Inhalt

Mission Manifest

Die Thesen für das Comeback der Kirche

Das „Mission Manifest“ hat gleich nach seinem Erscheinen Anfang 2018 eine heftige Diskussion ausgelöst und viele kritische Reaktionen hervor­gerufen (vgl. z. B. den Beitrag von Martin Hochholzer in der letzten Aus­gabe von euangel). Das Buch vertieft „10 Thesen für einen missionari­schen Auf­bruch“, die als „Thesen für das Comeback der Kirche“ (so der Untertitel des Buches) gelten. Es versteht sich als Begleitband zu einer kirchlichen Bewegung, die „die Sehnsucht bewegt, dass Menschen sich zu Jesus Christus bekehren“ (These 1), und die danach strebt, „dass Mission Priorität Nummer eins wird“ (These 2). Die zehn Thesen gehen zurück auf einen Kreis von sechs Initiatoren aus Deutschland, Öster­reich und der Schweiz, die einem – so vielleicht der kleinste gemeinsa­me Nenner – konservativ-katholischen Spektrum zuzurechnen sind, am bekann­testen wahrscheinlich der Leiter des Gebetshauses in Augsburg, Johan­nes Hartl. Zusammen mit fünf weiteren Autorinnen und Autoren wer­den die zehn Thesen samt Präambel vorgestellt, ohne dass damit der „Anspruch einer systematischen Programmschrift“ (19) erhoben würde. Die Diversität der elf Beiträge macht eine Einschätzung nicht ganz einfach.

Die Kurzfassung der Thesen hinterlässt in ihrer Signalhaftigkeit einen anderen Eindruck als die Langfassung und diese wiederum einen ande­ren als gesamte Buch. Der dramatische, alarmistische Ton des Klappen­texts findet sich nicht in allen Beiträgen gleichermaßen wieder. Auch sind evangelikale und charismatische Denk- und Sprachtraditionen, die die zehn Thesen prägen, nicht über alle Texte gleich verteilt; ebenso häufen sich bestimmte Identitätsmarker eines konservativen Katho­li­zismus wie etwa Kulturpessimismus, Betonung sexualethischer Fragen oder Kritik an der „Gendertheorie“ bei manchen Beiträgen, z. B. dem von Sophia Kuby.

Weite Passagen des Buches dürften aber auch über die eigentliche Ziel­gruppe hinaus zustimmungsfähig sein – um nur einige Beispiele zu nennen: dass das Ziel von Mission nicht ist, „die Islamisierung der Welt aufzuhalten oder das christliche Erbe des Abendlandes zu retten“ (35), dass „man die Säkularisierung unserer Tage auch als Rückabwicklung einer Christianisierung verstehen [kann], die in vielen Teilen eben nicht auf Jüngerschaft, sondern bloß auf die Zugehörigkeit zur Religionsge­meinschaft abgezielt hat“ (36), die „Häresie der falschen Betonung“ (151), welche die Hierarchie der Wahrheiten verkennt, die Kritik an einer „Überbetonung des Hierarchischen“ (185) oder dass Mission „demokratisiert“ werden soll und „Querschnittsaufgabe aller Christen in allen Ländern und Kulturen“ (207) ist. Positiv hervorzuheben ist auch die Betonung der ökumenischen Zusammenarbeit, am prägnantesten im Beitrag von Johannes Hartl, in dem er herausstellt, was er von den Freikirchen gelernt hat.

Die Stärke des Buches liegt in seiner Entschiedenheit für das Christen­tum. Volkskirchliche Strukturen und ein verbürgerlichtes Christentum werden teils drastisch kritisiert. Diese Entschiedenheit imponiert einer­seits: Es geht um die Nachfolge Jesu, nicht um den Erhalt der Kirche – andererseits verstört sie auch in ihrer Einseitigkeit, weil sie eine Fülle von Engagement und Neuaufbrüchen gar nicht wahrzunehmen scheint. Dass Aufgabe der Kirche auch Dienstleistung für nur wenig Identifi­zierte oder Zaungäste sein sollte, kommt nicht in den Blick, ebenso wenig, dass man von der Weltkirche lernen könnte. Dass Mission vor allem bedeutet, dass Gott nicht unabhängig vom anderen verkündet werden kann, wird im Mission Manifest nicht deutlich.

Weitere Punkte sind kritisch anzumerken: Die diakonische sowie die gesellschaftliche Perspektive bleiben unterbelichtet; die Betonung der Beziehung zu Jesus wirkt ambivalent – sie bleibt theologisch gesehen unterkomplex und dürfte unverständlich sein für viele, die mit dem Christentum wenig Berührung haben. Schließlich ist die polarisierende Abgrenzung gegen den „Mainstream“ eine auch im politischen Bereich bekannte Strategie und hinterlässt an vielen Stellen ein ungutes Gefühl.

Das Mission Manifest wird nicht die Blaupause für die zukünftige Ge­stalt des (katholischen) Christentums darstellen – es wird sich eher weiter pluralisieren. Doch die Konsequenz, mit der hier der Glaube vertreten wird, bleibt Stachel im Fleisch für ein saturiertes Christen­tum. Jedenfalls ist die Diskussion darüber, was Mission bedeutet, noch längst nicht abgeschlossen.

Tobias Kläden

 

Diese Rezension erscheint erstveröffentlicht in der Zeitschrift „Theologische Beiträge“.