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Kirchen und nachhaltiger Tourismus

Aufgrund der Corona-Pandemie musste die für Anfang Dezember von der Katholischen Arbeitsgemeinschaft für Freizeit und Tourismus (KAFT), der Thomas-Morus-Akademie (TMA) und der Akademie des Versicherers im Raum der Kirchen (VRK) geplante Fachtagung „Zurück auf Los? Der Beitrag der Kirchen zu einem nachhaltigen Tourismus“ auf den 6. bis 8. Juli 2021 verschoben werden. Als Appetizer für die Tagung im kommenden Jahr und um das Thema nicht aus den Augen zu ver­lieren fand am 3. Dezember 2020 ein Online-Fachgespräch zu „Kirchen und nachhaltiger Tourismus“ statt. Es nahmen 50 Personen aus dem katholischen wie evangelischen Bereich an der Veranstaltung teil.

Die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit liegt auf der Hand, da ein nichtnachhaltiger Lebensstil unsere globale Lebensgrundlage funda­mental bedroht. Welche Rolle spielt der bedeutende Wirtschaftsfaktor Tourismus dabei? Zerstört er auf lange Sicht das, was er eigentlich schätzt und schützen will? Und was können die Kirchen in diesem Zusammenhang beitragen?

Durch Corona spitzt sich das Ganze noch einmal zu: Reisen, besonders Fernreisen, werden erschwert. Das mildert Phänomene des Massen­tourismus oder Overtourism ab und senkt CO2-Emissionen, führt aber zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei denjenigen, die vom Tourismus leben. Dies lässt die Frage nach einem sanften, einem nachhaltigen Tourismus neu in den Blick kommen.

Markus Vogt, Sozialethiker an der LMU München, charakterisierte in seinem Impuls Nachhaltigkeit als ein Kompromisskonzept: Es nimmt die Wechselwirkungen zwischen Ökologie, Ökonomie, Sozialem und Kulturellem in den Blick und sucht einen Ausgleich zwischen diesen Bereichen zu finden, durch den die globalen Lebensgrundlagen ge­schützt werden. Einen gewissen Vorrang hat dabei die Ökologie, doch sind in dieser hochkomplexen Gemengelage heterogene Zielkonflikte zu bewältigen. Nur ein Beispiel: Fernreisen können dem interkulturellen Austausch und der Sensibilisierung für kulturelle Hintergründe dienen; andererseits erzeugt schon allein ein Flug nach Gran Canaria 1,5 t CO2 – so viel, wie ein Inder durchschnittlich pro Jahr verbraucht. Trotz vieler legitimer Zwecke von Reisen sind bestimmte Limits und Beschränkun­gen unumgänglich, wenn Klimaschutzziele eingehalten werden sollen; auch CO2-Kompensationen allein reichen dazu nicht aus.

Neben dem Nachhaltigkeitskonzept spielten auch andere Ansätze eine Rolle in der Diskussion, etwa das der Resilienz oder der ökologischen Gerechtigkeit. Kirchliche Stimmen haben einen großen Anteil am Nachhaltigkeitsdiskurs, man denke nur an den konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung oder an die Enzyklika Laudato si’. Dabei wird deutlich, dass es nicht allein um technische Veränderungen geht, sondern um eine kulturelle Revolution (Papst Franziskus). Kirchen können ein intelligentes Reisen fördern, das vielleicht seltener, aber mit mehr Zeit stattfindet, das Begegnung ermög­licht und spirituell begleitet wird – wie z. B. das Pilgern, für das, wenn man so rechnen will, bereits jetzt schon mehr Zeit aufgewendet wird als für alle anderen Formen von Liturgie.

Der Tourismuswissenschaftler Harald Pechlaner (Katholische Univer­sität Eichstätt-Ingolstadt) beleuchtete die Folgen der Corona-Pandemie für die Tourismuswirtschaft angesichts großer (allerdings unterschied­lich verteilter) Einbrüche in diesem Jahr. Corona wirkt als Katalysator für bereits bestehende Entwicklungen und schon länger zu hörende Kritik am Tourismus, vor allem, wenn er als Overtourism Lebensräume von Menschen gefährdet. Die Perspektive des „Lebensraums der Bereis­ten“ wird nicht mehr einfach der Perspektive der „Destination der Reisenden“ untergeordnet werden können. In Zukunft wird – neben Sicherheit und Gesundheit – auch das Konzept der Nachhaltigkeit beim Reisen eine noch größere Rolle spielen als derzeit.

Wichtig werden dabei auch Stichworte wie Gastfreundschaft und Resonanz werden. Gastfreundschaft verweist auf die Wertschätzung, die dem Gast, aber auch dem Gastgeber entgegenzubringen ist, damit die Beziehung zwischen beiden gelingt. Mit dem Resonanzkonzept wird angedeutet, dass es – statt einer Fixierung auf das eher oberflächliche Erlebnis – um die Erfahrung in ihrer Tiefendimension geht und so eine „Reise ins Ich“ ermöglicht wird.

Die Kirchen mit ihrer Kompetenz in den großen Fragen der Welt und des Lebens haben somit auch eine wichtige Funktion für den Tourismus, in­dem sie die Tiefendimension des Reisens und eine Kultur der Gastlich­keit fördern können. Hier geht es um mehr als um das Einspielen ethi­scher Werte, nämlich um ein respektvolles (statt instrumentelles) Ver­hältnis zu Natur und Umwelt. Dies ist eine wichtige Voraussetzung dafür, hinsichtlich der Nachhaltigkeit vom Wissen zum Handeln zu kommen. Die Kirchen haben auch die Aufgabe, kritisch aufzuklären über problematische säkulare Heilsversprechen, die die Tourismus­industrie macht – und gleichzeitig den eigenen Verbrauch an Ressour­cen zu hinterfragen.