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Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche

Ein Forum des Synodalen Wegs

Die Frage nach einer möglichen Ordination von Frauen und damit ihre Teilhabe am sakramentalen hierarchischen Weiheamt (ordo) in der katho­lischen Kirche wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Margit Eckholt verortet die aktuellen ortskirchlichen Debatten theologisch in der grund­legenden Reformhermeneutik des Konzils, was die Zukunft der Kirche im Blick auf das Amt und ihre institutionelle Gestalt betrifft. Die Frage nach Diensten und Ämtern und der Struktur von Kirche ist von der Frage nach Evangelisierung nicht zu trennen.

1. Wieder neu ein „altes“ Thema im Brennpunkt: Warum Feminismus in der Kirche angesagt ist

Der Feminismus in der katholischen Kirche hat in den letzten Jahren aus sehr unterschiedlichen Gründen eine neue Dynamik erhalten. Innerkirchlich ist dies mit der erneuten Auseinandersetzung mit sexuellem und geistlichem Missbrauch von Klerikern an Kindern, Jugendlichen und Frauen verbunden. Die im September 2018 ver­öffentlichte „MHG-Studie“ (das Akronym MHG steht für die Orte, an denen die mit der Studie beauftragten Wissenschaftler tätig sind: Mannheim, Heidelberg und Gießen) verweist im Zusammenhang der Aufarbeitung des sexuellen und geistlichen Missbrauchs ausdrücklich auf Klerikalismus, das Machtproblem und die fehlende Präsenz von Frauen an Entscheidungsstellen und in Leitungspositionen der katho­lischen Kirche – Themen, die seit dem Reformprozess, den das Zweite Vatikanische Konzil eröffnet hat, auf der Agenda stehen und immer wieder neu in Kirche – auf Gemeindeebene, in Verbänden und Diöze­sen –, in Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert worden sind und die nun, über 50 Jahre nach Abschluss des Konzils, im Rahmen des Synodalen Wegs der deutschen Ortskirche wieder aufgegriffen und in vier Foren vertieft und diskutiert werden.

Das Zweite Vatikanische Konzil war ein „Ereignis“, das von einer sehr breiten kirchlichen – aber auch weit darüber hinausgehenden – Öffent­lichkeit wahrgenommen worden ist, darunter von vielen kirchlich en­gagierten Frauen. Das Konzil ist in dem Sinn zu einem Konzil der Frauen geworden, als Wünsche und Voten von Katholikinnen, darunter auch die Frage nach einer Teilhabe von Frauen am geweihten Amt und der Einrichtung eines Frauendiakonats, nach Rom gesandt wurden. Aber auch in der Mitarbeit von einzelnen berufenen Frauen aus verschiede­nen internationalen Laienverbänden und Ordensgemeinschaften in Arbeitsgruppen und Kommissionen des Konzils und dann vor allem auf dem Weg der Rezeption des Konzils, so z. B. in der deutschen Ortskirche durch die Einrichtung neuer pastoraler Berufsfelder für Frauen, Ge­meinde- und Pastoralreferentinnen, für die auch der Zugang zu weite­ren wissenschaftlichen Qualifikationswegen eröffnet wurde. Die Hoff­nungen auf weitergehende Beteiligungsmöglichkeiten von Frauen in der Kirche wurden bald jedoch enttäuscht, und in diesem spannungs­reichen Prozess bildete sich ein kirchlicher und theologischer Feminis­mus aus, der seit den 1970er Jahren fundierte wissenschaftliche Arbei­ten zu den auch im gegenwärtigen Synodalen Weg anstehenden Fragen vorgelegt hat. In der neutestamentlichen Exegese wurde die aktive Beteiligung von Frauen an der Entstehung der frühen Gemeinden und in der Missionstätigkeit der Kirche aufgezeigt. Kirchengeschichtliche Studien in Perspektive einer theologischen Frauenforschung wiesen frauendiskriminierende philosophisch-theologische Traditionsmuster auf und erschlossen Quellen von Frauen, deren Beitrag als geistlich-theologische Autorinnen unbeachtet geblieben war. In Kirchenrecht und Dogmatik wurden Zugangswege von Frauen zum sakramentalen Amt der Kirche the­matisiert. Das kirchliche Lehramt reagierte mehrfach auf diese Bestrebungen, nicht zuletzt auch angesichts der Entscheidun­gen in anderen christlichen Kirchen seit Ende der 1960er Jahre, Frauen zum Amt der Pastorin – und später auch der Bischöfin – zuzulassen. Auf das am Abschluss der Würzburger Synode 1975 formulierte und nach Rom gesandte Votum der Synode für einen sakramentalen Frauendia­konat hat die deutsche Ortskirche bis heute keine Antwort erhalten. Themen des kirchlichen und theologischen Feminismus wurden immer mehr an den Rand des kirchlichen Geschehens gedrängt, und angesichts der römischen Stellungnahmen zur Weihe von Frauen – 1976 das Doku­ment der Glaubenskongregation Inter insigniores und 1994 das Schrei­ben von Johannes Paul II. Ordinatio sacerdotalis – wurde die Auseinan­dersetzung mit diesen Fragen zu einem der Tabuthemen im Rahmen theologischer und kirchlicher Ausbildung; wer öffentlich dazu Stellung bezog, lief Gefahr, sich den Weg zu einem kirchlich anerkannten Amt zu verbauen oder ein bereits erworbenes kirchliches „Nihil obstat“ zu verlieren.

Mit der öffentlichen Debatte um Hintergründe des Missbrauchs durch Kleriker an jungen Menschen hat sich die Situation in dem Sinn verän­dert, dass alte „Tabuthemen“ neu aufgegriffen werden und Fragen, die nur am Rande kirchlichen Geschehens verhandelt worden sind, in den Fokus auch von kirchlichen Verantwortungsträgern rücken. Der neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, hat kurz nach seiner Wahl deutlich gemacht, dass „die Thematik Frau in der Kirche die dringendste Zukunftsfrage der Kirche“ sei und insofern die Frage nach Frauen und ihrer Partizi­pation in der Kirche eine der zentralen Aufgaben der Kirche in den kommenden Jahren sein müsse. Damit tritt das Spannungsgefüge von Evangelisierung und Strukturreform, das bereits nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit aller Wucht deutlich wurde, wieder neu vor Augen und es wird deutlich, dass das eine nicht gegen das andere ausgespielt werden kann.

Papst Franziskus hat in seinem Brief vom 4. Juli 2019 an das „in Deutschland pilgernde Volk Gottes“ an den Auftrag der Evangelisierung erinnert. Genau dieser Auftrag bildet die theologische und geistliche Tiefendimension der Arbeiten im Forum zu Diensten und Ämtern in der Kirche. Es geht in keinster Weise um den bloßen Zugang von Frauen zu Leitungspositionen oder zum sakramentalen Amt, genau dies wäre die vom Papst auch in seinem Schreiben Querida Amazonia angemahnte „Klerikalisierung“. Vielmehr steht mit diesen Fragen auf dem Spiel, ob die deutsche Ortskirche den Weltauftrag des Konzils ernst nimmt und sich als Ortskirche in der Analyse und im Umgang mit den dem deut­schen Kontext entsprechenden „Zeichen der Zeit“ definiert. Dazu gehö­ren grundlegende Reformen im Blick auf das Amt und die institutio­nelle Gestalt der Kirche. Insofern geht es um „mehr“ als um die Frage nach der Weihe von Frauen, aber – das ist das Paradox – dieses „Mehr“ verdichtet sich in dieser Frage. Evangelisierung und Strukturreform sind nicht zu trennen, gerade für jüngere Frauen sind Gleichberechti­gung und die Anerkennung ihrer Charismen und Kompetenzen eine Selbstverständlichkeit, und die Inkohärenzen einer „klerikalen“ Kirche werden auf Zukunft hin zu einem weitergehenden Abbruch von Zuge­hörigkeiten zur Kirche führen, nicht nur im Kontext der deutschen Ortskirche.

2. Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche – die Einbettung des Forums in den Weg der deutschen Ortskirche

Für die Weltkirche ist es ein besonderes und starkes Zeichen, dass die deutsche Ortskirche im Rahmen des Synodalen Wegs auch die Frage nach Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche stellt. Ohne den Einsatz der katholischen Frauenverbände in Deutschland – Katholischer Deut­scher Frauenbund (KDFB) und Katholische Frauenbewegung (kfd) – hätte die Gemeinsame Konferenz von Deutscher Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) im Zusammenhang des im Frühjahr 2019 initiierten Synodalen Wegs nicht ein solches Forum zu Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche auf den Weg gebracht. Das vorbereitende Forum hat die zu verhandelnden Themen identifiziert und in seinem Abschlussbericht vom 23. Oktober 2019 dem Synodal­forum vorgelegt, das vom 30. Januar bis 1. Februar 2020 zum ersten Mal getagt und die Foren des Synodalen Wegs offiziell eingerichtet hat. Im Synodalforum III zu „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ arbeiten Mitglieder der Synodalversammlung zusammen mit berufe­nen Mitgliedern aus Verbänden, der katholischen Frauenbewegung und aus der Wissenschaft. Die Thematik wird unter drei Aspekten behan­delt: der Partizipation von Frauen in Leitungsdiensten unter den gegen­wärtigen Bedingungen des Kirchenrechts, der Frage nach der Geschlech­teranthropologie und Genderfragen und der theologischen Argumenta­tion zur Teilhabe von Frauen am sakramentalen Ordo (dem Diakonat und weiteren Ämtern).

Die Frage nach Diensten und Ämtern für Frauen ist in einen längeren Weg der deutschen Ortskirche eingebettet. Das von der Würzburger Synode verabschiedete Votum, den Diakonat für Frauen zu öffnen und die „Zulassungsbedingungen zum Diakonat“ für Männer und Frauen soweit als möglich anzugleichen, blieb zwar unbeantwortet, das Thema war aber weiter präsent und wurde seit den 1990er Jahren wieder ver­stärkt aufgegriffen. Im April 1997 wurde an der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart in Hohenheim ein wissenschaftlicher Kongress zum Frauendiakonat veranstaltet, der zur Gründung des Netzwerkes Diakonat der Frau geführt hat, das theologisch-pastorale Ausbildungs­kurse für Frauen durchführt, die ein solches Amt anstreben. Seit Beginn des neuen Jahrtausends haben die Frauenverbände KDFB und kfd das Thema aufgegriffen und über den jährlich bundesweit durchgeführten „Tag der Diakonin“ am Fest der heiligen Katharina von Siena (29. April) – seit 2013 auch in Verbindung mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) – wichtige Impulse für die kirchliche und theologische Debatte um den Frauendiakonat gegeben, so dass dieser zu einem – auch über die Frauenbewegung hinausgehenden – zentralen Thema des kirchlichen Erneuerungsprozesses und Strukturwandels in der deut­schen Ortskirche geworden ist.

Von 6. bis 9. Dezember 2017 fand an der Universität Osnabrück ein öku­menischer Kongress statt, der die Frage nach Frauen in kirchlichen Äm­tern stellte und an diese Dynamik anknüpfte. Am Schluss des Kongres­ses wurden sieben Thesen verabschiedet, die die auch das Forum des Synodalen Wegs kennzeichnende Spannung benennen: „Einerseits ha­ben in allen Kirchen in den letzten Jahrzehnten Frauen auf lokaler und überregionaler Ebene verstärkt Führungspositionen übernommen. An­dererseits bedarf es in allen Kirchen einer Aufarbeitung der Geschich­te der Diskriminierung von Frauen in Bezug auf exkludierende Praktiken“ (These 2). Auf diesem Hintergrund ist die zentrale These verortet, dass nicht „der Zugang von Frauen zu den kirchlichen Diensten und Ämtern […] begründungspflichtig [ist], sondern deren Ausschluss“ (These 3). Eine „letztverbindliche Entscheidung über den Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern“ ist noch nicht getroffen worden (These 4), und gerade darum sind, wie es auch der Abschlussbericht des vorberei­tenden Synodalforums aufgreift, „um der Glaubwürdigkeit der Verkün­digung des österlichen Evangeliums willen“ Debatten um die Berufung von Frauen zum amtlichen Apostolat zu führen, auch im Wissen um den in dogmatischer und rechtlicher Hinsicht hohen Stellenwert des lehramtlichen Dokuments Ordinatio sacerdotalis und der kirchenrecht­lichen Bestimmung, dass nur der „getaufte Mann die heilige Weihe gültig empfängt“ (can. 1024 CIC), aber auch im Wissen um die „offene Frage“, „ob es für Menschen überhaupt möglich ist, den Willen Gottes im Hinblick auf seine Lenkung des Weltenlaufs zu erkennen“ (Erläu­terung zu These 4). Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Grundlagen einer Volk-Gottes-Ekklesiologie, eines neuen Sakramentsverständnis­ses, einer partizipativen, die Charismen aller Getauften ernst nehmen­den und auch der Freiheit des/​der Einzelnen neuen Raum eröffnenden Kirche gelegt. Das Konzil knüpft, unter Rück­bezug auf Theologie und Praxis der Kirche des ersten Jahrtausends, im Blick auf die Einheit des Weihesakraments an das Modell der „Einheit in Vielfalt“ an und öffnet damit neue Zugänge zum Amt. Wenn Frauen dabei „kritische Anfragen an die kirch­liche Lehrbildung im Hinblick auf den Ausschluss von Frauen von kirchlichen Diensten und Ämtern“ stellen, wie es in der sechsten Osnabrücker These heißt, so sind diese dabei vor allem als „Erweis für die Bereitschaft von Frauen“ zu verstehen, „ihre Berufung zum Dienst an der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat wahrzunehmen“. Hier wird bei einer biblisch-theologisch begründeten Argumentation angeknüpft und der Kraft des Auferstehungszeugnisses, das Frauen wie Maria von Magdala (Joh 20,11–18) nicht abgesprochen worden ist: „Die sich in den biblischen Schriften spiegelnde Entwick­lung der kirchlichen Ämter hält die Möglichkeit der Teilhabe auch von Frauen an kirchlichen Ämtern offen. […] In der biblischen und nach­biblischen christlichen Traditionsgeschichte gab es längere Zeiten, in denen es selbstverständlich war, dass Frauen kirchliche Ämter aus­übten: In den paulinischen Gemeinden hatten Frauen und Männer missionarische Aufgaben und waren vor Ort Leite­rinnen der zunächst kleinen Versammlungen. Sie wirkten als berufene Mitarbeiterinnen auch im übergemeindlichen Dienst und waren selbst im Apostelamt anerkannt (vgl. Röm 16,7). In den ersten Jahrhunderten christlicher Gemeindebildung waren Frauen bei der Taufe von Frauen amtlich diakonisch tätig“ (Erläuterung zu These 3).

Auf diesem Hintergrund wird in der fünften Osnabrücker These for­muliert: „Die Unterscheidung von spezifischen Diensten innerhalb des einen (sakramentalen) Amtes (Episkopat, Presbyterat und Diakonat) hat sich geschichtlich entwickelt und kann in ökumenischer Perspektive weiterentwickelt werden. Alle Dienstformen sollen für Frauen geöffnet werden. Dabei ist darauf zu achten, dass keine geschlechtsspezifische Festlegung erfolgt.“ Mit dieser These wird die wissenschaftliche Arbeit von Frauen wie Ida Raming, Elisabeth Gössmann oder Kari Børresen gewürdigt, die nach dem Konzil kirchenrechtliche, dogmengeschicht­liche und anthropologisch-theologische Studien zum Ausschluss von Frauen aus dem Amt vorgelegt haben und dabei vor allem auf eine Argumentationslinie hinweisen, die bis in gegenwärtige kirchenamt­liche Dokumente Geschichte gemacht hat und macht: die reduzierte Gottebenbildlichkeit, die in einigen Kirchenvätertraditionen und der theologischen Anthropologie bei Thomas von Aquin zu finden ist, die die Frau als ein „mas occasionatus“, einen „minderwertigen Mann“ sehen, der qua Frau-Sein keine Christus-Repräsentanz zugesprochen werden kann. Gerade auf diese Verbindung anthropologischer und sakra­mententheologischer Argumentationsformen fokussiert sich die aktuelle Auseinandersetzung um Frauen und ihren Zugang zu sakra­mentalen Ämtern, und diese Frage wird die Debatten im Forum „Frauen in Diensten und Ämtern in der Kirche“ begleiten.

3. Offene Debatten um den Frauendiakonat

Die Osnabrücker Thesen sind nicht unbestritten geblieben. Unter Hin­weis auf „Stimmen in einigen Ländern“ hat der Präfekt der Glaubens­kongregation Kardinal Luis Ladaria in einem Beitrag im „Osservatore Romano“ vom 29. Mai 2018 mit direktem Bezug zu Ordinatio sacerdo­talis darauf hingewiesen, „dass die Unmöglichkeit der Frauenweihe zur ‚Substanz‘ des Sakramentes gehört (vgl. DH 1728). Die Kirche hat nicht die Vollmacht, diese Substanz zu ändern, denn durch die von Christus eingesetzten Sakramente wird sie als Kirche auferbaut. Es geht hier nicht nur um eine Frage der Disziplin, sondern der Lehre, weil die Struktur der Sakramente betroffen ist, der ursprünglichen Orte der Begegnung mit Christus und der Weitergabe des Glaubens.“ Unter Rückbezug auf Ordinatio sacerdotalis, die Kirche habe „keinerlei Voll­macht […], Frauen die Priesterweihe zu spenden“ (Nr. 4), werden alle weiteren Debatten um die Weihe von Frauen für beendet erklärt. In ähnlicher Weise äußert sich Papst Franziskus, wenn er im Rahmen von Pressegesprächen auf diese Frage angesprochen wird. Bei aller Wert­schätzung und Förderung von Frauen in Leitungspositionen (er hat in verschiedene römische Kongregationen Frauen als Mitglieder oder Beraterinnen berufen) ist die Tür, so Papst Franziskus, in dieser Frage endgültig verschlossen. Immer wieder spricht er vom „Genius“ der Frau und nennt eine „Theologie der Frau“ ein Desiderat, wobei er bei einer die Differenz und Polarität von Mann und Frau betonenden Geschlech­teranthropologie ansetzt und über die Gegenüberstellung von Maria (dem „Ort“ der Frauen) und Christus (dem „Ort“ der Priester) die „anderen“ Aufgaben von Frauen in der Kirche gegeben sieht.

Mit Hoffnung war die auf eine Anfrage von Ordensoberinnen zurück­gehende Einrichtung einer Kommission zum Diakonat der Frau im August 2016 aufgenommen worden, deren biblisch- und historisch-theologisch fokussierte Arbeit im Dezember 2018 zunächst eingestellt wurde. Auf der in Rom vom 6. bis 27. Oktober 2019 durchgeführten Amazonassynode, an der Frauen aus verschiedenen Regionen Amazo­niens – als Katechetinnen tätige indigene Frauen und mit ihnen zu­sammenarbeitende Ordensfrauen – teilgenommen haben, wurde auch der Frauendiakonat angesprochen. Das mit Zweidrittelmehrheit gebil­ligte Schlussdokument der Synode schlägt vor, die Möglichkeit eines solchen Dienstes zu prüfen. In das nachsynodale Schreiben Querida Amazonia vom 12. Februar 2020 hat Papst Franziskus dieses Thema nicht aufgenom­men, er warnt vielmehr vor einer „Klerikalisierung“ der Frau und knüpft an seine Impulse zur Entfaltung einer „Theologie der Frau“ an. Er hat jedoch am 8. April 2020 eine neue Kommission zur Erörterung der Fragen des Frauen­diakonats eingesetzt; Berater der letzten Kommission wie z. B. die US-amerikanische Theologin Phyllis Zagano, Expertin für einen historischen Zugang zum Frauendiakonat, die in den vorliegenden Quellen die Möglichkeit einer Öffnung des Diakonats für Frauen in Verbindung mit einer sakramentalen Weihe sieht, wurden nicht in diese neu eingerichtete Kommission aufgenom­men. Offen ist die Frage, ob der Frauendiakonat eine ordinatio oder eine benedictio ist: Kann er also dem sakramentalen Amt zugerechnet wer­den oder ist er – so die Position von Kardinal Walter Kasper beim Stu­dientag „Das Zusammenwirken von Frauen und Männern im Dienst und Leben der Kirche“ anlässlich der Frühjahrs-Vollversammlung der DBK am 20.2.2013 in Trier – nur mit einer „Segnung“ verbunden, was zur Folge hat, dass er als bloße diakonische Beauftragung für den Ge­meindedienst verstanden werden kann? Hier wird deutlich, dass die Frage nach dem Frauendiakonat letztlich nicht ohne grundsätzliche Klärungen im Blick auf die Frage nach Frauen und Sakramentalität und damit nach einem Zugang zu sakramentalen Ämtern überhaupt geklärt werden kann. Wird die Entscheidung für einen nicht-sakramentalen Frauendiakonat getroffen und damit für ein frauenspezifisch ausgerich­tetes diakonales Amt, bleibt die Herausforderung der Geschlechter­gerechtigkeit ungeklärt. Frauen sind wie Männer, denen der Zugang zum sakramentalen Amt des ständigen Diakons möglich ist, in viel­fältigen diakonischen Aufgabenfeldern tätig, professionell oder ehren­amtlich. Auf diesem Hintergrund stehen die katholischen Frauenver­bände in Deutschland wie jüngst bei ihrer Erklärung zum Tag der Diakonin 2020 weiterhin für einen Zugang von Frauen zu einem sakramentalen Diakonat ein.

4. Was auf dem Spiel steht – es geht um die Zukunft der Konzilskirche

Frauen arbeiten in der Synodalversammlung und in den Foren des Synodalen Wegs gleichberechtigt mit, das ist ein wichtiger Schritt im Blick auf eine geschwisterliche und geschlechtergerechte Kirche. Und es ist im Vergleich zu anderen Ortskirchen ein besonderes Moment, die Themen und Fragen in den Foren gemeinsam zu verhandeln, die Frauen seit dem Konzil eingebracht haben, die aber als „feministisch“ abge­stempelt wurden und nur zu oft an den Rand gestellt worden sind. Dabei wird deutlich, dass es bei der Frage nach dem Zugang von Frauen zu Diensten und Ämtern nicht um eine bloße Öffnung des Amtes für Frauen geht, sondern um eine neue Ausgestaltung des Amtes, einen neuen Umgang mit Macht, eine neue Beziehungskultur im Volk Gottes.

Gerade dies ist auch eine Frage in anderen Regionen der Weltkirche. Gegen eine Öffnung des Amtes für Frauen wird oft angeführt, dass die „Weltkirche“ nicht so weit sei. Sicher hat die theologische Auseinander­setzung, die von Frauen geführt wird, in anderen Kontinenten andere Akzente, aber die Herausforderungen der Geschlechtergerechtigkeit werden hier angesichts der höchst existentiellen Fragen von Armut und Gewalt gerade (jüngeren) Frauen gegenüber in noch zugespitzterer Weise deutlich. Die Päpstliche Kommission für Lateinamerika hatte im April 2018 ein beeindruckendes, aber wieder in den Hintergrund getre­tenes Dokument über Frauen in „Kirche und Gesellschaft in Latein­amerika“ vorgelegt und den Finger in die Wunde von Klerikalismus und Machismo gelegt. Der Papst wird am Ende des Dokuments gebeten, eine Synode zu Frauen in der Pastoral und Mission der Kirche durchzufüh­ren. Sicher kann das nicht eine Synode in Gestalt der klassischen Bischofssynode sein, auf der über Frauen diskutiert wird, das wird nur mit Frauen weltweit in einer neu zu definierenden institutionellen Gestalt möglich sein. Dabei ist zu wünschen, dass sich – auch im Zu­sammenhang des Synodalen Wegs in Deutschland – mehr Stimmen aus der Ökumene an dieser Diskussion um Frauen in kirchlichen Ämtern beteiligen. Das ist auch in der siebten Osnabrücker These formuliert worden; denn die Frauenordination, so hat es die früh verstorbene Grazer Theologin Anne Jensen formuliert, ist mehr als ein ökumeni­sches Problem „eine ökumenische Aufgabe“, weil es eben nicht nur um Kirchenordnungen geht, sondern um die Tiefe der „Ökonomie des Ge­heimnisses Christi und der Kirche“. Ermutigen kann die geistgewirkte Praxis der Diakoninnenweihe, die der Patriarch von Alexandria, Theo­doros II., in der Demokratischen Republik Kongo im Februar 2017 vorgenommen hat. Er hat dort im Rahmen eines Gottesdienstes in Kolwezi eine Frau zur „Missionsdiakonin“ geweiht. Ermutigend ist dies, weil einerseits an die alten Traditionen angeknüpft wird, andererseits der veränderte Zeitmoment, die zunehmende Verantwortung von Frauen in den Kirchen und die Herausbildung neuer Gestalten von Ämtern von der Basis her ernst genommen werden. Gerade hier wird deutlich: Evangelisierung und Strukturreform gehören zusammen – genau das war und ist der Weg der Konzilskirche, und die Zukunft dieser Konzilskirche steht in den aktuellen Debatten um Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche auf dem Spiel.