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Die weltweite religiöse Landschaft

Eine Studie des Pew Forum on Religion & Public Life zu Größe und Verteilung der wichtigsten religiösen Gemeinschaften in der Welt

Das Pew Forum on Religion & Public Life ist eines von sieben so genann­ten Projekten des Pew-Forschungszentrums (Pew Research Center), ei­nes unabhängigen Meinungsforschungsinstituts mit Sitz in Washington D.C., das Informationen, Einstellungen und Trends ermittelt, die die US-amerikanische Gesellschaft betreffen, aber auch weltweit von Be­deu­tung sind. Aufgabe des Pew Forum on Religion & Public Life ist es, Themen an der Schnittstelle zwischen Religion und Gesellschaft zu bearbeiten. Im Dezember 2012 legte es eine weltweite Untersuchung vor, die von der John Templeton Foundation mitunterstützt wurde und die zahlenmäßige Größe und weltweite Verteilung der größten Religi­ons­gemeinschaften zu erfassen sucht. Zur Schätzung der Zahlen wur­den Daten von über 2.500 Zensus, Surveys und offiziellen Bevölke­rungs­registern gesammelt, evaluiert und standardisiert, in denen sich Men­schen als Mitglieder einer bestimmten Religions­gemeinschaft be­zeichnen.

Die Studie konzentriert sich auf die fünf weithin so bezeichneten Welt­religionen Buddhismus, Christentum, Hinduismus, Islam und Juden­tum; hinzu kommen drei weitere Gruppen: diejenigen, die keiner Reli­gi­onsgemeinschaft angehören (darunter fallen sowohl Menschen, die sich explizit als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen, als auch solche, die sich zu keiner bestimmten Religionsgemeinschaft zugehörig be­zeich­nen), Angehörige so genannter Naturreligionen sowie Mitglieder anderer Religionen, die zwar weltweit z. T. viele Millionen Mitglieder haben können, deren Anhängerschaft sich jedoch auf wenige Länder konzentriert und die in der überwiegenden Mehrheit aller Länder in den Befragungen nicht eigens ausgewiesen sind. Zu den Angehörigen ande­rer Religionen zählen die Bahai (5 Millionen Mitglieder), Sikhs (die weit­aus größte Gruppe mit weltweit 25 Millionen Mitgliedern), Schintoisten (3 Millionen), Taoisten (8 Millionen), Wicca, Zoroastrier und viele weitere.

Vergleicht man diese acht Gruppen in ihrer für das Jahr 2010 geschätz­ten Größe miteinander, so gehören 84 % der Weltbevöl­­kerung einer Religionsgemeinschaft an. Darunter stellen die 2,2 Milliarden Christen die größte Gruppe – fast ein Drittel (32 %) – der damaligen Weltbevöl­kerung von 6,9 Milliarden Menschen dar (heute sind es bereits 7,2 Milli­ar­den). Die zweitgrößte Gruppe sind die Muslime, die mit 1,6 Milliar­den Menschen knapp ein Viertel (23 %) der Weltbevölkerung ausma­chen. Darauf folgt als drittgrößte Gruppe bereits die der religiös nicht Gebundenen (1,1 Milliarden bzw. 16 %), die somit so groß ist wie die gesamte katholische Weltbevölkerung. (Die religiös nicht Gebundenen können allerdings durchaus religiöse Glaubensinhalte teilen oder be­stimmte religiöse Praktiken ausüben. So glauben z. B. in China 7 %, in Frankreich 30 % und in den USA 68 % der religiös nicht gebundenen Erwachsenen an Gott oder eine höhere Macht; 7 % von ihnen in Frank­reich und 27 % in den USA geben an, mindestens einmal im Jahr einen Gottesdienst besucht zu haben, und 44 % haben in China an einer Ver­ehrungszeremonie an einem Grab teilgenommen.) Die viertgrößte Grup­pe sind die Hindus (1 Milliarde, 15 %). Kleinere Anteile haben die Buddhisten (knapp 500 Millionen, 7 %), die Naturreligionen (400 Milli­onen, 6 %), die anderen Religionen (58 Millionen, 0,8 %) und die Juden (14 Millionen, 0,2 %).

Die geografische Verteilung der Religionsgemeinschaften ist sehr unter­schiedlich: Mehrere religiöse Gruppen konzentrieren sich stark auf den asiatisch-pazifischen Raum – dort leben 99 % sowohl der Buddhisten als auch der Hindus, aber auch 90 % der Angehörigen von Naturreligio­nen, 89 % der Angehörigen von anderen Religionen, 76 % der keiner Religion Angehörenden (davon allein 700 Millionen in China) und 62 % der Muslime. Weitere 20 % der Muslime leben im Nahen Osten bzw. in Nordafrika und 16 % im subsahari­schen Afrika. Das Christentum ist von allen Religionen am gleichmäßigsten verteilt: Eine ungefähr gleich gro­ße Anzahl lebt in Europa (26 %), Lateinamerika (24 %) und im subsaha­rischen Afrika (24 %), hinzu kommen je 13 % im asiatisch-pazifischen Raum und in Nordamerika sowie 0,6 % im Nahen Osten/Nordafrika.

Weiterhin fragt die Studie danach, welcher Anteil einer Religion in ei­nem jeweiligen Land als Mehrheit oder als Minderheit lebt. Insgesamt leben fast drei Viertel (73 %) der Weltbevölkerung in einem Land, in dem ihre Religion die Mehrheit darstellt (Untergruppen wie schiitische Muslime, die unter einer sunnitischen Mehrheitsbevölkerung leben, oder Katholiken in einem überwiegend protestantischen Land sind da­bei nicht berücksichtigt). Unter den Hindus leben 97 % in Ländern, in denen sie die Mehrheit darstellen (Indien, Mauritius und Nepal), unter den Christen sind es 87 % in 157 Ländern. Auch Muslime (73 %) und religiös nicht Gebundene (71 %) leben überwiegend in Ländern, in de­nen sie die dominierende Gruppe darstellen: die Muslime in 49 Län­dern, davon 19 der 20 Länder im Nahen Osten/Nordafrika, und die religiös nicht Gebundenen in sechs Ländern, nämlich China mit den bereits erwähnten 700 Millionen, die tschechische Republik, Estland, Hong Kong, Japan und Nordkorea (der Sonderfall Ostdeutschland ist hier nicht berücksichtigt). Überwiegend in einer Minderheitensituation leben die Juden (in Israel, dem einzigen Staat mit jüdischer Mehrheit, leben 41 % aller Juden) und die Buddhisten (zu 72 % als Minderheit). Die anderen Religionen und die Naturreligionen bilden in keinem Land eine (klare) Mehrheit.

Auch hinsichtlich des Alters zeigen sich signifikante Unterschiede zwi­schen den verschiedenen Religionen: Während Muslime (23 Jahre) und Hindus (26 Jahre) einen jüngeren Altersdurchschnitt als die Gesamt­weltbevölkerung (Median: 28 Jahre) haben, liegen alle anderen Gruppen über diesem globalen Median (Christen 30, religiös nicht Gebundene und Buddhisten 34 sowie Juden 36 Jahre). Diese Unterschiede spiegeln die geografische Verteilung der verschiedenen Religionen wider: Solche mit vielen Mitgliedern in demografisch wie ökonomisch schnell wach­senden Ländern tendieren dazu, eine im Durchschnitt jüngere Mitglied­schaft zu haben; Religionen, die sich stärker in entwickelten Industrie­nationen sowie in China konzentrieren, in denen das Bevölkerungs­wachstum weniger stark ist, haben tendenziell ältere Mitglieder.

Nach einer eigenen Prognose des Pew Forum on Religion & Public Life über die globale Entwicklung der muslimischen Bevölkerung wird der Islam die am stärksten wachsende Religion sein. Die muslimische Bevöl­kerung wird voraussichtlich um etwa 35 % in den nächsten 20 Jah­ren steigen, und zwar von 1,6 Milliarden im Jahr 2010 auf 2,2 Milliarden im Jahr 2030. Dabei wird das Bevölkerungswachstum der mus­li­mischen Bevölkerung in den nächsten zwei Jahrzehnten voraus­sichtlich 1,5 % be­tragen und damit etwa doppelt so hoch sein wie bei der nicht-mus­limischen Bevölkerung (0,7 %). Wenn sich die derzeitigen Trends fort­setzen, werden die Muslime im Jahr 2030 26,4 % der welt­weiten Bevöl­kerung von 8,3 Milliarden ausmachen, gegenüber 23,4 % der für 2010 geschätzten Weltbevölkerung von 6,9 Milliarden. Dennoch wird erwar­tet, dass das Wachstum der muslimischen Bevölkerung sich ab­schwächt: Von 1990 bis 2010 stieg die weltweite muslimische Bevöl­kerung mit einer durchschnittlichen Jahresrate von 2,2 % und somit schneller im Vergleich mit der prognostizierten Rate von 1,5 % für den Zeitraum von 2010 bis 2030.

Spezialanalyse Christentum

Zum Abschluss soll noch ein Blick auf die Daten für das Christentum ge­worfen werden. Diese werden in einer eigenen Untersuchung zu Größe und Verteilung der globalen christlichen Bevölkerung des Pew Forum on Religion & Public Life vorgestellt. Die 2,18 Milliarden Christen weltweit teilen sich auf in 50 % Katholiken, 37 % Protestanten, 12 % Orthodoxe und 1 % Übrige wie Mormonen oder Zeugen Jehovas. Bereits in der Ge­samtstudie wurde deutlich, dass das Christentum so weit auf die ver­schie­denen Gebiete weltweit verstreut ist wie keine andere Religion, so dass kein Kontinent und keine Region für sich in Anspruch nehmen kann, das Zentrum der weltweiten Christenheit darzustellen. Auf­schluss­reich ist dabei der zeitliche Vergleich: Die Zahl der Christen in aller Welt hat sich in den letzten 100 Jahren vervierfacht, von etwa 600 Millionen im Jahr 1910 auf mehr als 2 Milliarden im Jahr 2010. Doch die weltweite Gesamtbevölkerung ist ebenso schnell gestiegen, von geschätzten 1,8 Milliarden im Jahr 1910 auf 6,9 Milliarden im Jahr 2010; der prozentuale Anteil der Christen an der Weltbevölkerung ist heute (32 %) fast der gleiche wie vor einem Jahrhundert (35 %).

Hinter dieser scheinbaren Stabilität verbirgt sich jedoch eine bedeut­same Verschiebung: Obwohl immer noch die Mehrheit der Christen weltweit (63 %) in Europa (26 %) und Nord- und Südamerika (37 %) lebt, ist dieser Anteil viel geringer, als er es im Jahr 1910 (Europa 66 %/Amerika 27 %/gesamt 93 %) war. Zudem hat sich der Anteil der Christen in Europa von 95 % im Jahr 1910 auf 76 % im Jahr 2010 und in Amerika von 96 % auf 86 % zurückentwickelt. Gleichzeitig ist das Chris­tentum im subsaharischen Afrika und im asiatisch-pazifischen Raum, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen nur 6 % der welt­weiten Christenheit lebten, enorm gewachsen: Der Anteil der christli­chen Bevölkerung im subsaharischen Afrika stieg von 9 % im Jahr 1910 auf 63 % im Jahr 2010, während er im asiatisch-pazifischen Raum von 3 % auf 7 % anwuchs.

Fast die Hälfte (48 %) aller Christen lebt in den 10 Ländern mit der größ­ten Zahl der Christen. Drei dieser Länder liegen in Nord-bzw. Südamerika (USA 247 Millionen, Brasilien 176 Millionen und Mexiko 108 Millionen), zwei sind in Europa (Russland 105 Millionen und Deutschland 58 Millionen), zwei im asiatisch-pazifischen Raum (Philippinen 87 Millionen und China 67 Millionen) und drei im subsa­harischen Afrika (Nigeria 81 Millionen, DR Kongo 63 Millionen und Äthiopien 53 Millionen), was noch einmal die globale Reichweite des Christentums veranschaulicht. Eindeutig hat sich das Christentum weit von seinem geografischen Ursprung aus verbreitet, was sich auch an folgenden Beobachtungen zeigen lässt:

  • Obwohl das Christentum im Nahen Osten/Nordafrika seinen Anfang nahm, ist dies heute die Region mit sowohl dem geringsten Anteil an Christen (etwa 4 % der Bevölkerung der Region) als auch der absolut kleinsten Zahl an Christen (etwa 13 Millionen) aller hier zugrunde gelegten geografischen Regionen. Indonesien, ein Land mit muslimischer Mehrheit, ist die Heimat von mehr Christen (21 Millionen) als in allen 20 Ländern in der Region Naher Osten/ Nordafrika zusammen.
  • Nigeria hat heute mehr als doppelt so viele Protestanten (in einem weiten Sinne, einschließlich Anglikanern und Freikirchen: knapp 60 Millionen) wie Deutschland, dem Geburtsort der Reformation (29 Millionen).
  • Brasilien hat mehr als dreimal so viele Katholiken (176 Millionen) wie Italien (50 Millionen).
  • Obwohl Christen nur knapp ein Drittel der Menschen auf der Welt umfassen, bilden sie in 157 Ländern die Mehrheit der Bevölkerung, etwa in zwei Dritteln aller Länder der Welt. Knapp 90 % der Christen leben in Ländern, in denen Christen in der Mehrheit sind; nur etwa 10 % der Christen weltweit leben in einer Minderheitenposition.

Das Christentum ist heute also, anders als vor einem Jahrhundert, tat­sächlich eine globale Religionsgemeinschaft – eine Tatsache, die zumin­dest im europäischen Kontext meist noch viel zu wenig in ihrer Bedeu­tung wahrgenommen und gewürdigt wird.

 

Die Studie „The Global Religious Landscape. A Report on the Size and Distribution of the World’s Major Religious Groups as of 2010“ (Dezember 2012) des Pew Forum on Religion & Public Life ist unter http://www.pewforum.org/files/2014/01/global-religion-full.pdf abrufbar. Die Daten dieser und weiterer Studien zum weltweiten religiösen Wandel lassen sich auch auf der interaktiven Website http://www.globalreligiousfutures.org/ darstellen.