Atheismus – nichts und doch Neues
Tagung der katholischen Weltanschauungsbeauftragten
Tut sich im Atheismus – speziell auch im organisierten – wesentlich Neues? Man kann die Frage begründet verneinen; und doch sind Konfessionslosigkeit und säkularer Humanismus zunehmend Größen, die herkömmliche politische und gesellschaftliche Formationen radikal in Frage stellen.
Deutlich wurde dies auf der Herbsttagung der katholischen Weltanschauungsbeauftragten, die sich nicht zum ersten Mal mit dem Themenfeld befassten. Vor den rund 20 Kolleginnen und Kollegen aus Deutschland und dem deutschsprachigen Ausland, die sich vom 24. bis 26. September 2018 in Regenstauf trafen, stellte Dr. Andreas Fincke wesentliche Einsichten aus seinem aktuellen Buch vor (vgl. Fincke 2017). So sieht er derzeit zwei Hauptrichtungen des organisierten Atheismus: eine atheistisch-laizistische Richtung (z. B. die Giordano-Bruno-Stiftung), die „Religionsprivilegien“ abschaffen will, und eine humanistische, die diese Privilegien für sich selbst in Anspruch nehmen will (so z. B. der Humanistische Verband Deutschlands). Zwar sind laut Fincke nur vielleicht 25.000 Deutsche in atheistischen Organisationen, doch sind diese teilweise sehr rührig. Und bei bestimmten Themen – etwa christlich geprägten Feiertagen oder Staatsleistungen – schwindet das Verständnis und die Unterstützung für bisherigen Regelungen in Politik und Bevölkerung. Noch bedenklicher ist aber für die Kirchen, dass sie die zunehmende Zahl der Konfessionslosen und der Kirchenfernen nicht mehr erreichen – und dass die Bemühungen, hier die Kommunikation zu verbessern, nicht wirklich ausreichend sind.
Prof. Günter Kruck fragte als Philosoph und Theologe nach den geschichtlichen Grundlagen des heutigen Atheismus und ging dazu u. a. auf die klassischen atheistischen Denker (Feuerbach, Marx, Nietzsche, Freud) ein. Der Atheismus hat eine wechselhafte Geschichte; immer wieder trifft man aber auf das Moment der Suche nach wahrer Freiheit für den Menschen – gerade in Abgrenzung zur Vereinnahmung des Einzelnen durch Staat und Institutionen. Heute ist in vielen atheistischen Entwürfen die Berufung auf Erkenntnisse der Evolutionsbiologie zentral (etwa bei Richard Dawkins); doch dabei geschieht eine unzulässige Reduktion der Wirklichkeit, die sich eben nicht nur durch Mutation und Selektion erklären lässt.
Vertieft wurde der Blick auf den Atheismus durch das Gespräch mit einem Vertreter der Szene. Die Pflege solcher Dialoge ist für die kirchliche Weltanschauungsarbeit wichtig – auch, weil man so noch einmal ganz andere Einsichten bekommt. Michael Bauer, Vorstand des Humanistischen Verbandes (HVD) Bayern, stellte das humanistische Engagement seiner Weltanschauungsgemeinschaft heraus: Bei nur rund 2.000 Mitgliedern sind 300 Hauptamtliche in diversen Kitas und anderen Sozialeinrichtungen und sogar einer Schule tätig. Dieses Angebot stehe Menschen mit den verschiedensten religiös-weltanschaulichen Überzeugungen offen, betonte Bauer, man bemühe sich um möglichst große weltanschauliche Offenheit. Was dann aber genau Humanismus meint und wo auch notwendige Grenzen zu ziehen wären, dazu entspann sich ein intensiver Dialog. Hier wurde deutlich, dass Christen und säkulare Humanisten teilweise um dieselben Fragen ringen, die unsere gegenwärtige Gesellschaft herausfordern. Und ebenfalls deutlich wurden auch Kontroversen innerhalb der säkularen Szene, etwa zwischen HVD und kämpferisch atheistischen Akteuren.