Widerstandsfähig in einem sich wandelnden Klima?
Über die Zusammenhänge zwischen Resilienz und Klimakrise aus umweltpsychologischer Perspektive
Der Begriff Resilienz erfährt aktuell viel Aufmerksamkeit. Gerade im Zusammenhang mit Corona kommt die Frage danach auf, wie widerstandsfähig wir als Individuen und als Gesellschaft sind. Doch Corona ist nicht die einzige Krise, in der wir stecken. Die Klimakrise findet parallel statt und verspricht, zukünftig noch gravierendere Auswirkungen zu haben. Wie schaffen wir es dennoch, handlungsfähig zu bleiben? Was brauchen wir als Individuen und als Gesellschaft, um unsere Resilienz zu stärken und um aus Krisen für zukünftige zu lernen? Zunächst möchten wir einen Blick auf das Phänomen Resilienz werfen und uns dabei der Frage widmen, inwiefern Klima- und Naturschutz auf mehreren Ebenen systemisch mit Resilienz in enger Verbindung stehen. Wir erklären, warum wir für den Klimaschutz einerseits Resilienz brauchen – und hier Erfahrungen mit der Natur dazu beitragen. Andererseits zeigen wir, dass Umwelt- und Klimaschutz uns langfristig überhaupt erst resilient machen – und dafür braucht es veränderte Konsummuster und Lebensstile, die sich an Suffizienz orientieren. Und wir schlagen einen Bogen zur Rolle von Religiosität in der Transformation von Lebensstilen.
Was ist Resilienz und wodurch entsteht sie?
Der Begriff Resilienz bedeutet so viel wie „Spannkraft“ oder „Widerstandsfähigkeit“. Gemeint ist damit zumeist die individuelle Fähigkeit, mit Herausforderungen und Belastungen umzugehen, ohne darunter zusammenzubrechen oder einen nachhaltigen Schaden zu erleiden. Resilientes Verhalten zeigt sich, wenn sich ein Individuum in einer Risikosituation befindet und mit dieser belastenden Situation erfolgreich umgehen kann. Risiken oder Belastungen können dabei biologische, psychologische, umweltbedingte oder sozioökonomische Faktoren umfassen, die potentiell mit negativen Reaktionen verbunden sind. Häufig haftet dem Begriff Resilienz etwas sehr Mächtiges an: Wenn Individuen oder größere Systeme trotz widriger Umstände schwierige Herausforderungen meistern, ist das überlebenssichernd. Gleichzeitig sind Individuen und Systeme besser gegen erneute Krisen und Unvorhergesehenes geschützt – im Gegensatz zu stärker verletzlichen („vulnerablen“) Systemen.
Lange ging man davon aus, dass Resilienz eine stabile und durch Persönlichkeitsstrukturen wie beispielsweise Intelligenz geprägte Eigenschaft ist. Mittlerweile geht man aber viel stärker von dynamischen und interaktiven Prozessen mit dem sozialen Kontext aus, die Resilienz fördern können. Die Wahrscheinlichkeit, mit schwierigen Lebensbedingungen (z. B. Armut, Diskriminierung, Gewalterfahrung) erfolgreich umzugehen, steigt beispielsweise, wenn man Teil eines stabilen und unterstützenden sozialen Netzwerks ist. Aktuelle Resilienzforschung ist deshalb weniger auf einzelne Schutzfaktoren fokussiert, sondern auf die Prozesse, die dazu führen, dass Resilienz entsteht. Eine solche Verschiebung hat auch dazu geführt, dass Resilienz nicht mehr als ein Zielzustand betrachtet wird, der aus individueller Anstrengung heraus entsteht. Stattdessen werden Faktoren auf verschiedenen Systemebenen identifiziert und der Blick auf die günstigen Bedingungen geworfen, die Resilienz ermöglichen. Einige Forschende sprechen erst von Resilienz, wenn rückblickend nach dem Überwinden der Krise klar ist, ob das Individuum (oder System) wirklich resilient war. Nach der Krise lässt sich bestimmen, ob entweder der Ausgangszustand wiederhergestellt wurde oder ob Fähigkeiten gelernt wurden, welche die Wahrscheinlichkeit erhöhen, erneute Krisen leichter zu bewältigen. Brown und Westaway (2011) beschreiben, dass der erfolgreiche Umgang mit Widrigkeiten und Herausforderungen eine Neuorganisation (oder auch „Transformation“) von Systemen nach sich ziehen kann, in der sich adaptive Funktionen optimieren. Die transformative Konsequenz von resilientem Verhalten findet sich auch in aktuellen Überlegungen zu Umweltveränderungen und sozial-ökologischen Systemen wieder.
Resilienz im Kontext der Klimakrise
Der Klimawandel ist ein globales Phänomen mit immer gravierenderen Auswirkungen auf alle Systeme der Erde. Wir Menschen haben den Klimawandel kollektiv ausgelöst und treiben ihn kontinuierlich voran, solange klimaschädliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen. Die Folgen des Klimawandels sind mehr und mehr spürbar, etwa durch die Zunahme von Extremwetterereignissen. Der Klimawandel ist ein systemisches Risiko: Der Mensch verursacht Druck auf ökologische Systeme und in Folge dessen auch auf soziale Systeme, so dass deren Stabilität in Gefahr ist.
Der Klimawandel ist neben dem übermäßigen Ressourcenverbrauch und dem folgenden Biodiversitätsverlust ein zusätzlicher Prozess, der das System Erde unter Druck bringt. Häufig genannte Folgen des Klimawandels, wie etwa Naturkatastrophen, sind offensichtlich Phänomene, in denen Resilienz gefragt ist. Es geht etwa darum, katastrophenbedingte Schäden für einzelne Personen oder auch Gemeinschaften abzumildern, Dörfer wieder aufzubauen, mit Verlusten zurechtzukommen und aus einem Zustand von Chaos wieder in eine Normalität zurückzukehren. Die Klimakrise führt aber nicht nur dazu, dass Lebensräume in Gefahr geraten und instabil werden, sondern auch, dass weitreichende soziale Folgen für Individuen und Gesellschaften entstehen. Mit fortschreitendem Klimawandel werden Ressourcen knapper. Dies verursacht Verteilungsprobleme und weitreichende soziale Konflikte wie die Zunahme von autoritären Tendenzen und somit eine Gefährdung der Demokratie. Fühlen sich Menschen durch den Klimawandel bedroht, kann das zu einer stärkeren Rechtfertigung des Systems und der Zustimmung zu systemunterstützenden Gruppen führen bzw. zu einer Ablehnung von Gruppen, die eine (scheinbare) Bedrohung für die eigene Gruppe darstellen (vgl. Fritsche u. a. 2012). Reformen und Transformationen von Systemen sind dann noch schwieriger durch einen gesellschaftlichen Konsens herbeizuführen.
Aus diesen Zusammenhängen wird sichtbar, dass Resilienz im Kontext der Klimakrise ein sich wechselseitig beeinflussender Prozess ist: Einerseits brauchen wir Resilienz (als Individuum, als Gesellschaft, als Teil der Natur), um auf die Klimakrise angemessen reagieren zu können – gleichzeitig ist die Resilienz von (allen) Systemen inklusive der einzelnen Menschen durch die Klimakrise bedroht. Wie schaffen wir es also, resilient zu bleiben in einem sich wandelnden und immer stärker bedrohten System?
Grundsätzlich kann Resilienz durch Anpassung unseres Verhaltens erreicht werden. Das geht auf zweierlei Arten: 1) indem wir dafür sorgen, dass ein Problem weniger negativ auf uns (oder ein System) einwirkt und wir damit die Folgen minimieren. Das bedeutet beispielsweise, Maßnahmen zu ergreifen, durch die es uns besser geht. Eine solche Maßnahme kann sein, die Wirkung der Natur für sich zu nutzen, etwa durch einen Spaziergang in der Natur. Denn sowohl der Schatten durch Bäume als auch die Verdunstungskühle der Pflanzen allgemein geben uns die Möglichkeit, in Hitzewellen einen kühlen Kopf zu bewahren. Oder 2) indem wir dafür sorgen, dass das Problem selbst gemindert wird und wir unseren Lebensstil so verändern, dass wir weniger CO2 ausstoßen. Denn dieses ist ein wesentlicher Treiber des Klimawandels, der als Stressor auf globale Systeme einwirkt. Beide Pfade wollen wir nachfolgend kurz schildern und schließlich auch eine Verbindung zu Religiosität aufzeigen, die eine wichtige Rolle bei der Bereitschaft, unser Verhalten anzupassen, spielt.
Individuelle Resilienz durch Minimierung der Folgen: Naturerfahrungen
Natur ist ein wichtiger Erholungsraum für uns Menschen und kann uns helfen, die Folgen von Stress und die Auswirkungen von Umweltveränderungen abzubauen. Wenn wir uns in intakter Natur aufhalten, fördert das psychische und physische Prozesse, die sich positiv auf unsere Resilienz auswirken. Die Befunde in diesem Forschungsbereich sind sehr überzeugend und vielschichtig, auch wenn bis heute unklar ist, welche Elemente von Natur tatsächlich diese positiven Effekte auslösen. Natur kann auf sehr unterschiedlichen Wegen auf uns wirken: Wir bewegen uns in ihr mehr; sie bietet einen Raum für sozialen Austausch; die Luftzusammensetzung ist gesundheitsförderlich; und durch Ruhe und faszinierende Strukturen wirkt sie erholsam und stresslindernd. Zahlreiche Studien zeigen, dass Naturspaziergänge positive Effekte auf die Stimmung und die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Es wurde experimentell vielfach untersucht, dass Gehen durch Wälder Angst, Depressivität und Ermüdung reduziert. Anwesenheit von Natur hat auch vielfältige Effekte auf unser soziales Verhalten. Mehr Zeit um Bäume herum zu verbringen, kann Menschen kooperativer, freundlicher und großzügiger machen.
Erfahrungen in der Natur fördern die generelle Verbundenheit mit ihr. Naturverbundenheit kann als eine Art emotionale Verbundenheit und als Ausmaß, in dem Individuen die Natur als einen Teil ihrer Identität betrachten, definiert werden. Dabei werden oft drei unterschiedliche Komponenten berücksichtigt: Die kognitive Komponente bezieht sich darauf, wie integriert in die Natur sich ein Mensch fühlt – ist er Teil der Natur oder sieht er sich von ihr entkoppelt? Die affektive Komponente ist das Gefühl des Individuums für die Natur – werden positive oder negative Gefühle ausgelöst? Die Verhaltenskomponente bezieht sich darauf, wie mit der Natur umgegangen wird. Frühzeitige, intensive und häufige Naturerfahrungen stärken die Naturverbundenheit. Sie führt wiederum dazu, dass Personen Natur immer wieder und häufiger aufsuchen als Menschen mit weniger Naturverbundenheit. Eine hohe Naturverbundenheit geht häufig mit mehr Lebenszufriedenheit und positiven Gefühlen einher.
Generell gilt, dass die Anwesenheit von Natur substantiell auf uns Einfluss nimmt. Eine Studie hat versucht, den Anstieg an Wohlbefinden durch die Anwesenheit von Natur im nahen Umfeld des Wohnorts genauer zu quantifizieren. Dabei haben die Forschenden herausgefunden, dass bereits zehn Bäume im Wohnviertel so viel an Wohlbefinden ausmachen wie jährlich $ 10.000 mehr Einkommen (Kardan u. a. 2015). Konkret heißt das, dass Natur auch dabei hilft, mit widrigeren Umständen (z. B. weniger Geld) besser klarzukommen.
Gemessen an diesen Befunden wird deutlich, dass ein Wegfall von Natur Folgen für unsere individuelle und gesellschaftliche Resilienz hat. Wenn wir keine Gelegenheiten mehr haben, Natur zu besuchen und uns in ihr zu erholen, werden wir uns weniger mit ihr verbunden fühlen und weniger Möglichkeiten zur Bewältigung von Stress haben. Wenn uns zusätzlich die generelle Verbundenheit zur Natur fehlt, dann sinkt nicht nur die Lebenszufriedenheit, auch die Wahrscheinlichkeit für umweltschützendes Verhalten wird geringer (Mackay/Schmitt 2019). Im Prinzip befinden wir uns dann in einer Abwärtsspirale: Verlust von Naturerfahrungen führt zu geringerer Gesundheit, Naturverbundenheit und Motivation für Umweltschutz, was wiederum zu noch weniger Natur und demnach Möglichkeiten für Naturerfahrungen führt.
Die Zusammenhänge machen deutlich, dass individuelle Resilienz durch Abpuffern der Folgen nur solange möglich ist, wie es eben intakte Räume und die individuellen Möglichkeiten dafür gibt. Daher ist es wichtig, die zweite Perspektive zu betrachten und die Frage nach den Ursachen für Naturveränderungen und Klimawandel zu stellen. Denn diese bedrohen die Resilienz von Natur und Gesellschaften. Es ist daher wichtig, Prinzipien zu verfolgen, von denen wir wissen, dass sie unsere Systeme und uns selbst langfristig resilient machen können. Naturverbundenheit und Naturschutz stärken nicht nur individuelle psychische Resilienz, sondern eben auch die Resilienz der natürlichen Systeme. Nachfolgend wollen wir deshalb die Rolle der Veränderungen von Lebensstilen im Sinne des Suffizienzprinzips betrachten.
Resilienz durch Minimierung der Ursachen: Veränderung von Lebensstilen
Im Kontext der Nachhaltigkeitsdebatte ist in den letzten Jahren immer häufiger vom Suffizienzprinzip (lat. sufficere = ausreichen, genügen) die Rede. Dieses beinhaltet, die Grenzen der natürlichen Ressourcen zu akzeptieren und den eigenen Konsum so einzuschränken, dass er die natürlichen Systeme, die wir als Lebensgrundlage brauchen, nicht überlastet. Dem liegt die Einsicht zugrunde, dass die Befriedigung von psychologischen und materiellen Bedürfnissen langfristig nicht mehr möglich ist, wenn ökologische Systeme nicht mehr funktionieren. Außerdem liegt eine veränderte Haltung gegenüber materiellem Konsum zu Grunde, d. h. die Einsicht, dass materieller Konsum über einem gewissen Punkt nicht in der Lage ist, langfristig Wohlbefinden zu erzeugen oder psychologische Grundbedürfnisse zu befriedigen, sondern langfristig und in dem Maße, wie es gegenwärtig global geschieht, sogar das Gegenteil bewirken kann. Suffizienz bedeutet, Konsummuster an die ökologische Tragfähigkeit der Erde anzupassen. Dabei verändern sich die wahrgenommenen Aspekte von Konsum. Mit dem Flugzeug in den Urlaub zu fliegen, wird dann nicht mehr als notwendig betrachtet, da der Nutzen oder die Befriedigung von Bedürfnissen durch Urlaub auch durch Aufenthalte in Naherholungsgebieten erfolgen kann. Die (subjektive) Bewertung verschiebt sich zugunsten der ökologischen Kriterien, die aber im Kern gleichzeitig soziale Kriterien sind. Suffizienzorientierung bedeutet auch, sich im Alltag und bei Entscheidungen zu überlegen: Brauche ich die Dinge wirklich? Machen sie mich glücklich? Es gehört auch dazu zu hinterfragen, welche Art von Bedürfnissen durch den Konsum tatsächlich gestillt werden – oder eben auch nicht. Suffizienzorientierung und entsprechendes Verhalten fördern also die eigene Resilienz – im Sinne einer Unabhängigkeit von materiellen Zwängen – und die unseres Planeten. Menschen sind krisenfester, wenn sie wissen, wie Dinge im eigenen Haushalt zu reparieren sind und nicht neu gekauft werden müssen. Sie sind es auch, wenn eine Radtour um den nächstgelegenen See genauso glücklich (wenn nicht gar glücklicher) macht wie eine teure Flugreise in die Karibik. Suffizienz kann so als eine Art Bewältigungsstrategie der Klimakrise verstanden werden, da Menschen, die suffizient leben, mit weniger Ressourcen zurechtkommen, Dinge selbst produzieren und genügsamer sind. Diese Unabhängigkeit kann resilienter machen, z. B. wenn wirtschaftliche Krisen eintreten oder sich Lebensumstände so verändern, dass es unmöglich ist, immer wieder neue Dinge zu kaufen. Weniger Konsum bedeutet weniger Druck auf ökologische Systeme, mehr Zeit für deren Regeneration und gesteigerte Widerstandskraft.
Doch eine solche Veränderung von Lebensstilen ist nicht leicht und wird von Werten und Normen in unserer Gesellschaft stark beeinflusst. Konsum und Materialismus spielen in unserem aktuellen Wirtschaften und Handeln eine ganz zentrale Rolle. Sich individuell unabhängig von vorherrschenden Infrastrukturen und Denkmustern zu machen, ist schwierig. Entscheidend ist dafür, in welchen Gruppen wir uns bewegen, welche sozialen Identitäten wir teilen und wie in diesen Gruppen Handlungsoptionen verkörpert und kommuniziert werden. Wir wollen dies nachfolgend beispielhaft am Thema Religiosität und Glauben aufzeigen.
Die Rolle von Religiosität und Glauben bei Verhaltensänderungen
Die Verbindung zu Gruppen kann sich positiv auf beide bereits geschilderten Wege auswirken und demnach zur Resilienz beitragen. Die Zugehörigkeit zu einer (Glaubens‑)Gemeinschaft erhöht die Möglichkeit, sich in Krisensituationen Unterstützung zu holen und auf ein soziales Netzwerk zugreifen zu können, das Regeneration ermöglicht. Dies lässt sich in den ersten Pfad einordnen, um die Folgen von Krisen und Katastrophen abzuschwächen. Um Veränderungen im Sinne des zweiten Pfades – der Abmilderung der Krise an und für sich – zu bewirken, deuten einige Befunde zunächst auf problematische Zusammenhänge zwischen Glauben auf der einen und Lebensstiländerungen zugunsten von Umwelt- und Klimaschutz auf der anderen Seite hin. Hierbei spielen die mit dem Glauben und der jeweiligen Glaubenszugehörigkeit verbundenen Werthaltungen sowie das soziokulturell vermittelte Verständnis von individuellem Handeln eine zentrale Rolle. Menschen, die gläubig sind, sind häufig eher politisch konservativ eingestellt. Konservative Einstellungen korrelieren wiederum negativ mit der politischen Unterstützung von Klimaschutzmaßnahmen, und häufig tritt eine konservative Einstellung auch zusammen mit Tendenzen zur Leugnung des Klimawandels auf. Personen fühlen sich dann nicht verantwortlich, etwas gegen den Klimawandel und andere Umweltkrisen zu tun. Ursachen dafür können in der durch den Glauben vermittelten Rolle des Individuums in der Welt und im Verhältnis von Mensch versus Natur liegen. Religiosität geht zum einen oft mit dem Glauben einher, dass ein kontrollierendes mächtiges Wesen für die Geschehnisse auf der Welt zuständig sei und es einen größeren Plan des Schöpfers gebe. Zum anderen geht es mit dem Gefühl einer dominanten Position gegenüber der Natur einher (Hickel 2020). Die psychisch erleichternde Wirkung einer solchen Haltung wird deutlich, wenn es um die Verarbeitung von Verlusten oder der Folgen etwa von (Klima‑)Katastrophen geht (siehe auch erster Pfad). Problematisch ist jedoch, dass sich ein solches Weltbild negativ auf die Motivation für Umweltschutzverhalten auswirkt. Der Glauben an einen kontrollierenden Gott kann dazu führen, dass der Einfluss von positiven Umwelteinstellungen abgeschwächt und die Einstellungs-Verhaltens-Lücke damit größer wird (Eom u. a. 2021).
Aktives Handeln für den Klimaschutz tritt jedoch dann ein, wenn Menschen davon überzeugt sind, dass sie selbst und/oder die Gruppe, mit der sie sich identifizieren, durch ihr jeweiliges Handeln etwas bewirken können. Es entsteht ein Gefühl von Selbstwirksamkeit bzw. kollektiver Wirksamkeit. Außerdem spielt es eine maßgebliche Rolle, ob man sich als gleichwertig zur Natur und nicht dominant ihr gegenüber sieht. Dies wiederum spiegelt sich in der Identifikation und Verbundenheit mit Natur wider. Religion kann stark beeinflussen, wie das eigene Kontrollgefühl, etwas im Klimaschutz beizutragen, sowie das Verhältnis des Menschen zur Natur eingeschätzt wird. Hier besteht also ein großes Potential, diese Verhältnisse so zu vermitteln, dass sie auf Personen aktivierend und handlungsleitend im Sinne des Umwelt- und Klimaschutzes wirken. Außerdem sollte deutlich gemacht werden, welche Konsequenzen sich daraus ergeben, wenn umweltschützendes individuelles und kollektives Handeln unterlassen wird. Ein Positivbeispiel ist das Konzept der „religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (Gärtner 2020), in der es konkrete Ansatzpunkte gibt, um individuelle Verantwortung und Klimaschutzhandeln zu stärken. Außerdem kann auch Dankbarkeit gegenüber der Natur und Schöpfung ein wichtiger Motivator für Umweltschutz sein.
Fazit
Die Klimakrise fordert die Resilienz aller Systeme heraus, indem sie Instabilitäten erzeugt. Als Konsequenz müssen wir unsere eigene Resilienz und die unserer Systeme stärken. Das geht durch Anpassung und Veränderung der Ursachen. Umwelt- und Klimaschutz ist für beide Strategien notwendig. Sie können uns selbst und globale Systeme langfristig resilient machen. Wenn wir natürliche Systeme, die wir als Lebensgrundlage nutzen, schützen, ist das langfristig sinnvoll für den Erhalt von Lebensraum, für die Stabilität von Gesellschaften und für unsere individuelle Gesundheit. Diese ist wiederum notwendig, um Krisen erfolgreich zu meistern. Es ist sinnvoll, das Prinzip der Reziprozität im Kontext der Klimakrise und in der Wirkung unseres Verhaltens auf diese Krise zu erkennen, zu kommunizieren und aktiv zu fördern – auch im Kontext von religiöser Bildung und Praxis. Resilienz entsteht nur mit einem wechselseitig und miteinander verbundenen Blick zwischen Mensch und Natur. Wenn wir die Resilienz der (Öko‑)Systeme durch eigenes Klima- und Umweltschutzhandeln fördern, bleiben wir selbst (langfristig) resilient.