Heilskräfte und Heilungsangebote – eine pastorale Herausforderung
Tagung der Weltanschauungsreferenten der deutschen Bistümer in Münster 2013
Gesundheit und Heilung: ein Megathema und ein Milliardenmarkt in unserer Gesellschaft. Unter dem Titel „Heilskräfte und Heilungsangebote. Versuch einer Standortbestimmung“ befassten sich die katholischen Weltanschauungsbeauftragten bei ihrer Tagung vom 23. bis 25. September 2013 in Münster weniger mit den Auswüchsen dieses Marktes etwa im Esoterikbereich. Vielmehr ging es ihnen um das Spannungsverhältnis zwischen verschiedenen Heilungs- und Heilsverständnissen – von der Schulmedizin über alternativmedizinische Ansätze bis hin zu christlich-theologischen Ansätzen. Eine riesige Thematik, die in der Kürze der Zeit nur angerissen werden konnte.
Generell gibt es im Gesundheitsbereich heute eine große Dynamik und Vielfalt – gerade durch eine Krise der Schulmedizin, die wesentlich durch eine Krise des damit verbundenen Gesundheitswesens bedingt ist: Es ist insbesondere die Zeit, die den Ärzten fehlt, um sich ganz ihren Patienten zuwenden zu können, wie Dr. med. Ute Kreus-Farwerk in ihrem Vortrag betonte. Der Vertrauensverlust in schulmedizinische Verfahren belebt die Nachfrage nach alternativen Medizinsystemen wie der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) bis hin zu magischen/esoterischen Angeboten, die einen ganzheitlichen Ansatz versprechen.
Das Resilienzkonzept und das Salutogenesemodell stellte der Sozialwissenschaftler Prof. Franz-Christian Schubert vor. Es lassen sich Resilienzfaktoren identifizieren, die Belastungen abpuffern können und damit einen Menschen vor Erkrankung schützen. Auch das Salutogenesemodell fragt – mehr im Sinne von Prävention – nach Ressourcen, mit denen Erkrankung vermieden und Gesundheit hergestellt werden kann; wesentlich ist dabei das „Kohärenzgefühl“, das Bewusstsein von Handlungsfähigkeit, das eigene Leben aktiv bewältigen zu können.
Gesundheit und Heilung werden heute also von verschiedenen Seiten – auch von Schulmedizinern – weiter und umfassend, „ganzheitlich“ gedacht und mit verschiedenen Aspekten des Lebens verbunden. Auch Religion und Glaube können Gesundheitsressourcen bereitstellen. Damit stellt sich aber die Frage nach dem Verhältnis von Heilung und Heil.
Dieses Themenfeld wird allerdings in der systematischen Theologie kaum behandelt, beklagte die Dogmatikerin Prof. Regina Radlbeck-Ossmann in ihrem Referat. Medizin und Theologie haben sich im Laufe der Geschichte auseinandergelebt. Zu fragen ist, wie der Auftrag Jesu an seine Jünger zu Heilung und Heil heute umgesetzt werden kann – in verantworteter, von Qualitätskriterien geleiteter Weise. Theologie und Kirche erkennen die Kompetenz und Eigenständigkeit von Medizin auf ihrem Gebiet an, dürfen aber darüber ihren seelsorglichen Auftrag und ihre eigenen, spezifischen Kompetenzen im Feld von Heilung und Heil nicht übersehen. Das sich derzeit das Gespräch zwischen Medizin, Psychologie, Theologie und Seelsorge neu belebt, ist eine Chance, die nicht ungenutzt bleiben sollte.