Was glaubt Bayern?
Nein, einen Komplettüberblick über die religiösen und weltanschaulichen Gruppen und Bewegungen in Bayern kann dieses Buch natürlich nicht bieten. Die 47 Einträge decken auch nur mit ein wenig Tricksen alle Buchstaben des Alphabets ab: So vertritt etwa die „(Evangelisch-)lutherische Kirche“ das L. Und schließlich: Bei meist vier bis fünf Seiten kann man eine Religionsgemeinschaft nicht erschöpfend behandeln. Aber einen kurzen, lebendigen Einblick in die heutige religiös-weltanschauliche Vielfalt in Bayern geben.
Das leistet dieses Buch. Es ist entstanden aus einer Reihe von Beiträgen für das Magazin „Theo.Logik“ des Radiosenders Bayern 2. „Dabei wollten wir vor allem eines“, schreibt der Herausgeber, „sachlich darstellen, berichten, ins Gespräch kommen, einordnen. Eines aber wollten wir nicht: werten.“
Dass es aus Radiobeiträgen entstanden ist, merkt man dem Buch an. In positiver Weise: Wir hören viele O-Töne, bekommen ein wenig den Alltag der Gläubigen mit, wie sie in lokalen Gemeinden und Gruppen ihren Glauben leben. Das sind Einblicke, wie sie auch Weltanschauungsbeauftragte immer wieder suchen, weil Religion eben mehr ist als theoretische Glaubenslehren und nüchterne religionswissenschaftliche Fakten. Doch auch darüber erfährt man etwas – freilich aufgrund der gebotenen Kürze nur begrenzt. Die Ausschnitthaftigkeit der Informationen wird gerade in den drei knappen Rubriken „Zusammengefasst“, „Zahlen und Fakten“ sowie „Glauben und Ziele“ am Ende jedes Beitrags deutlich.
Mit Wertungen hält sich das Buch – wie angekündigt – zurück. Es blendet aber erfreulicherweise auch keineswegs Problematiken und kritische Stimmen aus, etliche Beiträge zitieren auch Weltanschauungsbeauftragte. So bleibt trotz aller Offenheit und Nähe eine professionelle Distanz gewahrt.
Prinzipiell zeigen die Beiträge aber keine Scheu – etwa vor Scientology, der ebenso ein Beitrag gewidmet ist, wie beispielsweise den Siebenten-Tags-Adventisten, druidischen Gruppen, den Piusbrüdern, den Baptisten, der Bhagwan/Osho-Bewegung, den Freimaurern, dem Bund für Geistesfreiheit, verschiedenen islamischen und jüdischen Richtungen, dem Universellen Leben, der Yoga-Bewegung und den Zeugen Jehovas. In aller Lückenhaftigkeit wird das religiös-weltanschauliche Panorama einigermaßen umfassend gespiegelt. Völlig zu Recht haben die beiden großen Spieler auf dem religiösen Markt – die katholische Kirche und die evangelische-lutherische Landeskirche – ebenfalls einen Beitrag bekommen.
Dass dabei die konkreten Beispiele und Stimmen aus einzelnen Gemeinden/Gruppen nicht repräsentativ für große Gemeinschaften und ganze religiöse Strömungen (wie etwa die Baptisten) sein können, ist klar. Das Buch ist auch kein Lexikon, kein Nachschlagewerk. Es vermag aber (auch Nichtbayern!) sensibel zu machen für die religiös-weltanschauliche Pluralität, die zu den großen Herausforderungen unserer heutigen Gesellschaft zählt.
Martin Hochholzer