Kann man Gott beleidigen?
Mittlerweile ist die Thematik nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit – aber das kann sich jederzeit ändern: Die Aufregung über Blasphemie kocht immer wieder hoch, nicht nur in muslimischen Kreisen (Stichwort: Mohammed-Karikaturen), sondern auch in christlichen. Aufregung gibt es aber regelmäßig nicht nur über das als blasphemisch Empfundene, sondern auch über diejenigen, die sich über Blasphemie aufregen und (manchmal sogar gewaltsam) dagegen protestieren. Was ist Blasphemie (und was nicht) – und wie soll man damit umgehen?
Es gibt also Anlass zu diesem Buch. Zu den Autoren der zwölf Beiträge gehören neben dem Herausgeber u. a. Arnold Angenendt, Jean-Pierre Wils, Gregor-Maria Hoff, Hans-Joachim Höhn, Reinhold Zwick und Josef Isensee. Die Thematik wird also v. a. aus theologischer und aus rechtswissenschaftlicher Perspektive diskutiert und durchdacht. Dabei ist freilich nur das Thema kontrovers – nennenswerte Kontroversen zwischen den Autoren kann der Rezensent nicht ausmachen. Dadurch und auch durch Wiederholungen der gleichen Beispiele und Thesen lassen sich gewisse Redundanzen im Buch nicht verkennen. Man hätte dem Leser also auch auf weniger Seiten die verschiedenen Aspekte der Blasphemieproblematik erläutern können.
Dennoch: ein anregendes Buch, das wichtige Klärungen bietet – etwa zum historischen und rechtstheoretischen Hintergrund des in Deutschland nach wie vor bestehenden Blasphemieparagrafen. In den theologisch geprägten Beiträgen wird u. a. herausgestellt, dass man Gott selbst nicht beleidigen kann. Vielmehr trifft eine Blasphemie ein bestimmtes Gottesbild – doch die Absolutsetzung des eigenen Gottesbildes kollidiert mit dem Gottesbildverbot und ist tendenziell selbst blasphemisch. Thomas Laubach formuliert sogar: „Nicht nur der Blasphemiker, auch der Glaubende hat ein Recht auf Blasphemie“ – denn: „Blasphemie kann positiv gewendet als Religionskritik verstanden werden. Sie hilft, die Grenzen zwischen dem, was zu glauben ist, und dem, was eben nicht zum Glauben gehört, klarer zu ziehen“ (16). Blasphemien sind weiterhin ein Indikator für die schwieriger gewordene innergesellschaftliche Selbstverständigung – insbesondere zwischen religiösen und sich dezidiert als säkular betrachtenden Kreisen.
Hervorgehoben seien noch der Beitrag von Arnold Angenendt, der die Geschichte von Gottesfrevel und Blasphemie kompakt darstellt, sowie der von Jean-Pierre Wils, der mit der Unterscheidung von „Präsenzkulturen“ und „Sinnkulturen“ die kulturell bedingt unterschiedlichen Umgangsweisen mit Blasphemie zu erhellen vermag.
Martin Hochholzer