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Editorial

Manchmal hilft ein Blick auf das Fremde, um das Eigene besser zu erkennen. Manchmal machen einem scheinbar Fachfremde auf dem eigenen Fachgebiet etwas vor.

So auch beim Beispiel vom barmherzigen Samariter: In der Erzählung Jesu führt nicht der Priester, nicht der Levit, sondern der Mann aus Samaria dem Fragesteller vor Augen, was es heißt, der Nächste zu sein.

Ähnlich und doch etwas anders ist es im Bereich der Ökumene: Die Be­geg­nung mit anderen kann Aspekte des eigenen Glaubens, die in den Hintergrund oder in Vergessenheit geraten sind, neu ins Bewusstsein rufen. Sie hilft zu lernen, was meine ureigene Aufgabe, meine eigent­liche Mission als Christ, als Christin ist.

Ökumene ist aber kein Museumsbesuch, kein bloßes Betrachten, Sich-Abgucken oder Sich-bewusst-Machen. Sie ist gemeinsame Sorge um das gemeinsame Lebens-Haus, um die gemeinsam bewohnte Welt (das ist die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Worts). So meint Ökumene nicht nur Begegnung, Austausch, gegenseitiges Verstehen, Überwinden von Differenzen und Sich-Bemühen um ein friedliches Zu­sammenleben, sondern wesentlich auch gemeinsames Handeln, das über­zeugend auf die Frage antwortet: Wer ist mein Nächster? So kommt christliche Mission, kommt das Evangelium, die frohe Botschaft für alle, heute praktischerweise nur in der Ökumene zur umfassenden Verwirk­lichung.

Doch wer wohnt heute mit uns im gemeinsamen Haus? Blicken wir nur einmal auf Deutschland, so fällt neben Katholiken und Protestanten – die in sich schon plural sind – eine zunehmende Vielfalt religiösen Le­bens ins Auge: Muslime machen hier die nächstgrößte Gruppe aus. Und rund ein Drittel der Bevölkerung gehört keiner Religionsgemein­schaft mehr an. Entsprechend erweitert sich der Begriff Ökumene: Ne­ben der „klassischen“ innerchristlichen Ökumene spricht man heute auch von der Ökumene zweiter Art (interreligiös) und dritter Art (mit Nicht-Reli­giösen). Was mit Letzterer gemeint ist, beschreibt Eberhard Tiefensee; Guido Erbrich unterzieht diesen Ansatz dem ‚Praxis-Check‘.

Wie und wo wird heute Ökumene erster, zweiter und dritter Art kon­kret? Und was bedeutet die Wirklichkeit des Handelns für ein zeitge­mäßes Verständnis von Kirche und Mission? Diesen Fragen geht der Schwerpunktteil dieser Ausgabe von euangel nach: Nach dem grundle­genden Artikel von Hubertus Schönemann schildern uns Autoren aus verschiedenen Bereichen (Hospizarbeit, Fokolar-Bewegung, interreli­giöse Begegnungen, Konziliarer Prozess, Stadtteilarbeit), wie sich dort Ökumene unterschiedlicher Art verwirklicht. Was diese ökumenischen Perspektiven für das Verständnis von Kirche bedeuten, reflektiert ab­schließend Michael Dörnemann im Blick auf das Zukunftsbild des Bistums Essen.

Ich wünsche Ihnen eine bereichernde und anregende Lektüre!