Globale Herausforderungen und die ÖRK-Missionserklärung
„Das Evangelium befreit und verwandelt. Seine Verkündigung muss auch die Verwandlung von Gesellschaften einbeziehen, mit dem Ziel, gerechte und inklusive Gemeinschaften zu schaffen“ (Nummer 91; auch im Folgenden zitiere ich die Erklärung nach Nummern). Dieses Zitat ist typisch für die 2012 beschlossene Missionserklärung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Das Papier mit dem Titel „Gemeinsam für das Leben: Mission und Evangelisation in sich wandelnden Kontexten“ wurde von der „Kommission für Weltmission und Evangelisation“ (CWME) vorbereitet, in der nicht nur die ÖRK‑Mitgliedskirchen, sondern darüber hinaus auch Katholiken, Evangelikale und Pfingstler zusammenarbeiten.
Bei einer solchen Bandbreite von christlichen Richtungen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, ist nicht selbstverständlich. Bemerkenswert ist aber vor allem das umfassende, ganzheitliche Verständnis von Mission, das sämtliche Grenzen konfessionalistischen Konkurrenz- und Wettbewerbsdenkens sprengt und sich ehrlich und selbstkritisch bemüht, die heutige Weltsituation aufzunehmen und christlich zu durchdenken.
Im Folgenden seien einige Schwerpunkte und Aspekte der Erklärung herausgestellt, geleitet von der Frage: Wie beeinflussen globale Herausforderungen und eine neue globale Situation das Missionsverständnis der Erklärung des ÖRK?
Mission als Geschehen im Heiligen Geist
Mission gründet für das Dokument in der missio Dei, in jener großen Bewegung von der innertrinitarischen Liebesbeziehung bzw. der Liebe des Vaters zum Sohn aus hin zur Liebesmission des Sohnes für die Menschen und dann der Menschen für- und untereinander. „Mission ist das Überfließen der unendlichen Liebe des dreieinigen Gottes“ (19). Der Mensch ist nur ein Teilnehmer an dieser Mission Gottes (1) – genauer: „der Mission des Heiligen Geistes innerhalb der Mission des dreieinigen Gottes“ (11).
Die Erklärung – das macht sie gleich zu Beginn (12 ff.) deutlich – sieht die Welt als vom Geist Gottes durchdrungen und zeichnet ihn als zentralen Akteur für das Gedeihen der ganzen Schöpfung (19 ff.). Ohne ihn gibt es keine Mission, aber der Mensch ist zur Partnerschaft mit dem Geist eingeladen (82). „Leben im Heiligen Geist ist das Wesen der Mission, der eigentliche Grund, warum wir tun, was wir tun, und wie wir unser Leben leben“ (3).
Diese pneumatologische und – das gilt es zu betonen: spürbar positive – Weltsicht hat also Auswirkungen auf die Sicht auf Kirche – insbesondere im Sinne von verfasster Kirche, von Kirchenorganisation, die eine doppelte Relativierung erfährt. Zum einen ist der Geist Gottes immer vor den Menschen da, „und unsere Aufgabe ist es nicht, Gott mitzubringen, sondern Gott zu bezeugen, der bereits da ist“ (94). Und zum anderen setzt diese pneumatologische Weltsicht nicht (allein) auf Theologenweisheit und die Überlegenheit etablierter kirchlicher Organisationen, sondern darauf, dass der Geist gerade auch unter den einfachen Menschen, unter denen am Rande wirkt (s. u.); ja, es gilt sogar, die Fokussierung auf das Christentum zu überwinden: „Wir glauben, dass der Geist des Lebens Freude und Leben in Fülle bringt. Aus diesem Grund ist der Geist Gottes in allen Kulturen, die für das Leben eintreten, erfahrbar. Der Heilige Geist wirkt auf geheimnisvolle Weise und wir verstehen sein Wirken in anderen Glaubenstraditionen nicht in vollem Maße. Wir erkennen an, dass verschiedene Formen der Spiritualität, die dem Leben verpflichtet sind, ihren eigenen Wert und ihre eigene Weisheit haben. Daher macht authentische Mission den ‚Anderen‘ zum Partner und nicht zum ‚Objekt‘ der Mission“ (93).
Ganzheitliche Sicht
Es lohnt sich, die Nummer 4 komplett zu zitieren, da hier die Ausrichtung des gesamten Dokuments komprimiert zum Ausdruck kommt:
„Gott sandte den Sohn, um nicht nur die Menschheit zu erlösen oder eine partielle Erlösung zu bringen. Das Evangelium ist vielmehr eine gute Nachricht für jeden Teil der Schöpfung und jeden Aspekt unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Es ist daher entscheidend, Gottes Mission in einem kosmischen Sinne zu verstehen und zu bekräftigen, dass alles Leben, die ganze oikoumene, in Gottes Netzwerk des Lebens miteinander verbunden ist. Angesichts der offensichtlichen Bedrohungen für die Zukunft unseres Planeten müssen wir uns fragen, welche Bedeutung sie für unsere Teilnahme an Gottes Mission haben.“
Dieses umfassende Verständnis von Mission steht also diametral zu Missionierungsbemühungen, die lediglich darauf abzielen, Menschen vor der ewigen Verdammnis zu bewahren (vgl. auch 20), oder die die (eigene) Kirche als Selbstzweck verkennen: „Mission ist nicht ein Projekt zur Ausbreitung von Kirchen, sondern es geht darum, dass die Kirche Gottes Erlösung in dieser Welt verkörpert“ (58). Mission ist im Verständnis des ÖRK grundlegend gegenwarts-, menschen- und weltbezogen. Erde und Mensch sind untrennbar miteinander verbunden – und mit Gott: „Gottes Mission beginnt mit dem Schöpfungsakt. Das Leben der Schöpfung und das göttliche Leben sind miteinander verflochten. Die Mission des Geistes Gottes schließt uns alle in einem unendlich großherzigen Akt der Gnade ein. Wir sind daher aufgerufen, eine enge anthropozentrische Sichtweise zu überwinden und uns auf Formen der Mission einzulassen, die unsere versöhnte Beziehung mit allem geschaffenen Leben zum Ausdruck bringen“ (19).
Der Text blickt also dezidiert auf die Natur, betont die untrennbare Verbindung des Menschen mit ihr (auch im Blick auf die Erlösung; vgl. 23) und weist ihr einen hohen Wert zu, so dass er sogar formulieren kann: „In vielerlei Hinsicht hat die Schöpfung selbst eine Mission im Blick auf die Menschheit; so hat die Natur zum Beispiel eine Kraft, die Herz und Leib des Menschen heilen kann“ (22). (Und insofern verwundert es nicht, dass auch Heilung im missionarischen Kontext als ganzheitliches Geschehen gezeichnet wird; vgl. 50–54.)
Für das Leben
Nur an einer Stelle im Dokument ist von „ewiger Erlösung“ die Rede (92), vom „ewigen Leben“ (zumindest ausdrücklich) dagegen gar nicht. „Leben“ ist aber eine, wenn nicht die zentrale Vokabel des Textes, wie schon der Titel der Erklärung erkennen lässt. Die Förderung des Lebens ist geradezu das zentrale Kriterium für das Wirken des Geistes Gottes: „Wir erkennen den Geist Gottes dort, wo Menschen für das Leben in seiner ganzen Fülle und in all seinen Dimensionen eintreten, einschließlich der Befreiung der Unterdrückten, der Heilung und Versöhnung zerbrochener Gemeinschaften und der Wiederherstellung der Schöpfung“ (24).
Mission bekommt hier einen deutlich innerweltlichen Bezug: „Gottes Plan für die Welt ist es nicht, eine andere Welt zu erschaffen, sondern das, was er bereits in Liebe und Weisheit erschaffen hat, neu zu schaffen“ (36; vgl. 58). Dennoch wird die eschatologische Dimension nicht übersehen: Das Reich Gottes „beinhaltet die Wiederherstellung rechter Beziehungen zwischen Gott und der Menschheit und der ganzen Schöpfung. Obwohl es sich hierbei um eine eschatologische Vision handelt, treibt diese doch unsere gegenwärtige Teilnahme an Gottes Werk der Erlösung in dieser vorletzten Zeit an und prägt sie“ (44).
Da sich die Mission in das Wirken des Geistes einordnet, verwundert es nicht, dass Leben auch das zentrale Kriterium für die Mission ist: „Wir bekräftigen, dass der Zweck der Mission Gottes ein Leben in Fülle ist (Johannes 10,10) und dass dies das Kriterium für die ‚Unterscheidung der Geister‘ in der Mission ist“ (102; im Original fett). „Die Mission, die mit der Schöpfung beginnt, lädt uns ein, das Leben in all seinen Dimensionen als Gottes Gabe zu feiern“ (104).
Wandel und Vielfalt
„Authentisches christliches Zeugnis findet nicht nur in dem statt, was wir in der Mission tun, sondern auch darin, wie wir unsere Mission leben“ (29). Im ganzen Dokument wird deutlich: Es geht nicht nur um punktuelles Handeln, sondern um eine Grundhaltung: eine „verwandelnde Spiritualität“ (so die Überschrift zu den Nummern 29 bis 35).
Eine solche spirituelle Grundhaltung widerspricht einem Verständnis von Mission, das diese auf einige wenige Profis beschränkt; vielmehr sind alle Christinnen und Christen zur Mission aufgerufen (8): „Durch Christus im Heiligen Geist wohnt Gott der Kirche inne und befähigt und belebt ihre Glieder. Mission wird so für Christen und Christinnen zu einer dringenden inneren Notwendigkeit (1. Korinther 9,16), ja zu einem Test und Kriterium für ein authentisches Leben in Christus, das verwurzelt ist in der umfassenden Forderung der Liebe Christi, andere zur Teilhabe an der Fülle des Lebens einzuladen, die zu bringen Jesus gekommen ist. Die Teilnahme an der Mission Gottes sollte deshalb für alle Christinnen und Christen und alle Kirchen und nicht nur für bestimmte Personen oder spezialisierte Gruppen etwas ganz Natürliches sein“ (67).
Mission als Aufgabe aller wird sicherlich auch deshalb so betont, weil das eben doch (noch) nicht selbstverständlich ist. Und weil wir in unserem Tun manchmal eigene Ziele verfolgen, die dem Wirken des Geistes entgegenstehen (22). Die Erklärung spricht deshalb verschiedentlich auch von Umkehr und Buße. „Der Geist ruft uns […] zur persönlichen Umkehr und Verwandlung auf, die uns zur Verkündigung eines Lebens in Fülle für alle führt“ (88).
Noch mehr aber als die persönliche Wandlung hebt das Dokument die Verwandlung der Welt hervor: „Missionarische Spiritualität ist immer verwandelnd. Sie leistet Widerstand gegen alle Leben zerstörenden Werte und Systeme, wo immer sie in unserer Wirtschaft, unserer Politik und selbst in unseren Kirchen am Werk sind, und versucht, diese zu verwandeln“ (30).
Die Erklärung sieht Wandel und Vielfalt heute als prägende Merkmale unserer Welt (2). Und sie begrüßt Wandel und Vielfalt, wenn es etwa heißt: „Eine Pluralität von Kulturen ist eine Gabe des Geistes zur Vertiefung unseres Glaubens- und gegenseitigen Verständnisses“ (100). Pluralität wird als Herausforderung, aber auch als Chance zur Zusammenarbeit gesehen – nicht nur zwischen Christen (9, 63), sondern auch darüber hinaus zwischen verschiedenen Religionen, Kulturen und allen Menschen (45, 90, 110).
Diese pluralitätsoffene Sicht drückt sich auch in der Betonung der Wichtigkeit von Inklusion aus: „Die Kirche ist aufgerufen, eine inklusive Gemeinschaft zu sein, die alle willkommen heißt“ (59; vgl. 46 und 51). Inklusion bedeutet: Die Kirche „darf keine unterdrückerischen Kräfte in ihrer Mitte dulden, sondern muss vielmehr als Gemeinschaft fungieren, die eine Gegenkultur praktiziert“ (49).
Aber nicht nur das! „Die Kirche als Gemeinschaft der Jünger Christi muss eine inklusive Gemeinschaft werden; ihr Daseinszweck ist es, der Welt Heilung und Versöhnung zu bringen“, formuliert Nummer 10. Inklusivität bedeutet also einen Auftrag der Kirche für alle Menschen. Und insbesondere „eine Mission aus der Perspektive der Peripherie“ lädt „die Kirche ein, eine neue Vorstellung von Mission als Berufung durch den Geist Gottes zu entwickeln, der sich für eine Welt einsetzt, in der alle Menschen Zugang zur Fülle des Lebens haben“ (37).
Mission von den Rändern her
Im Blick auf diese Peripherie hat die Erklärung ein waches Bewusstsein dafür, auf welche Weisen Wandel und Vielfalt eingeschränkt und unterdrückt werden. Ein wesentlicher Problempunkt sind Machtstrukturen: „Das Kreuz ruft angesichts von Machtmissbrauch und der falschen Form von Machtausübung in Mission und Kirche zur Buße auf. […] Der Geist ermächtigt die Machtlosen und fordert die Mächtigen dazu heraus, sich ihrer Privilegien zugunsten der Entmachteten zu entäußern“ (33).
Es ist also keine „paternalistische Fürsorge“ (36; vgl. 41) gefragt, vielmehr „überrascht der Geist uns immer wieder damit, wie Gott von Orten aus wirkt, die an den Rändern der Gesellschaft zu liegen scheinen, und durch Menschen, die in unseren Augen ausgeschlossen sind“ (35). Denn: „Menschen am Rande haben eigene Handlungsoptionen und sehen oft, was außerhalb des Blickfeldes von Menschen im Zentrum liegt“ (38; vgl. 107).
Die Erklärung entwirft „Mission von den Rändern her“ als „eine alternative missionarische Bewegung“ (38) und wendet sich gegen „die Vorstellung […], dass Mission nur von den Mächtigen zu den Machtlosen hin verlaufen kann“ (ebd.). Im Gegenteil gilt, „dass die heutigen Missionsbewegungen aus dem globalen Süden und Osten hervorgehen“ (106; im Original fett), wohin sich der Schwerpunkt des Christentums verlagert hat. Allerdings werden diese Ränder im Dokument nicht geografisch definiert (höchstens indirekt durch den Gegensatz zum alten „westlichen“ Zentrum; vgl. 41), sondern sozial: „Die Menschen am Rande der Gesellschaft sind die Hauptpartner in Gottes Mission“ (107).
Herausforderungen und Handlungsfelder
Als „lebensfeindliche Kräfte“, die es zu verwandeln gilt, sind nicht nur isolierte Probleme zu verstehen, sondern auch „Kulturen und Systeme, die massive Armut, Diskriminierung und Dehumanisierung erzeugen und perpetuieren und die Mensch und Erde ausbeuten und zerstören“ (37). Es geht also um einen grundlegenden, nachhaltigen Wandel, der die Probleme an der Wurzel fasst und systemisch denkt. Dafür ist Sachkenntnis erforderlich: „Mission von den Rändern her macht es notwendig, dass die Kirche die Komplexität der Dynamik von Machtverhältnissen, von globalen Systemen und Strukturen und lokalen Kontexten versteht“ (ebd.).
Ein weiterer Schritt ist, „dass wir die bösen Geister, die ausbeuten und versklaven, erkennen, benennen und entmythologisieren. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir patriarchalische Ideologien hinterfragen, das Recht auf Selbstbestimmung für indigene Völker verteidigen und die gesellschaftliche Legitimierung von Rassismus und Kastenwesen hinterfragen“ (43).
Der Aufruf zum Einsatz für die Welt kann sich einer durchaus kämpferischen Metaphorik bedienen: „Daher erfordert diese Liebe ein Bekenntnis zum Kampf und zum Widerstand gegen die Mächte, die die von Gott für alle gewollte Fülle des Lebens behindern, und die Bereitschaft, mit allen Menschen zusammenzuarbeiten, die sich in Bewegungen und Initiativen für die Sache der Gerechtigkeit, der Würde und des Lebens engagieren“ (45; vgl. 26).
Dagegen hält sich die Erklärung mit Konkretisierungen der Gebiete, auf denen sich (global und lokal) etwas ändern müsste, zurück. Anders etwa als in Evangelii gaudium oder Laudato si’, wo Papst Franziskus zerstörerische Strukturen analysiert oder gar den Stand der aktuellen Forschung referiert, beschränkt sich die ÖRK‑Missionserklärung weitgehend auf die Benennung solcher Herausforderungen. Auch werden keine detaillierten Lösungsvorschläge entwickelt – es bleibt bei Visionen, Zielvorstellungen, Appellen und allenfalls der (auch selbstkritischen) Nennung von Ansatzpunkten für Handeln und Veränderung. Allerdings verweist die Erklärung auch auf etliche – meistens ÖRK‑eigene – Dokumente, die auf einzelne Sachfragen detaillierter eingehen.
Einige der großen Herausforderungen für die heutige Welt, die in der Erklärung angesprochen werden, seien genannt:
- Die Bewahrung und Förderung des Lebens in seiner ganzen Fülle ist durchgängiges Thema.
- Zur Bewahrung der Schöpfung wird z. B. „konkretisierend“ gesagt: „Übermäßige Gier und grenzenloser Konsum, die zur fortschreitenden Zerstörung der Natur führen, müssen ein Ende haben. Gottes Liebe verkündet die Erlösung der Menschheit nicht getrennt von der Erneuerung der ganzen Schöpfung. Wir sind aufgerufen, an Gottes Mission teilzunehmen und dabei unsere anthropozentrisch verengten Sichtweisen zu überwinden“ (105).
- Der Klimawandel wird dagegen nur kurz angesprochen (23, 77).
- Die Armen und Marginalisierten hat die Erklärung dagegen durchgängig im Blick – und betont nicht nur den Einsatz für diese; vielmehr fordert sie, die Menschen am Rand nicht als Objekte der Nächstenliebe und Mission zu sehen, sondern sie vielmehr als eigenständige Subjekte und als mit einem besonderen Blick für die globalen Problemlagen begabt anzuerkennen (s. o.).
- Intensiver geht die Erklärung auch auf das Thema Migration ein, nicht nur wegen des Phänomens der Migrationskirchen (5), sondern weil sie grundsätzlich Migration heute als weltweites Phänomen sieht, das gerade auch die christlichen Ortsgemeinden und ihre Gastfreundschaft herausfordert (70 f.).
- Migration ist auch ein Aspekt der kulturellen Vielfalt, die akzeptiert und gestaltet sein will. „Statt als Problem kann Migration auch als Chance gesehen werden, die den Kirchen neue Möglichkeiten bietet, sich selbst neu zu entdecken. Sie inspiriert zur Einrichtung interkultureller und multikultureller Gemeinden auf lokaler Ebene“ (75). Ein eigener Abschnitt ist dem Thema „Evangelisation und Kulturen“ gewidmet (97–100). Die Erklärung hat einen positiven Blick auf die kulturelle Vielfalt und verurteilt vehement hegemoniale Bestrebungen, wie sie im Gefolge des Kolonialismus etwa auch die Mission prägten. Vielmehr sind verschiedene Kulturen Partner bei der Förderung des Lebens: „Der Geist inspiriert menschliche Kulturen und weckt Kreativität; daher ist es Teil unserer Mission, in jeder Kultur und in jedem Kontext Leben spendende Weisheit anzuerkennen, zu respektieren und in unsere Arbeit einzubeziehen“ (27). Allerdings sieht die Erklärung auch kulturelle Systeme (etwa rassistische; vgl. 43, 90), die nicht lebensdienlich sind und deshalb vom Evangelium her kritisch zu hinterfragen sind (37, 41, 74, 110).
- Wie bereits gesagt, sieht die Erklärung Wandel und Vielfalt als prägend für die heutige Welt an (2, 9) – und steht beidem positiv gegenüber.
- Zum für die Erklärung bedeutsamen Thema „Wirtschaftssystem“ s. u.!
- Eher vage bleibt und tendenziell pauschalisierend wirkt die Rede von einer von „Individualismus, Säkularismus und Materialismus“ geprägten Welt (8, 91).
- Menschenrechte (77), Minderheitenrechte (71, 96) und Religionsfreiheit (90, 96) sind Punkte, die nur kurz benannt werden.
- Die Sehnsucht nach Heilung ist riesig in unserer Welt. Die Erklärung widmet dem Thema einen eigenen Abschnitt (50–54) und betont zwei Aspekte: zum einen eine ganzheitliche Sicht auf Gesundheit, die auch die Ursachen des Leidens und problematische Heilungsangebote kritisierend in den Blick nimmt, zum anderen die Herausforderung speziell für Christen mit ihren medizinischen und geistlichen Handlungsressourcen.
Eine „globale Herausforderung“ speziell für die Kirchen und ihr Missionsverständnis ist die große missionarische Richtungsänderung durch die Verlagerung des Schwerpunktes der Christenheit in den globalen Süden und Osten (5 f.). Die ÖRK‑Missionserklärung trägt dieser Entwicklung, die bei vielen Christen erst noch im Denken ankommen muss, u. a. durch die Betonung der „Mission von den Rändern her“ Rechnung (s. o.).
Die Ideologie des Marktes
„Diese Wirtschaft tötet“ (Evangelii gaudium 53): Mit diesem Satz – verbunden mit einer grundlegenden Kritik an einer Wirtschaft, die die Armen und Schwachen ausschließt – hat Papst Franziskus aufgerüttelt.
Auch die Wirtschaftskritik in der ÖRK‑Missionserklärung fällt auf durch ihre Schärfe und Grundsätzlichkeit: „Die wirtschaftliche Globalisierung hat den Gott des Lebens durch Mammon ersetzt, den Gott des freien Marktkapitalismus, der die Macht für sich beansprucht, die Welt durch die Anhäufung unmäßigen Reichtums und Wohlstands zu retten. Mission in diesem Kontext muss eine Gegenkultur vorleben und Alternativen zu solch götzendienerischen Visionen anbieten, denn die Mission gehört dem Gott des Lebens, der Gerechtigkeit und des Friedens und nicht diesem falschen Gott, der Mensch und Natur Leid und Elend bringt“ (108; vgl. 31).
Die Wirtschaftskritik ist wohl deswegen so radikal, weil es hier nach Ansicht der Autoren um alles geht, um die Zukunft der Welt: „Wir leben in einer Welt, in der der Glaube an den Mammon die Glaubwürdigkeit des Evangeliums bedroht. Die Ideologie des Marktes verkündet die Botschaft, dass der globale Markt die Welt durch unbegrenztes Wachstum retten wird. Dieser Mythos stellt nicht nur für das wirtschaftliche, sondern auch für das spirituelle Leben der Menschen, nicht nur für die Menschheit, sondern auch für die ganze Schöpfung eine Bedrohung dar. Wie können wir die gute Nachricht und die Werte des Reiches Gottes auf dem globalen Markt verkünden, wie können wir den Geist des Marktes besiegen?“ (7; vgl. auch 30).
Diesen „Geist des Marktes“ sieht die Erklärung sogar als etwas, das das missionarische Handeln verderben kann: „Der hochgradig konkurrenzorientierte Kontext der freien Marktwirtschaft hat einige Kirchen und kirchenunabhängige Missionsbewegungen leider dahingehend beeinflusst, dass sie auch in der Mission gegenüber anderen als ‚Gewinner‘ dastehen wollen“ (62).
Evangelisation
Mission wird, wie wir gesehen haben, in der Erklärung grundlegend als Einsatz für das Leben – und zwar das in dieser Welt – verstanden. Es wird nicht zusätzlich eine explizite Verkündigung des Evangeliums verlangt, um diesen Dienst am Allgemeinwohl und für die ganze Schöpfung zu christlicher Mission zu machen.
Gleichwohl wird diese christliche Verkündigung keineswegs negiert: Der letzte Hauptabschnitt (80–100) ist ihr gewidmet. Das mag beim Lesen der Erklärung von vorne nach hinten auf den ersten Blick wie ein Bruch erscheinen, wurde der Zeugnisaspekt doch bis dahin auffallend in den Hintergrund gerückt. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich, wie Mission und Evangelisation aufeinander bezogen werden.
„Evangelisation“ ist nämlich der Begriff, unter dem die Erklärung die explizite Verkündigung des Glaubens verhandelt: „Evangelisation schließt die verschiedenen Dimensionen der Mission zwar nicht aus, doch ich r [sic!] Schwerpunkt liegt auf der ausdrücklichen und absichtsvollen Bezeugung des Evangeliums, und dazu gehört ‚die Einladung zur persönlichen Umkehr zu einem neuen Leben in Christus und zur Nachfolge‘“ (81).
Diese Umkehr verbindet Evangelisation allerdings gleich wieder mit dem Einsatz für die Nöte dieser Welt: „Sie ruft Umkehr hervor, die eine Änderung von inneren Einstellungen, Prioritäten und Zielen einschließt. Die Verlorenen werden gerettet, die Kranken geheilt, die Unterdrückten und die ganze Schöpfung erfahren Befreiung“ (84; vgl. 91). Evangelisation hat also stets auch eine praktische Seite: „Evangelisation bedeutet, die gute Nachricht in Wort und Tat mit anderen zu teilen. Evangelisation durch Verkündigung oder Predigt des Evangeliums (kerygma) ist zutiefst biblisch. Wenn jedoch unsere Worte nicht mit unseren Taten übereinstimmen, ist unsere Evangelisation nicht authentisch“ (86). Oder anders ausgedrückt: Verkündigung und Solidarität sind zwei Seiten derselben Medaille, die immer zusammengehören (89). Und wenn man noch eine „dritte Seite“ benennen möchte, die die Erklärung ebenfalls hervorhebt: Dialog (93–96).
Auseinandersetzung mit anderen Missionsverständnissen
Die Erklärung ist durchgängig eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten von Mission – und auch mit verschiedenen Verständnissen von Mission, sei es implizit durch die Propagierung ihrer eigenen Sicht oder auch explizit. Bemerkenswert ist, dass sich eine solche Vielzahl an Kirchen auf die doch recht eindeutige Linie der ÖRK‑Erklärung geeinigt hat.
Das Dokument hat jedoch auch Anregungen aus verschiedenen christlichen Traditionen aufgenommen, wie allein ein Blick auf die in den Endnoten angeführten Publikationen deutlich macht. Zudem zeigt es sich offen dafür, dass unterschiedliche Kirchen unterschiedliche Schwerpunkte setzen: „In unterschiedlichen Kirchen gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Gestalt die Evangelisation, zu der der Geist uns in unseren jeweiligen Kontexten beruft, annehmen soll. Für die einen dient die Evangelisation dem vorrangigen Ziel, Menschen zur persönlichen Bekehrung durch Jesus Christus zu führen; für andere geht es bei der Evangelisation um Solidarität und christliches Zeugnis, die in der Begleitung unterdrückter Völker zum Ausdruck kommen; wiederum andere sehen die Evangelisation als eine Komponente der Mission Gottes“ (85).
Dabei ist zu beachten: „Da der Kontext missionarischer Arbeit Einfluss auf ihren Anwendungsbereich und Charakter hat, muss der gesellschaftliche Standort aller in der Missionsarbeit Tätigen berücksichtigt werden. Missionstheologische Reflexion muss sich der unterschiedlichen Werteorientierungen, die das missionarische Engagement prägen, bewusst sein“ (40). Und die ÖRK‑Erklärung scheut sich nicht, solche Werteorientierungen und Missionsstile zu kritisieren, die sie als mit der Mission des Geistes unvereinbar erachtet!
Das geschieht durchaus auch selbstkritisch: „Die Realität ist jedoch, dass Mission, Geld und politische Macht in strategischer Allianz verbunden sind. Obwohl wir in unserem theologischen und missiologischen Diskurs viel über das solidarische Engagement für die Armen als Mission der Kirche sagen, geht es in der Praxis manchmal sehr viel mehr darum, in den Zentren der Macht präsent zu sein, mit den Reichen zu essen und Geld einzuwerben, um die kirchliche Administration aufrechtzuerhalten“ (48).
Kritisiert werden insbesondere historische und aktuelle Formen von Mission, die die Eigenständigkeit und das Potential der Armen unterdrücken und das alte Zentrum-Peripherie-Denken perpetuieren: „Die Verbindung von Evangelisation und Kolonialherrschaft in der Missionsgeschichte hat zu der Annahme geführt, westliche Formen des Christentums seien die Norm, anhand derer die Glaubenstreue anderer Christen und Christinnen beurteilt werden müsste. Evangelisation durch diejenigen in einer Position wirtschaftlicher Macht oder kultureller Hegemonie droht das Evangelium zu verzerren. Daher müssen sie die Partnerschaft mit Armen, Entrechteten und Minderheiten suchen und deren theologische Ressourcen und Visionen auf sich wirken lassen“ (98; vgl. 27, 37 f., 93).
Weiterhin wird der Proselytismus mehrfach verurteilt (62, 82, 110) – wobei Proselytismus laut einem früheren ÖRK‑Dokument verstanden wird „als die Aufforderung an Christen, die einer Kirche angehören, ihre konfessionelle Zugehörigkeit zu wechseln, wobei Mittel und Wege angewendet werden, die ‚dem Geist der christlichen Liebe widersprechen, die Freiheit des menschlichen Individuums verletzen und das Vertrauen in das christliche Zeugnis der Kirche schmälern‘“ (Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Zeugnis 1997).
Und schließlich integriert die Missionserklärung Punkte, die bereits 2011 in den auf breiter christlicher Basis entstandenen „Empfehlungen für einen Verhaltenskodex“ für Mission (Das christliche Zeugnis in einer multireligiösen Welt 2011; vgl. Hochholzer 2011) genannt wurden: keine Mission durch materielle Anreize, Gewalt, Machtmissbrauch, Verleumdung und Druck (88–90)! Denn: „Christliches Zeugnis findet genau so sehr durch die Art unserer Präsenz wie durch unsere Botschaft statt“ (89).
Was in der Erklärung übergangen wird
Bevor wir zu einem abschließenden Fazit kommen, lohnt sich noch ein kurzer Blick auf Aspekte, die in der Erklärung des ÖRK nur am Rande erscheinen oder gar nicht behandelt werden.
Auffällig ist z. B., dass die Genderthematik fast völlig ausfällt (darauf macht Vellguth 2016, 18 Anm. 74 aufmerksam), das Stichwort Geschlechtergerechtigkeit nur einmal im Rahmen einer Aufzählung fällt (77) und ansonsten nur noch an zwei Stellen gefordert wird, patriarchales Denken zu hinterfragen (43, 90).
Auch der Schutz des Lebens am Anfang und Ende (also Abtreibungen, Euthanasie …) ist kein (explizites) Thema.
Wenngleich das Stichwort „Friede“ in der Erklärung immer wieder fällt, finden die zahlreichen Kriege, Bürgerkriege und Scharmützel auf dieser Erde keine Erwähnung.
Auch die digitale Vernetzung unserer Welt ist mitsamt den damit verbundenen Chancen, Problemen und Herausforderungen kein Thema für die Erklärung (Ausnahme: 72).
Ebenso wird das Verhältnis zu und das missionarische Wirken gegenüber bestimmten Religionen (etwa das in Deutschland teilweise heiß diskutierte Thema Judenmission) nicht thematisiert. Es wird aber – freilich recht pauschal – von Dialog und lebensdienlicher Zusammenarbeit mit verschiedenen Religionen gesprochen (9, 90, 93–96).
Auf den vielleicht gravierendsten Punkt macht aber Klaus Vellguth aufmerksam, der die ÖRK‑Missionserklärung mit der Kapstadt-Verpflichtung der Lausanner Bewegung und Evangelii gaudium vergleicht. „Vielleicht die deutlichsten Divergenzen lassen sich mit Blick auf die Wahrnehmung der Welt feststellen, die den drei Missionsdokumenten innewohnt. Während die Kapstadt-Erklärung eher von einer negativen Weltsicht geprägt ist und von einer ‚Welt voller Lügen und Ablehnung der Wahrheit‘ spricht, wird die Welt, in der die Menschen leben, in anderen Missionsdokumenten deutlich positiver konnotiert“ (Vellguth 2016, 29). Die evangelikal geprägte Kapstadt-Verpflichtung betont die Verdorbenheit der Welt und die Verlorenheit des Menschen, spricht von Sünde, Gericht und ewiger Strafe und von der Notwendigkeit, sich zu Jesus Christus zu bekehren (vgl. ebd., 29–31).
Und in der Tat ist in der ÖRK-Missionserklärung von Sünde nur zweimal die Rede (52, 84), von Verlorenen (84) und ewiger Erlösung (92) jeweils nur einmal, aber gar nicht vom Jüngsten Tag, von Gericht, Verdammnis, Hölle oder von einer unabdingbaren Entscheidung für und gegen den christlichen Glauben. Diese Beobachtungen bestätigen, was weiter oben bereits zur optimistischen Weltsicht des Dokuments gesagt wurde. Die (durchaus häufige) Rede vom Reich Gottes in der ÖRK‑Missionserklärung ist – obwohl die eschatologische Dimension nicht ausgeblendet wird (z. B. 17, 59, 112) – grundlegend präsentisch grundiert und praktisch fokussiert auf die großen Herausforderungen in unserer Welt.
Fazit: Globale Herausforderungen und Mission
Zuerst einmal ist zu würdigen: Die heutigen großen Herausforderungen für die Welt sind zentral für die Erklärung des ÖRK. Allerdings werden sie nicht sehr detailliert gezeichnet oder gar analysiert, sondern teilweise nur stichwortartig benannt. Durchgängig zeichnet die Erklärung aber die große Bedrohung heute für das Leben in seiner ganzen Vielfalt als wesentliche Herausforderung für die Mission der Christinnen und Christen, da jede Bedrohung, Beeinträchtigung und Zerstörung des Lebens der Mission Gottes und seines Geistes zuwiderläuft.
Wichtiger als die Frage, von welchen globalen Herausforderungen man sein Missionsverständnis prägen lässt, ist aber die Frage, von welcher Sicht auf diese Herausforderungen man sein Missionsverständnis prägen lässt (bzw. ob man diese „weltlichen“ Herausforderungen überhaupt wahrnimmt).
Die ÖRK‑Erklärung jedenfalls nimmt diese Herausforderungen nicht in nüchterner, distanzierter Analyse wahr, sondern mit Blick auf Menschen: „In den Schreien der Armen hören wir auch den Aufschrei der Erde, und wir wissen, dass die Erde von allem Anfang an über die Ungerechtigkeit der Menschen zu Gott geschrien hat (1. Mose 4,10)“ (19). Dabei klingt auch Emotionalität durch, wird die Sprache teilweise scharf (etwa – wie wir gesehen haben – in den Ausführungen zur Wirtschaft), wird der Ruf zur Umkehr laut. Und umgekehrt setzt man sich möglicherweise auch selbst Kritik und Anfeindungen aus, riskiert Konflikte und braucht Standhaftigkeit im Zeugnis (92), denn: „Obwohl das Evangelium letztlich eine gute Nachricht für alle darstellt, impliziert es gleichzeitig schlechte Nachricht für diejenigen Kräfte, die Unwahrheit, Ungerechtigkeit und Unterdrückung fördern“ (91).
Wesentlich für dieses intensive, geradezu existentielle Wahrnehmen und Ringen ist wohl die Veränderung der Perspektive, mit der die Erklärung für einen Neuansatz für Mission plädiert: Mission von den Rändern her. Damit erfahren Missionsstrategien, die die alten Missionszentren im „Westen“ hochhalten, eine Absage. Vielmehr sind es die Armen, Marginalisierten – insbesondere in den südlichen Ländern –, deren Subjekthaftigkeit und Perspektive in den Mittelpunkt gerückt werden. Es sind die Menschen, die sich nicht mit ihrem Geld von den schlimmsten Folgen von Klimawandel und ungezügeltem Kapitalismus freikaufen können. Hier geht es um Leben und Tod. Hier ist Jesu Verheißung vollen Lebens keine Sonderoption, sondern gewinnt in der Not des Alltags Gestalt – oder nicht.
Christlicher Glaube, der sich dieser existentiellen Dimension bewusst ist, sieht im Einsatz für das Leben – das irdische Leben! – seine große geistliche Herausforderung (4). Mission ist Sache aller; deshalb fängt Mission auch stets vor Ort an, sind die Ortsgemeinden die Bewährungsorte christlichen Glaubens in seinen jeweiligen Kontexten – das aber auch in globaler Solidarität (72–78). Verkündigung gibt es nicht getrennt vom persönlich gelebten, tatkräftigen Einsatz für andere.
Weiterhin gilt: Die Probleme und Herausforderungen sind ganzheitlich und systemisch zu betrachten und in Zusammenarbeit mit Menschen, die ebenfalls für das Leben eintreten – ungeachtet ihrer religiösen und kulturellen Herkunft – anzugehen. Vielfalt, Inklusion und Wandel sind wertzuschätzen.
Entscheidend für das Verständnis der ÖRK‑Missionserklärung und ihres geradezu „weltlichen“ Charakters (wie er v. a. im Vergleich mit evangelikaler Theologie auffällt) ist wohl die positive Weltsicht, die das Dokument prägt. Es ist ein „be‑geisterter“ Blick auf die Welt, der zwar auch böse Geister (43, 102), v. a. aber das gute, vorausgehende, unergründliche Wirken des Geistes Gottes wahrnimmt. Die Welt ist nicht die bedrohliche Gegenmacht Gottes, sondern die Schöpfung (durch eben diesen Geist Gottes), die trotz aller Unvollkommenheit von der Liebe Gottes zeugt und uns Menschen als Teil dieser Schöpfung einlädt, getragen von dieser Liebe am Reich Gottes zu bauen und sich aller Schöpfung anzunehmen.