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Hereingekommen auf den Markt

„Hereingekommen auf den Markt“: Der Titel des Buches spielt nicht nur auf eine buddhistische Geschichte an, sondern verweist auch auf die grundlegende Situation des Budd­hismus im Westen, der mittlerweile fester Bestandteil des religiösen Marktes ist. Von der (ganz grob gesagt) Viertelmillion Buddhisten in Deutschland ist nur die Hälfte „ethnisch“, stammt also aus buddhistisch geprägten asiatischen Ländern. Ein eben­so großer Teil sind Konvertiten (bzw. mittlerweile auch Nachfahren von konvertierten Westlern). Dies zeigt die Faszination, die der buddhisti­sche Glaube oder auch nur ein­zelne Formen (z. B. Zen) ausüben, und damit verbunden die Notwen­digkeit einer Auseinandersetzung aus christliche Perspektive.

Das ist das Anliegen des Buches von Werner Höbsch. Höbsch, Leiter des Referats „Dialog und Verkündigung“ im Generalvikariat des Erzbistums Köln, ist seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog engagiert. Entspre­chend nähert er sich dem Buddhismus in Deutschland aus der Warte eines katholischen Theologen, der diesen als „die große geistig-geistli­che Herausforderung für das Christentum im Westen“ (17) ernst nimmt und die Grundlagen für einen entsprechenden Dialog reflektiert.

Dazu stellt Höbsch in betont neutraler, deskriptiver Weise zuerst einmal die „Lage“ dar – was gut die Hälfte des Buches einnimmt: den Stand der Forschung zum Buddhismus und die Entwicklung und Entfaltung des Buddhismus im Westen. Ein Kernstück der Arbeit ist eine umfassende Darstellung der buddhistischen Richtungen, Gruppen und Institutionen in Deutschland. Diese hat weithin einen eher „formalen“ Charakter, was sicherlich auch der Fülle der zu behandelnden Organisationen ange­sichts einer begrenzten Seitenzahl geschuldet ist. Umso mehr freut man sich, wenn Höbsch hin und wieder etwas mehr in die Breite geht und Hintergründe erläutert, etwa zum Zen im christlichen Kontext oder zu spezifischen Herausforderungen für buddhistische Gruppen im Westen (z. B. Schüler-Lehrer-Verhältnis, Rolle der Frau, Verhältnis Laien – Ordinierte, innerbuddhistische Ökumene).

Auf dieser Wahrnehmung des deutschen Buddhismus in seiner konkre­ten Realität bauen die theologischen Ausführungen zum Dialog auf. Hier stellt Höbsch nicht nur die katholische Lehre zum Dialog dar, son­dern führt auch knapp in buddhistische Haltungen zum Dialog ein. Wenn der Autor dann die Wege des christlich-buddhistischen Dialogs anhand der Stichworte „Dialog des Lebens“, „Dialog des Handelns“, „Dialog des theologischen Austauschs“ und „Dialog der religiösen Erfah­rung“ entfaltet, wird deutlich, dass er damit in herkömmlichen Katego­rien katholischer Dialogtheologie verbleibt. Höbsch arbeitet aber die Spezifika des Dialogs speziell mit dem Buddhismus heraus und benennt auch die Knackpunkte: Zen im christlichen Kontext, die Einzigartigkeit Jesu Christi, der fundamentale Unterschied in der Gottesvorstellung … Insgesamt zeichnet Höbsch so kein einseitig harmonisierendes, sondern ein differenziertes Bild des Dialogs und stellt gerade den Grenzbereich Buddhismus – Christentum als unverzichtbaren Ort (theologischer …) Selbsterkenntnis dar: Der interreligiöse Dialog ermöglicht einen Blick nicht nur auf den anderen, sondern auch quasi von außen auf sich selbst – und führt so auch zum intrareligiösen Dialog, zur kritischen Ausein­an­dersetzung innerhalb der eigenen Glaubensgemeinschaft, die sich in der heutigen Zeit nur vor dem Hintergrund des religiös-weltanschauli­chen Pluralismus begreifen kann.

Fazit: Höbsch hat ein Grundlagenwerk geschaffen, das allen – insbe­son­dere Christen/Katholiken, aber nicht nur diesen –, die sich in die Auseinandersetzung und den Dialog mit dem Buddhismus in Deutsch­land begeben wollen, einen kompakten Überblick verschafft. Das Er­staun­liche dabei: Das Buch ist eine Dissertation – und liest sich dennoch (im Gegensatz zu vielen Doktorarbeiten) gut und flüssig, gänzlich ohne „Fachchinesisch“. Auch „Experten“ werden das Buch mit Gewinn in die Hand nehmen, werden jedoch an manchen Stellen tiefergehende Dis­kus­sionen vermissen. Dafür ist das Buch zu „grundlegend“ angelegt – doch ist es gerade deshalb auch grundlegend für eine missionarische Pastoral in Deutschland, die nicht mit dem Buddhismus eine geistig-geistliche Herausforderung für die religiöse Landschaft in Deutschland übersehen darf, die weit über die engere Anhängerschaft hinaus aus­strahlt, gerade auch in den kirchlichen Raum hinein.

Martin Hochholzer