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Faszination und Herausforderung

Weltanschauungsbeauftragte tagten zu Buddhismus in Deutschland

Ist von den in Deutschland präsenten Religionen der Islam die große ge­sellschaftliche, der Buddhismus dagegen die große geistliche Herausfor­de­rung für das Christentum? Dass der Buddhismus offensichtlich einen Nerv religiös Suchender zu treffen vermag, zeigen die Zahlen: Etwa 250.000 Menschen bekennen sich hierzulande zum Buddhismus – und nur die Hälfte davon sind „Migrationsbuddhisten“. So stellt der „westli­che Buddhismus“ eine v. a. bildungsbürgerlich geprägte und bunte Sze­ne von Konvertiten, aber auch von Grenzgängern zwischen Christentum und Buddhismus dar, die an die verschiedensten bud­dhis­ti­schen Rich­tun­gen anknüpfen.

Bei der Tagung der katholischen Weltanschauungsbeauftragten zu „Bud­­­d­hismus in Deutschland“ (Passau, 22. bis 24. September 2014) konzentrierte sich Werner Höbsch in seinem Vortrag auf die Besonder­heiten des „westlichen Buddhismus“ – eines Buddhismus also, der sich nicht in einer traditionellen buddhistischen Kultur, sondern in einem christlich geprägten Land unter den Bedingungen der europäischen Mo­dernisierung und Säkularisierung entfaltet. Typisch ist ein Nebeneinan­der von traditionellen und neuen Mustern: Mönche spielen als religiöse Autoritäten weiterhin eine Rolle, doch ist der westliche Buddhismus we­sentlich als Laienbuddhismus zu beschreiben; patriarchalische Struk­turen sehen sich einem weiblich geprägten Buddhismus gegen­über; das Nebeneinander der höchst unterschiedlichen buddhistischen Schulen wird in der Diaspora teilweise durch eine „buddhistische Öku­mene“ überwunden.

Und schließlich führt die Attraktivität des Buddhismus – oder zumin­dest einzelner seiner Elemente – auch zu neuen Herausforderungen: Ein „säkularer Buddhismus“ will Buddhismus als Religion überflüssig machen: Buddhismus also nur als Lebensphilosophie? Oder gar nur als Bausteinlieferant für den Lebenshilfemarkt? Der esoterisch-buddhis­tischen Grenzgänge sind jedenfalls viele.

In welcher Ausprägung auch immer: Buddhismus fordert – so Höbsch, seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog engagiert – das Christentum heraus, gerade durch das Fehlen einer theistischen Gottesvorstellung. Sind ein Befreiungsweg und eine Spiritualität ohne Gott die große Al­ter­native zum personalen Gottesbild? Buddhistisch-christliche Grenzgän­ge wie buddhistische Jesusdeutungen lassen danach fragen, wie christ­licher Glaube heute zu denken ist.

Ein weiterer Aspekt: Für viele ist der Buddhismus attraktiv, weil er ihnen (im Gegensatz zum Christentum) als undogmatisch erscheint. Offenbar kann der Buddhismus vieles offen lassen und ist dort die Aufforderung präsenter, nicht einfach eine Lehre zu akzeptieren, sondern der eigenen Erfahrung zu trauen.

Doch ist hier Vorsicht geboten: Unser westliches Buddhabild geht, so Wolfgang Siepen, auf das 19. Jahrhundert zurück und wurde als Gegen­stück zum Christentum stilisiert; es neige deshalb zu Einseitigkeiten. Siepen, ein langjährig im christlich-buddhistischen Dialog engagierter Theologe und Psychotherapeut, verwies etwa darauf, dass auch das Christentum apersonale Sichtweisen Gottes kenne. Auf der anderen Seite habe Buddha Facetten, die häufig übersehen werden – etwa sein karitatives Handeln. Siepen arbeitete in seinem Referat insbesondere die Ähnlichkeiten der buddhistischen Lehre zu modernen psychothera­peutischen Einsichten heraus.

Wie vielfältig die Sichtweisen auf den Buddhismus sind und welch un­ter­schiedliche Aspekte daran faszinieren und für Einzelne wichtig sein können, wurde auch im Gespräch mit Susanne Matsudo-Kiliani deut­lich. Als Beauftragte der Deutschen Buddhistischen Union (DBU) für den interreligiösen Dialog stellte sie u. a. eine Befragung unter Mitgliedern dazu vor. Die DBU als Dachverband für Buddhisten und buddhistische Gemeinschaften repräsentiert ein umfassendes Spek­trum des westli­chen Buddhismus in Deutschland. Interessant ist, wie die DBU hier in Deutschland ganz verschiedene Richtungen zusammenführt. So wurde auch ein gemeinsames buddhistisches Bekenntnis formuliert – was in den buddhistisch geprägten Ländern Asiens eher nicht vorstellbar wäre. Ebenfalls wichtig ist eine kompakte Orientierungshilfe der DBU zum Thema „Heilsame und unheilsame Strukturen in Gruppen“; denn auch die DBU muss sich immer wieder mit Vorwürfen gegen bestimmte bud­dhistische Gruppierungen auseinandersetzen, die Mitglied der DBU wer­den wollen oder bereits sind (wie im Fall des Diamantweg-Buddhis­mus des umstrittenen Lamas Ole Nydahl).

So notwendig aber auch die Auseinandersetzung mit problematischen „Gurus“ und problematischen Lehren und Gruppenstrukturen ist, fun­damentaler ist die Frage nach den Gottesvorstellungen und Gottesbil­dern, konkret: nach der Berechtigung und Überzeugungskraft des christ­lichen Theismus angesichts heutiger religiöser Trends und insbe­sondere angesichts der Faszination des Buddhismus. Diese Frage wird der Kreis der katholischen Weltanschauungsbeauftragten auf seiner nächsten Fachtagung weiter verfolgen, diese Frage stellt sich aber auch Theologie und Kirche generell. Ein Ausbau des gegenüber dem christ­lich-jüdischen und christlich-muslimischen bisher vernachlässigten christlich-buddhistischen Dialogs ist daher ein Desiderat.