Pastoral der Suchenden im Erzbistum Berlin. Ein Tagungsbericht
„,Suchendenpastoral‘ heißt das Berliner Projekt im Augenblick noch etwas sperrig – und schreit laut danach, baldmöglichst umbenannt zu werden. Suggeriert doch dieser interne Arbeitstitel schnell fälschlicherweise, dass den Menschen, die wir mit unseren Angeboten erreichen möchten, etwas fehlt … Doch „… zunächst einmal sind wir die Suchenden“, so die Projektreferentin Carla Böhnstedt. Vom 3.-4. Juni 2014 fand mit dem Projekt-Team der Berliner „Suchendenpastoral“ bestehend aus den Herz-Jesu-Priestern P. Ryszard Krupa SCJ, P. Marcio Auth SCJ, P. Demetrius Cavalcanti de Oliveira, Pressesprecherin Sabrina Becker und Carla Böhnstedt, sowie Bettina Birkner vom Berliner Kathedralforum und Claudia Höfig vom IPZ Berlin eine Kurztagung statt, die der konzeptionellen Ausrichtung der missionarischen Gehversuche im Erzbistum Berlin gewidmet war.
Das Projekt „Suchendenpastoral“ wurde im September 2013 in den Stadtteilen Prenzlauer Berg / Friedrichshain begonnen. Projektpartner sind das Erzbistum Berlin und der Orden der Herz-Jesu-Priester (SCJ) sowie das Bonifatiuswerk. Angesiedelt ist das Projekt im Katharinenstift in der Greifswalder Straße in Prenzlauer Berg, wo der Orden auch eine Niederlassung hat. Zu Beginn der Kurztagung wurde nach der Begrüßung und Einführung durch Hubertus Schönemann (KAMP) von Markus-Liborius Hermann (KAMP) im Anschluss an Hans Joas hervorgehoben, dass der Glaube heute als eine „Option“ unter vielen erscheint. Dabei entstehen religiöse Überzeugungen nicht primär durch nüchterne und rein rationale Überlegungen, sondern v.a. durch ein existentielles Hingerissen-sein, ein Überwältigt-werden. In diesem Sinne sollten im Rahmen einer missionarischen Pastoral, „Glaubensbiotope“ (Bischof em. Joachim Wanke) geschaffen werden, in denen das Evangelium zunächst einmal „probiert“ werden könne. Zu diesem Prozess gehört die eigene Umkehr, ein „Gott-größer-denken“ (Wanke), eine neue kulturelle Sprach- und Zeichenkompetenz und ein wirkliches Interesse am Anderen, am Nächsten, das nicht (implizit oder explizit) den eigenen Interessen untergeordnet werden darf. Tobias Kläden (KAMP) führte so in einem zweiten Schritt in die Problematik der milieusensiblen Pastoral ein. Dabei beschrieb er im Anschluss an Philippe Bacq vier pastorale Paradigmen: eine Pastoral der „Weitergabe“, eine Pastoral der „ansprechenden Präsenz“, eine Pastoral des „Vorschlagens“ und eine Pastoral des „Lernens“. Eine milieusensible Pastoral legt in diesem Kontext einen Schwerpunkt auf das (Kennen-)Lernen, das Verstehen des Anderen. (Damit sind zunächst keine Wertungen verbunden, sondern nur Differenzen.) Im Weiteren wurden die Sinus-Milieus näher erläutert, um sie für das Arbeitsfeld der Teilnehmer fruchtbar zu machen. Weihbischof Dr. Reinhard Hauke wurde über Erfurt hinaus durch seine pastoralen Projekte bekannt, die nicht zuletzt für Nichtchristen gedacht sind, wie die Feier der Lebenswende für Jugendliche ohne Konfession, der Segnungsgottesdienst am Valentinstag, das Monatliche Totengedenken, das Weihnachtslob im Erfurter Dom sowie der Kosmas-und-Damian-Gottesdienst für Kranke und ihre Helfer. So bot sich unter dem Titel „Die ,Erfurter Projekte‘ und die Frage nach den Suchenden“ Möglichkeit eines vertieften Kennenlernens und Erörterns der Intentionen und Umsetzungen dieser Innovationen. Von Relevanz erschien dabei u.a., eine Sensiblität dafür zu entwickeln, „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ zu erspüren, und eine Antwort aus dem Glauben anzubieten. Prof. Dr. Eberhard Tiefensee lieferte mit seinem Vortrag „Zur ,Ökumene der dritten Art‘ - Glaubenskommunikation mit Konfessionslosen“ die theologische Matrix für das weitere Vorgehen der Berliner Suchendenpastoral. Er schärfte den Blick auf die religiös Indifferenten, bei denen weder eine religiöse Frage noch eine religiöse Antwort zu konstatieren ist, auf Menschen, die „vergessen haben, dass sie Gott vergessen haben“ (Karl Rahner SJ). Hier merkte Tiefensee an, dass es sich anscheinend auch „ohne Gott gut leben lässt“, dass also beispielsweise kein außergewöhnlicher Verfall der Wertvorstellungen und eine stabile Feierkultur festzustellen sind. Daraus leitet sich eine entscheidende Frage ab: „Warum und wozu sind wir eigentlich Christen?“ Damit verbietet sich die Frage „Was bringt es uns?“ in der Pastoral. Eine „explorative Mission“ müsse im Sinn einer „Ökumene der dritten Art“ somit immer für die andere Seite mitdenken; nicht versuchen, den Anderen auf „seine Seite“ zu ziehen; möglichst viel gemeinsam machen (statt Pastoral „für“ eine Pastoral „mit“ den Anderen) und gerade so das christliche Profil zu schärfen. Es schlossen sich noch Bemerkungen zu konkreten Schritten einer solchen Pastoral an, wie z.B. der Hinweis auf möglichst „neutralen“ Boden und das Verbot jedweder nostalgischen Erinnerung an vermeintlich bessere Zeiten. Andrea Imbsweiler (KAMP) schloss die Tagung mit Überlegungen zu spirituellen Anknüpfungspunkten im Internet ab und benannte Eigenschaften gelungener Beispiele als dynamisch, visuell, alltagsorientiert, praktisch und lokal. Insgesamt kann man auf die weitere Entwicklung der Berliner Suchendenpastoral gespannt sein.
Link:
http://www.bonifatiuswerk.de/hilfen/glaubenshilfe/ personalstellenfoerderung/2014/suchendenpastoral/