Betriebswirtschaftliches Denken bei der Gestaltung kirchlichen Handelns
Keine Ablenkung von der wirklichen Botschaft, sondern Chance zu wirksamer Nachfolge
Wenn von der Verwendung betriebswirtschaftlicher Instrumente in der Kirche die Rede ist, ist damit oftmals eine Kritik verbunden. Der oberste Laienvertreter der Katholiken in Bayern appellierte im März diesen Jahres an die Bischöfe, sich an dem Tun der frühen Christen zu orientieren „und nicht daran, was Unternehmensberater zur Effizienzsteigerung eines Apparates empfehlen“ (Schmid 2017). Wenn solch ein Gegensatz von inhaltlichen Zielen und einem effizienten Verwaltungsapparat besteht, dann sind die Berater wahrlich schlecht gewählt.
Effizienz ist an sich bestimmt nicht unchristlich
Effizienz an sich ist aber erst einmal nicht schlecht. Die Betriebswirtschaftslehre ist ganz nüchtern betrachtet die Wissenschaft der Knappheit: Instrumente und Methoden sollen entwickelt werden, diese zu verringern und mit begrenzten Mitteln möglichst viel zu erreichen. Was genau erreicht werden soll, das wird an anderer Stelle bestimmt.
Ist das unchristlich? Anders gefragt: Wo liegt die theologische Rechtfertigung für die Verschwendung von Finanz- oder Personalressourcen? Ist es falsch, möglichst wirksam Bedürftigen zu helfen und so viele Menschen wie möglich mit der frohen Botschaft zu erreichen? Würde eine Verneinung der Existenz klarer kirchlicher Ziele in der Welt nicht dem Anspruch zuwiderlaufen, die Lebenssituation der Menschen verbessern zu wollen?
Und dazu kommt: Sind kirchliche Ressourcen unbegrenzt, oder gilt nicht das Bonmot, nach dem die Kirche keine Kuh ist, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird?
Dabei ist klar: Die Kirche und kirchliche Organisationen sind nicht primär Wirtschaftsunternehmen. Welche Ziele es zu verfolgen gilt, diese Orientierung gibt es normalerweise nicht beim Unternehmensberater. Da müssen der Heilige Geist und das Evangelium die Richtung vorgeben. Auf welche Weise dann z. B. der hl. Petrus von Jerusalem nach Rom reist, um seine Ziele zu erreichen, ist eine Frage der Effizienz und des Geschicks der Seeleute – und auch der Kaufleute.
Die BWL sorgt für Transparenz auch dort, wo man sie vielleicht nicht will
Die Betriebswirtschaft schafft in einem ersten Schritt Transparenz über den Einsatz von knappen Ressourcen. Diese Transparenz mag manchem in dem Sinne unethisch und verwerflich erscheinen, als dass sie Zusammenhänge aufzeigt, die man insgeheim manchmal gar nicht wissen möchte. Diese können als Versuchungen aufgenommen werden: Wenn berechnet wird, wie teuer ein Gottesdienst pro Kirchenbesucher ist, wenn Personalkosten im Detail verglichen werden, dann wird damit zuweilen der Vorwurf verbunden, solche Fragen überhaupt auf das Tapet gebracht zu haben, da sie unethische Entscheidungen provozieren würden.
Es gibt aber sehr gute Gründe, warum Kosteneinsparungen nicht per se für die Kirche sinnvoll sind: wenn nämlich aus einem missverstandenen ökonomischen Verständnis heraus theologisch festzulegende Ziele verschoben werden sollen. Wenn also die Wirtschaft nicht mehr den kirchlichen Zielen dient, sondern Primat über sie gewinnt. Maß zu nehmen ist an der möglichst weitgehenden Erreichung der kirchlichen Ziele.
Die Betriebswirtschaft bietet dafür Handwerkszeug, zu hinterfragen, ob denn nicht bei gegebenen Ressourcen ein Mehr an Zielerreichung möglich ist. Betriebswirtschaft fragt also per se nicht nach den Zielen kirchlichen Handelns, sondern sie wirft die Frage nach alternativen Wegen auf. Nach Wegen, die mehr Effizienz bieten. Und sie zeigt die Grenzen auf, wo durch unkluges Handeln die Nachhaltigkeit der Zielerreichung verlorenzugehen droht.
Es ist nicht immer einfach, gerade bei Einsparungsdiskussionen, Umsetzungsalternativen und mögliche Zielverschiebungen auseinanderzuhalten. Dies ist aber notwendig, um sachlich voranzukommen und der Betriebswirtschaft dabei den rechten Platz zuzuweisen. Ein fairer Umgang mit allen beteiligten Partnern und eine starke Organisationskultur mit hoher Identifikationskraft sind für jede Organisation Grundvoraussetzungen nachhaltigen Erfolgs. Das Zerrbild von wirtschaftlichem Denken, welches nur an kurzzeitigen Profit auf Kosten anderer aus ist, ist gewiss kein guter strategischer Ratgeber für die Kirche. Hinter Vorschlägen in diese Richtung verbirgt sich dann eine Unkenntnis von Kirche genauso wie Unwissenheit von strategischem Management.
Ein Ignorieren betriebswirtschaftlicher Instrumente verkennt tatsächliche Herausforderungen
Gut reflektiert werden müssen aber auch Vorschläge, die sich Instrumenten der Betriebswirtschaft komplett verschließen:
Während sich das Bistum Essen mit der Kampagne „Kirche kann Karriere“ potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern präsentiert, sehen andere den Lohn für den kirchlichen Dienst allein im Himmelreich; auch gute Arbeitsbedingungen sind entsprechend unnötig. Sie deuten die regelmäßigen Warnungen des Papstes vor falschem Karrieredenken dahin, sich bei der Personalakquise nur auf die geistliche Dimension zu beschränken. Aber ist das hilfreich, wenn ein kompetenter Buchhalter für die kirchliche Verwaltung oder eine gute Chefärztin im katholischen Krankenhaus benötigt wird? Einstellung und Gebet allein reichen dann schnell nicht mehr aus.
Die Vielzahl der kirchlichen Arbeitsfelder, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland herausgebildet hat, lässt sich nach Meinung der bischöflichen Finanz- und Personaldirektoren zukünftig so nicht aufrechterhalten. Die Betriebswirtschaft böte Entscheidungsinstrumente, hier sinnvolle Abwägeprozesse zu starten. Mit dem Argument, solch ein gegenseitiges Aufwiegen sei schlicht unmöglich, weil ja überall der Heilige Geist weht, sind solche Prozesse aber ausgebremst. Letztendlich muss man sich einen Heiligen Geist dieser Art aber auch schlichtweg leisten können …
Im Ausland wird die Situation in Deutschland mit Erstaunen wahrgenommen
Im März dieses Jahres fand in Rom die erste Konferenz überhaupt zum Thema Kirchenmanagement statt. Neben Referentinnen und Referenten aller Erdteile nahm auch einer der Autoren teil. Der Blick aus dem Ausland auf die Situation in Deutschland war von drei Momenten des Erstaunens geprägt: dass man sich in Deutschland anscheinend gar nicht um Fundraising kümmern müsse, da es ja die Kirchensteuer gäbe, wie viele kirchliche Institutionen in Deutschland bestehen und welch hohe Summen insgesamt im Spiel sind. Viele Punkte, die aus deutscher Perspektive selbstverständlich sind, werden dort als Besonderheit wahrgenommen. Vor dem Hintergrund und der damit verbundenen hohen Verantwortung für die Mittelverwendung wurde mit Erstaunen wahrgenommen, dass Forschung zum Thema Kirchenmanagement in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt und institutionell nur wenig ausgeprägt ist.
Bei allen Vorträgen und Workshops gab es zwei Themenfelder, die immer wieder diskutiert und zu denen Ideen vorgestellt wurden: zum einen Instrumente der Personalentwicklung, zum anderen Methoden zur Qualitätsmessung von Seelsorge und damit verbundene Möglichkeiten zu Steuerung und Controlling. Anzuerkennen war immer die hohe Sensibilität, mit der die Fragen kirchenspezifisch angegangen wurden.
An vorausschauender und sparsamer Mittelverwendung geht kein Weg vorbei
Ob einem die Betriebswirtschaft sympathisch ist oder nicht, ist irrelevant. Die Begrenztheit kirchlicher Ressourcen und die Verantwortung gegenüber den Mittelgebern (Spender, Kirchensteuerzahler, Staat etc.) fordern im Interesse einer möglichst guten und nachhaltigen Zielerreichung eine vorausschauende und sparsame Mittelverwendung. Damit verbunden sind dann angemessene Formen des Controllings und Reportings, strategische Entscheidungsinstrumente, Transparenz über Ausgaben und Ziele sowie effiziente Strukturen.
Aufbruch mit Abschied bedeutet besondere Herausforderung für Veränderungsgestaltung
Die aktuellen Rekordhöhen bei den Kirchensteuereinnahmen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in ausnahmslos allen Bistümern und Landeskirchen Deutschlands mittelfristig die zur Verfügung stehenden Finanzmittel deutlich zurückgehen.
Die überall angestoßenen pastoralen Aufbrüche sind Aufbrüche mit Abschied. Bei einem angestoßenen Veränderungsprozess wie einem pastoralen Aufbruch mit Zukunftsbild etc. geht es darum, möglichst viele Gläubige dafür zu motivieren und mitzunehmen. Für die Nachhaltigkeit der Veränderungen und die Kenntnis der spezifischen pastoralen Situationen und Gegebenheiten vor Ort ist ihre Mitwirkung von großer Bedeutung (vgl. Suermann de Nocker 2016, 3 f.). Auf ihre Impulse, Ideen und Vorstellungen muss entsprechend Rücksicht genommen werden.
Die anstehenden Abschiede sind aber für viele Gläubige Einschnitte und bergen Konfliktpotential in sich: Interessen und Vorstellungen von Gläubigen werden sich unweigerlich gegenüberstehen. Eine Bistumsleitung kann hier schlichtweg nicht auf alle Wünsche Rücksicht nehmen, wird auch Entscheidungen gegen Widerstände treffen müssen. Allerdings muss sich die Bistumsverwaltung stets der kritischen Frage stellen, ob die Entscheidungen der geistlichen Zukunft der Kirche im Sinne des Evangeliums oder vielmehr der weltlichen Sicherung des Kirchenvermögens und der eingerichteten Institutionen dienen.
Während durch finanzielle und personelle Ressourcenverteilung Richtungsentscheidungen möglich und notwendig sind, kann innerhalb des Prozesses ihre Funktion nur eine impulsgebende, moderierende und subsidiär steuernde sein (vgl. Suermann de Nocker 2016, 4 f.). Es zeigt sich aus organisationsentwicklerischer Perspektive die doppelte Herausforderung, in ein und demselben Prozess auf unterschiedliche Steuerungslogiken Rücksicht zu nehmen: Nicht nur müssen inhaltliche Zukunftsfragen an den einzelnen Orten angemessen unter wirklicher Beteiligung der Gläubigen beantwortet werden, es gilt diese auch mit den übergreifenden Entscheidungen zum Einsatz der begrenzten Ressourcen in Einklang zu bringen.
Orientierung am Geist des Evangeliums
Von zentraler Bedeutung ist, dass sich das kirchliche Wirken am Geist des Evangeliums ausrichtet. Wie dieser Geist weht und welche Anforderung dieses an die Kirche richtet, ist keine betriebswirtschaftliche Frage, sondern eine theologische.
Wie das Ziel dann aber erreicht wird, das Wirken wirksam am Evangelium auszurichten, ist eine Frage, zu der auch nicht-theologische Wissenschaften einen Beitrag leisten können: Dabei kann sowohl eine Orientierung am historischen Tun der frühen Christen als auch die Effizienzanalyse eines Beraters zielführend sein. Und was die Effektivität kirchlichen Handelns angeht, so haben die frühen Christen ganz offenbar hervorragend in die Zukunft der Kirche investiert und dabei alles unternommen, um das geistliche Ziel in die Welt zu tragen. Wirtschaft und Kirche sind kein Widerspruch; wirtschaftliches Denken und betriebswirtschaftliche Instrumente sollten kirchlicherseits in Anspruch genommen werden und ihre starke, zweckdienliche Rolle einnehmen.