wird. Im 20. Jh. sind ganze sieben Enzykliken und drei Apostolische Schreiben der Gottesmutter gewidmet worden. Die Kirche kennt überdies vier Kirchenlehrerinnen und wir verdanken Papst Johannes Paul II. das Apostolische Schreiben Mulierisdignitatem. Die Kirche vermittelt auf den ersten Blick ein sehr positives Bild von Frauen.

Geht man dem ersten Eindruck weiter nach, stellt man fest: Frauen sind die tragenden Säulen der Leiturgia (Feier des Glaubens), der Diakonia (tätige Liebe als Umsetzung des Glaubens) und der Martyria (Verkündi­gung des Glaubens), also der drei kirchlichen Vollzüge.

Sie prägen das Gebetsleben als Leiterinnen oder Teilnehmerinnen we­sentlich mit. Es sind vor allem Frauen, die regelmäßig zu den Gottes­diensten kommen. Viele liturgische Veranstaltungen werden von Frauen vorbereitet und auch geleitet. Es ist an die Kinderkirchen, Katechesen und Wortgottesdienste zu denken, die zuverlässig von Frauen übernommen werden. Dabei handelt es sich sowohl um Ehren- als auch um Hauptamtliche mit theologischer und pastoraler Ausbil­dung. Auch die vielfältigen liturgischen Dienste werden zu einem großen Teil von Frauen übernommen.

In katholischen Bildungseinrichtungen verkünden v. a. Frauen das Evan­gelium. Sie arbeiten als Religionslehrerinnen in der Schule und als Erzieherinnen in den Kindertagesstätten. Ihre Kreativität ist nicht nur im Bereich der Bildung gefragt, sondern auch bei der Planung von Aktionen und Initiativen, durch die neue Zugänge zum Glauben geschaffen werden.

Das Engagement von Frauen ist auch in der Diakonia von großer Rele­vanz: Viele Frauen arbeiten als professionelle Beraterinnen in karitati­ven Einrichtungen. Sie sind tätig in katholischen Krankenhäusern, Altenheimen oder Frauenhäusern. Ihre ganz besondere Stärke ist die Arbeit in sozialen Berufen. Die Gemeinden vor Ort sind auf das ehren­amtliche Engagement vieler Frauen angewiesen, wenn es um den Zu­sammenhalt der Pfarrei und vor allem um die notleidenden Mitglieder geht. Es ist in diesem Kontext nicht genug zu betonen, welche tragende Rolle Ordensschwestern in den Gemeinden besitzen. Sie sind in den vielen sozialen Bereichen tätig, aber auch in Hostienbäckereien, bei Restaurierungsarbeiten und der Anfertigung von Gewändern. Der Dienst von Ordensfrauen in allen kirchlichen Vollzügen, zuallererst im Bereich die Leiturgia, ist unverzichtbar.

Zudem ist der ganze organisatorische Rahmen zu berücksichtigen, den Frauen mit herausragendem Organisationstalent wesentlich mittragen: in der Gremienarbeit von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat, im Pfarrbüro und der Jugendarbeit, in Vereinsarbeit und Rahmentätigkei­ten der Liturgie.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Frauen tragen die Kirche bereits wesentlich mit. Dabei ist zu betonen, dass „Kirche“ nicht als der Zusam­menschluss von Menschen zu einem Verein zu verstehen ist, in dem es um eine gerechte Machtverteilung geht, schon gar nicht vergleichbar mit der Gewaltenteilung nach dem Schema Montesquieus. „Kirche“ ist auch nicht gewachsen im Sinne einer Gestaltung in einem sich stets ändernden soziologischen Kontext. Vielmehr ist Kirche eine übernatür­liche und überzeitliche Gemeinschaft, die von Christus selbst gestiftet und sein Leib ist. Sie ist „allumfassendes Heilssakrament“ (Lumen gentium 48) Gottes. Ausgehend von einem solchen ekklesiologischen Selbstverständnis wird die Frage nach Macht irrelevant. Stattdessen steht die Frage im Raum: Wie können sich die Mitglieder mit ihren vielfältigen Begabungen und Stärken in der Gemeinde einbringen und der Gemeinschaft dienen? Es geht nicht um Rechte, sondern um Hin­gabe und Dienst. Dabei ist die Würde von Mann und Frau gleich, was schöpfungs- sowie tauftheologisch begründet wird. Sie bleibt gleich bei ganz unterschiedlich verteilten Begabungen und Stärken und wird ge­rade in der Bipolarität von Mann und Frau gewährleistet, nicht in der Gleichschaltung.

Davon ausgehend ist zu verdeutlichen, dass Frauen nicht geweiht werden können – weder zum Bischof noch zum Priester oder Diakon. Papst Johannes Paul II. hat es mit Ordinatiosacerdotalis auf den Punkt gebracht. Auch dem Einwand, dass dieses Apostolische Schreiben sich nur auf Priester- und Bischofsweihe beziehe, den Diakonat aber offen­lasse, ist entgegenzuhalten, dass das Weihesakrament in einer untrenn­baren Dreigliedrigkeit besteht. Auch die These eines frühchristlichen Diakonates für Frauen ist zu präzisieren: Keine Frau hat jemals die sakramentale Weihe erhalten, sodass sie als Diakon gewirkt hat. Dies wird mit dem nichtsakramentalen Amt der Diakonisse missverstanden, die bei der Ganzkörpertaufe von Frauen und der Versorgung von Wit­wen mitgeholfen hat. Die sakramentale Weihe bleibt Männern vorbe­halten – nicht, weil die Kirche so frauenfeindlich gestimmt ist, sondern weil Jesus es im Abendmahlssaal so geboten hat, als er die Weihe aus­schließlich vor den Aposteln eingesetzt hat. Frauen haben von Anfang an eine andere Berufung: Diese besteht primär in der geistigen und körperlichen Mutterschaft. Sich ganz für das eigene Kind hinzugeben, ist keinesfalls diskriminierend, auf eine berufliche Tätigkeit eingegrenzt zu werden jedoch schon. Die Frau ist vielmehr dazu berufen, ihre ganze Weiblichkeit in die Welt hinauszutragen und zugleich Christus, so wie Maria es getan hat. In Ordinatiosacerdotalis 3 heißt es: „Im Übrigen zeigt die Tatsache, dass Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, nicht den eigentlichen Sendungsauftrag der Apostel und auch nicht das Amtspriestertum erhalten hat, mit aller Klarheit, dass die Nichtzulas­sung der Frau zur Priesterweihe keine Minderung ihrer Würde und keine Diskriminierung ihr gegenüber bedeuten kann, sondern die treue Beachtung eines Ratschlusses, der der Weisheit des Herrn des Univer­sums zuzuschreiben ist.“ Mulierisdignitatem 26 sagt dazu: „Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten und nach der auch von der Gesetzgebung der Zeit gebilligten Tradition zu richten.“ Wenn Chris­tus unabhängig von gesellschaftlichen Konventionen gehandelt hat, dann ist das ein Appell an die heutige Kirche, es ihm gleichzutun.

Diese Denkweise ermöglicht die Loslösung von einer Weihefixiertheit bei der Frage nach der Bedeutung von Frauen in der Kirche (dazu auch Papst Franziskus in QueridaAmazonia 100).

Es bietet sich die Chance, über andere Aufgaben nachzudenken:

In Zeiten vermehrter Bürokratie können professionell ausgebildete Frauen mehr organisatorische und administrative Aufgaben des lei­tenden Pfarrers, die Verantwortung für die Mitarbeiter, sogar die Gesamtleitung übernehmen. So kann der Pfarrer sich auf seine seel­sorgerischen Aufgaben konzentrieren, die seine oberste Priorität darstellen. Frauen müssen also keine Priesterinnen sein und am Altar stehen, um eine große Verantwortung in der Gemeinde zu übernehmen. Zugleich ist zu beachten, präzise Abgrenzungen der Arbeitsfelder zu klären, denn der versorgende Charakter des Geistlichen darf nicht ganz verloren gehen. Er ist Pastor, d. h. „Hirte“, und muss als solcher auch erkennbar bleiben. Er hat selbst keine Familie, um sich um seine Ge­meinde zu kümmern. Da ergibt eine strikte Trennung in „natürliche“ und „übernatürliche“ Sorge keinen Sinn.

Und dennoch: Die zunehmende Vergrößerung von Pfarreiengemein­schaften erfordert eine bessere Arbeitsteilung, sodass die verstärkte Einbeziehung professioneller Fachkräfte vonnöten ist. So können Frauen noch intensiver als Pädagoginnen, Psychologinnen, Manage­rinnen etc. eingestellt werden. Auch im Bereich der Hauswirtschaft und der sozialen Arbeitsbereiche bietet eine stärkere Professionalisierung die Chance, dass Frauen besser eingebunden werden. Dabei ist ein­drücklich zu betonen, dass solche Aufgaben nicht als niederer Dienst angesehen werden dürfen. Sie sind ent­scheidend und als solche auch zu kommunizieren. Schon Paulus hat in seiner Charismenlehre (1 Kor 12) dargelegt, dass jede Begabung für die Erbauung der Gemeinde ent­scheidend ist und nicht jeder dasselbe von Gott geschenkt bekommt. Es ist nicht die Art der Aufgabe ausschlaggebend, sondern das Maß an hingebender Liebe, mit der sie umgesetzt wird.

Gemäß den drei kirchlichen Vollzügen ist Folgendes ausbaufähig:

In der Leiturgia tragen Frauen bereits eine große Verantwortung. Opti­mierbar ist die Teilnahme von Frauen an der Liturgie auch jenseits ihrer „Dienstzeiten“, sodass gerade jene mit Vorbildfunktion durch ihre persönliche Gottesbeziehung ein Glaubenszeugnis ablegen. Zudem wird so dem Risiko eines puren Aktivismus entgegengewirkt, getreu dem Motto: „Nicht nur Martha, auch Maria sein.“

In der Verkündigung geschieht bereits vieles durch ausgebildete Kate­chetinnen und Referentinnen. Zu wünschen wäre eine Vergeistlichung des verkündeten Inhalts. Dieser ist in den letzten Jahrzehnten zu Un­gunsten des spezifisch christlichen Profils auf ein Minimum reduziert worden. Es müsste vermehrt wieder das vollständige Evangelium Jesu Christi verkündet und konkret vorgelebt werden, vor allem die Zehn Gebote. Die Organisation und Leitung von Ehevorbereitungs- und Alpha-Kursen durch Frauen wären besonders vonnöten. In diesem Kontext sind auch Kurse zur Natürlichen Empfängnisregelung zu nen­­nen. Schön wäre in diesem Zusammenhang die Durchführung solcher Kurse durch Ehepaare. So wird Martyria wieder authentisch und die Kirche gewinnt an Glaubwürdigkeit.

Frauen können sich auch noch mehr im Bereich der Diakonia einbrin­gen, vor allem bei Grenzsituationen von Menschen. Ihr Feingefühl im Umgang mit leidenden Menschen, ihre Empathiefähigkeit und der Blick für die ganz konkrete Not sind Charakteristika, die in beratenden Ein­richtungen besonders wertvoll sind. Als ausgebildete Fachkräfte sollten Frauen insbesondere bei Ehekrisen, Schwangerschaftskonflikten sowie in der Obdachlosen- und Frauenhilfe eingebunden werden. Unverzicht­bar ist in diesem Kontext eine Anlaufstelle für sexuellen Missbrauch und häusliche Gewalt. Hier sollte der Bereich der Prävention dringend ausgebaut werden. In den Gemeinden könnte eine Gruppe von Ehren­amtlichen als Anlaufstelle für Betroffene dienen. Dabei muss solch eine Gruppe nicht erst bei Härtefällen zum Einsatz kommen, sondern kann grundsätzlich für notleidende Mitglieder da sein, z. B. bei finanziellen Engpässen, Schicksalsschlägen, als Trauerbegleitung oder als Unter­stützung von Alleinerziehenden.

Frauen verleihen der Kirche ihr Gesicht und können es in Zukunft noch mehr tun – und das hängt nicht von einer sakramentalen Weihe ab.