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Freiwilliges Engagement und kirchlicher Kulturwandel

Zehn Jahre Vernetzungstreffen Ehrenamt

Sich selbst mit fremdem Blick zu beobachten, lohnt sich – und kann auch beunruhigen: Wie sehr bin ich selbst Teil eines unguten Systems? Trage ich gar zu einer Doppelmoral in der gegenwärtigen Kirchenkultur bei, wenn ich mit meiner Arbeit in der Kirche trotz aller anderslauten­den Rhetorik herkömmliche Machtstrukturen stütze?

Gelegenheit zu solcher Selbstreflexion, aber auch zum Austausch – und auch zum Feiern – bot das Vernetzungstreffen Ehrenamt. Dazu kamen am 28./29. Januar 2020 rund 20 kirchlich Tätige aus ganz Deutschland zusammen, die in verschiedener Weise mit Ehrenamt in der Kirche be­fasst sind – und damit auch mit (möglichem) Wandel in der Kirchen­kultur.

Die Zusammenhänge zwischen der vorherrschenden Kultur in einer Organisation wie der Kirche und Macht brachte Dr. Elisabeth Zschache den Teilnehmenden nahe. Machtstrukturen sind nicht nur mit Kon­trolle, sondern auch mit Diskursmacht verbunden: Welche Fragen werden überhaupt behandelt – oder auch nicht; was an Neuem können wir uns vorstellen – was nicht? Solche Machtkulturen werden verinner­licht und von den Abhängigen – z. B. kirchlichen Mitarbeitenden – reproduziert. Ein echter Kulturwandel sieht sich also großen Wider­ständen gegenüber. (Selbst unter Ehrenamtlichen können sich proble­matische Machtkulturen entwickeln, wenn etwa die „alten Hasen“ ihre Aufgabenbereiche nicht für Neueinsteiger öffnen.)

Und doch war bei dem Treffen auch zu spüren, wie sich vieles regt und aufbricht. Charismenorientierung und neues Ehrenamt sind vielerorts aktuelle Themen. Außerdem entdecken immer mehr Bistümer Ehren­amtsförderung und -entwicklung als strategische Querschnittsaufgabe – die auch mit einer entsprechenden Hauptamtlichenentwicklung einhergehen muss.

Gewissermaßen Selbstreflexion war auch die kleine abendliche Feier zum zehnjährigen Bestehen des Vernetzungstreffens. Nicht nur, weil die Erfurter Seelsorgeamtsleiterin Dr. Anne Rademacher in einer kurzen Rede auf die Geschichte des von ihr mitinitiierten Treffens zurück­blickte. Viel Begeisterung fand auch das Improvisationstheater, in dem die zwei Schauspielerinnen einen Fremdblick auf den ersten Veranstal­tungstag boten. Und schließlich bedeuten zehn Jahre Vernetzungstref­fen auch, dass immer wieder Teilnehmende von diesem Format über­zeugt waren: Denn am Ende jeden Treffens wird entschieden, ob es mit dieser selbstorganisierten Veranstaltung weitergeht oder eben nicht.

Übrigens: Der nächste Termin ist bereits für den 26./27. Januar 2021 ausgemacht und steht für Interessierte offen.