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Party oder Kartoffelsalat?

Einige Gedanken zu Stewardship

In den USA ist Stewardship das vielleicht bedeutendste Konzept der Rezep­tion des 2. Vatikanums für die Pfarreienentwicklung. Auch für den deut­schen Kontext kann es Denkanstöße liefern, findet Martin Hochholzer – und spinnt Gedanken des Stewardship-Konzepts weiter.

Stellen Sie sich vor: Die Jahresabschlussparty des Chores steht an. Coole Sache! Alle möchten daran teilnehmen. Und sind sogar bereit, etwas fürs Buffet mitzubringen. So weit, so gut.

Aber alle möchten nur teilnehmen. Niemand kümmert sich um die Party insgesamt. Und so stehen am Abend dreißig Leute mit Kartoffelsalat vor der verschlossenen Tür, weil niemand den Schlüssel geholt, niemand sich um den Raum gekümmert, niemand Getränke besorgt, niemand das Buffet organisiert hat …

Bild: Sinawa/pixabay.com.


Wer ist schuld? Die oder der, der oder die zuständig ist. Doch was, wenn sich niemand zuständig fühlt?

Tauschen wir einmal die Party durch eine Pfarrei aus und den Kartoffel­salat durch ehrenamtliche Dienste. Auch da ist es gut, wenn es nicht nur „Kartoffelsalat“ gibt. Doch um die „Buffetorganisation“ und die „Party“ insgesamt kümmern sich ja zum Glück die Hauptamtlichen, allen voran der Pfarrer. Nach can. 519 CIC helfen Lai:innen ja nur mit.

Doch auch wenn die Pfarrei dem Pfarrer deshalb nicht gehört – und auch nicht dem Bischof, der sie ihm anvertraut hat: Irgendwie ist sie doch zuerst seine Sache und die der Hauptamtlichen. Viele bringen sich gerne hier und dort ein, wollen bei einzelnen Angelegenheiten auch mit­­reden – doch wenngleich ihnen die Pfarrei auch als Ganzes am Her­zen liegt, so fühlen sie sich doch nicht dafür verantwortlich.

So wie es ein Steward tun sollte. Ein Steward war im mittelalterlichen England die rechte Hand eines Adeligen, der für ihn – der vielleicht jahrelang auf Kriegszügen unterwegs war – die Verwaltung seines Besitzes übernahm. Während aber im Laufe der Zeit der „Steward“ vielfach zu einer bloßen Bedienung „degradiert“ wurde – auf der Party würde er vielleicht nur die Getränke ausschenken –, hat das davon ab­geleitete „Stewardship“ Karriere gemacht. Insbesondere das environ­mental stewardship steht heute für eine andere Grundhaltung, die das Gegebene – in diesem Fall die Natur – nicht nur instrumentell, als Gebrauchsgegenstand betrachtet, sondern ihm mit verantwortlicher Sorge begegnet.

Daran kann auch das Stewardship-Konzept in der US-amerikanischen katholischen Pastoral anknüpfen. In der deutschsprachigen Pastoral­theologie wurde es bisher wenig in den Blick genommen. Arnd Franke hat mit seiner Dissertation – 2019 erschienen – wichtige Einblicke und Reflexionen geliefert. Anhand von sechs verschiedenen Pfarreien, die er besucht hat, stellt er dar, wie unterschiedlich dieses in den USA seiner Meinung nach bedeutendste Konzept der pastoralen Konzilsrezeption ausgeprägt sein kann.

Dennoch zeigt sich ein gemeinsamer spiritueller Grundansatz: Gott hat den Christ:innen Gaben anvertraut, die sie verantwortlich (also wie ein Steward) verwalten und in Kirche und Welt einbringen sollen. Dabei ist nicht nur – und das ist ein wesentlicher Unterschied zu deutschen Dis­kursen – an die Charismen gedacht, sondern es ist deutlich breiter von der Trias „time, talent and treasure“ die Rede. Ja, es geht – auch! – um Geld; und außerdem um Verbindlichkeit: Vielerorts werden die Mit­glieder US-amerikanischer Pfarreien zu einem festen Termin gebeten, sich für ein ganzes Jahr festzulegen, was sie regelmäßig an ehrenamt­lichem Engagement wie an Spenden leisten wollen.

Natürlich steht da ein Kirchenfinanzierungssystem dahinter, das keine Kirchensteuer kennt. Und Stewardship wird offenbar immer noch von vielen als ein „protestantisches“ Konzept angesehen, bei dem es nur um Geld ginge. Schade, denn über den Ansatz lohnt es sich nachzudenken – auch in Deutschland.

Wem gehört eine Pfarrei? Wer schmeißt die Party? Es geht wohl nicht ohne Menschen, die in besonderer Weise (Gesamt‑)​Verantwortung übernehmen und das vielleicht sogar hauptberuflich und in amtlichem Auftrag tun. Aber die richtige Stimmung kommt erst auf und es geht/​läuft rund, wenn viele eine Sache zu ihrer Sache machen.

Es ist wie beim bürgerschaftlichen Engagement, wo Menschen nicht mehr alles der Stadtverwaltung überlassen (wollen), sondern selbst aufmerksam werden, wo etwas fehlt, wo etwas zu verbessern wäre – und dann auch selbst Dinge in Bewegung bringen und Hand anlegen. Dagegen sind Christ:innen (nicht nur) in der katholischen Kirche immer noch zu sehr daran gewöhnt, von Hauptamtlichen verwaltet und versorgt zu werden und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Ist Stewardship hier eine einfache Lösung? Nein, allein schon deshalb nicht, weil es sich als „way of life“ versteht, der eine grundlegende Änderung des Denkens, von Einstellungen und Haltungen erfordert. Weiterhin kann Stewardship für einen Pfarrer auch nur ein Konzept sein, um die Gläubigen stärker zu aktivieren, mit höherer Verbind­lichkeit einzuspannen oder lediglich zum Spenden zu bewegen, ohne ihnen ernsthaft Mitgestaltungsmacht zu übertragen. Zudem bindet Stewardship Menschen tendenziell an eine verfasste Größe wie eine Gemeinde oder Pfarrei: Was ist dann mit freien und spontanen christ­lichen Initiativen? Und vor allem: Was ist mit Menschen, die sich nicht (so sehr) binden wollen an eine Pfarrei – und die gerade in Deutschland den Großteil der Kirchenmitglieder ausmachen? Oder die gerade nicht die Zeit und die Ressourcen haben, um sich groß einzubringen?

Das Stewardship-Konzept ist aber wie eine Illustration zu dem, was das Grundlagenpapier der deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“ von 2015 „Verantwortung aller im Gottesvolk“ (Sekretariat der Deut­schen Bischofskonferenz 2015, 49) nennt. Und das sollte man nicht nur pfarrei- oder gemeindebezogen denken: Auch im Alltag, auch jenseits von allem, was kirchlich konnotiert ist, auch im nationalen und glo­balen Kontext ist christliche Anwaltschaft und Verantwortungsüber­nahme gefragt – und jede Christin und jeder Christ ist dazu ermächtigt. Stewardship verstärkt den Gedanken des Konzils, dass alle Getauften das Recht haben, ihre Gaben einzubringen und so die Sendung Jesu voranzubringen.

Und Stewardship bedeutet auch: Let’s talk about money – reden wir offen und unverkrampft über Geld. Auch unser materieller Reichtum ist eine Gabe Gottes, für die wir dankbar sein dürfen und die wir zum Guten einsetzen sollen. Auch wenn das derzeitige Kirchensteuersystem bei­behalten wird, das ja durchaus seine Vorzüge hat, könnte der Gedanke des finanziellen Stewardships in Deutschland (stärker) Anwendung finden: in Form von – vielleicht zweckgebundenen – Spenden für eine Gemeinde, eine Pfarrei oder ein Projekt, der oder dem man sich verbun­den fühlt. Dieses Geld könnte man – ebenso wie eingesetzte Zeit für ehrenamtliches, gabenorientiertes Engagement – als Investition in das, was einem am Herzen liegt und anvertraut ist, betrachten.

Soweit nur einige Gedanken, die das US-amerikanische Pfarreikonzept keineswegs erschöpfend vorstellen wollen, sich aber zugleich die Frei­heit nehmen, den Gedanken des Stewardships weiterzuspinnen. Des­halb ist dieser Artikel auch ein Plädoyer für eine eklektizistische Rezep­tion und ein kreatives Weiterdenken des Stewardship-Konzeptes im deutschen Kontext.

Auf dass die große Party des Reiches Gottes gelinge!