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Bericht der Netzwerktagung „Kirche in der City zwischen Stahl und Elektronik“ des Netzwerks Citykirchenprojekte

Vom 27. bis 29. April 2016 tagte die alle zwei Jahre stattfindende Netzwerktagung der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft „Netzwerk Citykirchenprojekte“ unter dem Titel „Kirche in der City zwischen Stahl und Elektronik“ in Linz. In dem Netzwerk haben sich 95 Einrichtungen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengeschlossen, u. a. um den Kontakt der Mitglieder untereinander zu fördern und beim Aufbau von Projekten zu beraten. 17 Einrichtungen befinden sich in ökumenischer, 30 in evangelischer und 47 in katholischer Trägerschaft; eine Einrichtung wird von der altkatholischen Kirche betrieben. 90 Personen nahmen an der Tagung teil.

Die vom Linzer Citypastoral-Team um Dr. Monika Udeani und dem Sprecherteam des Netzwerks Citykirchenprojekte, bestehend aus Peter Kolb, Heiko Kuschel, Hermann Merkle und Werner Zupp, überaus gut vorbereitete und durchgeführte Tagung stellte sich dem Thema City­pastoral als Antwort auf kirchliche und gesellschaftliche Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, auf die die traditionelle Gemeindepastoral nicht mehr angemessen reagieren kann. Konkret wurde dies anhand der Stadt Linz entfaltet, die geschichtlich von Schwerindustrie und Informations­technologie geprägt ist.

Nach Begrüßung und Mitgliederversammlung begann die Netzwerkta­gung mit einer Stadtführung, einem geistlichen Einstieg aus „Wort und Musik“, dem sich ein politisch-ökumenisches Abendgespräch anschloss, für das der oberösterreichische Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer, der evangelische Superintendent Dr. Gerold Lehner und der Linzer Gene­ralvikar DDr. Severin Lederhilger OPraem gewonnen werden konnten. Alle drei formulierten ihre Perspektive auf das Thema Stadt. Für den Politiker Pühringer stellt sich als Ziel aller Überlegungen die aktive Bür­gergesellschaft dar, für die drei Komponenten von Bedeutung sind: An­gebot und Dienstleistung, Projektorientierung und das Schaffen von Begeisterung für spezielle Themen. Lehner verlangte das Hintergehen kirchlicher Fraglosigkeiten, das erst wirkliche Erneuerung bewirken könne. Lederhilger hob auf die Spiritualität als Grundvoraussetzung aller kirchlichen Pastoral ab.

Der zweite Tag war geprägt durch zahlreiche Erfahrungsräume citypasto­raler Natur und deren theologischer, philosophischer und künstlerisch-technischer Reflexion. Den Anfang machte der Treffpunkt mensch & arbeit bei voestalpine, bei dem Silvia Aichmayr und Gunther Gurtner vom Team der Betriebsseelsorge von ihrer Arbeit als Kirche am Ort industrieller Arbeit berichteten. Anschließend wurde dies von Prof. Dr. Ansgar Kreutzer, Kath.-Theol. Privatuniversität Linz, in einem Vor­trag zum Thema „In entgrenzter Solidarität leben – Konsequenzen für ein Kirche-Sein vor Ort“ reflektiert. Kreutzer hob v. a. auf das wissen­schaftliche Desiderat einer „Theologie der Arbeit“ ab, die noch zu leisten sei. Arbeit erscheine heute besonders als entgrenztes und entgrenzendes Phänomen, das gewohnte Grenzen und Gewissheiten erodieren lasse. Daher sei eine theologische Begrenzung der Arbeit notwendig, die die zum Teil quasi-religiöse Überladung der Arbeit ideologisch kritisiere und für eine entgrenzte Solidarität eintrete.

Im Anschluss bot sich die Möglichkeit, unterschiedlichste Kristallisa­tionsorte von Kirche in der Linzer Innenstadt zu besuchen und kennen­­zulernen:

URBI@ORBI als Ort der Begegnung

Jugendkirche in der Stadtpfarrkirche Urfahr 

Turmeremitenprojekt im Mariendom 

• Fastenprojekte der katholischen Jugend am Domplatz

Beicht- und Ausspracheraum in der Ignatiuskirche 

• Salvatorianerinnen-Stammtisch im COSE COSI

• Raum für Trost in der Ursulinenkirche

• Stadtdiakonie in der Martin-Luther-Pfarre

Seinen Abschluss fand dieser erfahrungsreiche Tag mit einem Vortrag von Gerfried Stocker, dem künstlerischen Leiter der Ars Electronica, Linz. Die Ars Electronica sucht seit 1979 nach Verbindungen und Überschnei­dungen, nach Ursachen und Auswirkungen von Kunst, Technologie und Gesellschaft. Dafür bietet sie ein Festival als Testumgebung, einen Prix als Wettbewerb für die besten Köpfe, ein Center als ganzjährige Präsen­tations- und Interaktionsplattform und ein Futurelab als Forschungs- und Entwicklungszelle. Unter dem Titel „Mensch und Arbeit 4.0“ eröff­ne­te Stocker den Zuhörern, wie die Digitalisierung Arbeit und Leben ver­än­dert. Dabei gehe es nicht um neue Maschinen in den Fabrikhallen, son­dern um die durchgängige Digitalisierung unserer Welt. Dies bedeute beispielsweise für den Arbeitsmarkt auch eine „Arbeitslosigkeit 4.0“, da zahlreiche Berufsgruppen durch die Digitalisierung bedroht sind – neben Kreditanalysten auch Kranführer, Archivare, Chauffeure und Köche. Auf welche Weise kirchliche Pastoral sich an dieser Stelle verorten kann, ist noch völlig ungeklärt – eine nicht überzubewertende Aufgabe, da an Orten wie der Ars Electronica die Zukunft entscheidend konzipiert und geprägt wird.

Am Freitag stellten sich abschließend noch drei Einzelprojekte aus dem Netzwerk Citykirchenprojekte vor, so z. B. der Evangelische Kirchenpa­vil­lon in Bonn und das Kunstprojekt in der Fastenzeit „Concentration“ aus Konstanz. Nähere Informationen zu allen weiteren Einrichtungen finden sich auf der Website des Netzwerks.

Markus-Liborius Hermann von der KAMP in Erfurt, der zugleich als An­sprechpartner für das Netzwerk von Seiten der Deutschen Bischofskon­ferenz fungiert, informierte die Teilnehmer über die aktuellen Entwick­lungen im Bereich einer missionarischen Pastoral. Dabei wurde u. a. das Papier „Gemeinsam Kirche sein. Wort der deutschen Bischöfe zur Erneuerung der Pastoral“ vorgestellt, das auch die citypastoralen Einrich­tungen stärkt. Die „neue“ Pfarrei, die dem Glauben Orthaftigkeit ver­schaf­fen soll, impliziert auch die Strukturen der Citypastoral. Als Gemein­schaft von Gemeinschaften müssen die Pfarreien verschiedene Orte kirchlichen Lebens hervorbringen und entwickeln. Dabei brauchen pfarrliche Strukturen und Einrichtungen der Citypastoral nicht als Konkur­renz zueinander gesehen werden. Auch wies Hermann auf die Ausgabe 1/2016 des Magazins euangel hin, die sich dem Thema „Passagere Pastoral“, Pastoral im Vorübergehen, widmet.

Zudem stellte Veronika Eufinger vom ZAP Bochum den aktuellen Zwischenstand ihres Forschungsprojekts: Typologie und Evaluation der Citykirchenprojekte vor. Ihre Arbeitshypothese lautet: „Citypastoral ist eine kirchliche Ausdrucksform, die der Urbanität in Form spezifischer Strategien Rechnung trägt. Diese Strategien manifestieren sich als Plura­lität typischer Charakteristika in verschiedenen Dimensionen des Reli­giösen.“

Natürlich wurden auch Angelegenheiten des Netzwerks Citykirchenpro­jekte behandelt. So wurde beispielsweise auf das „Bildungsnetzwerk Citykirchenprojekte“ verwiesen, das den Mitgliedern des Netz­werks zur Fortbildung und Qualifizierung dient. Es will zum einen dazu beitragen, Menschen, die sich für eine Mitarbeit in einem Citykirchen­projekt ent­scheiden, zu befähigen, ihrer Arbeit in angemessener Art und Weise nach­zugehen. Zum anderen will es ihnen helfen, neue Fähigkei­ten und Gaben zu entdecken und diese in die konkrete Arbeit einzubrin­gen. Nicht zuletzt will es Mitarbeitende in ihrer täglichen Arbeit moti­vie­ren und den Austausch und die Kommunikation Haupt- und Ehren­amtlicher aus unterschiedlichen Einrichtungen fördern. Dafür wurden vier Module entwickelt: Tagesschulungen und -fortbildungen vor Ort, regionale Wochenend-Fortbildungen/Schulungen, Akademie-Tagungen und ein Austauschprogramm zwischen Citykirchenprojekten. Darüber hinaus wurde ein neues Sprecherteam gewählt, dem neben Peter Kolb, Heiko Kuschel, Hermann Merkle und Werner Zupp nun auch Stefanie Roeder aus Dortmund angehört. Die nächste Netzwerktagung wird 2018 in Bremen stattfinden.

Weiterführender Link:

Bericht der Diözese Linz über die Pressekonferenz zur Netzwerktagung