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Mit kirchenfernen Milieus über Social Media in Kontakt kommen – „Heiraten wie es uns gefällt“ als Lernprojekt

Entstehung des Projekts

Dass es auch im Internet nicht unbedingt einfach ist, über den Kreis kirchlicher „Insider“ und bereits Interessierter hinaus Menschen anzu­sprechen, gehört zu den Grunderfahrungen der Pastoral im Internet in den letzten Jahren. Spirituelle Angebote in den Social Media beispiels­weise erreichen im Wesentlichen Menschen, die sich ohnehin mit dem christlichen Glauben auseinandersetzen und dem kirchlichen Leben (noch) nicht allzu fremd sind. Wie in anderen Kontexten ist es zudem oft ein Problem, die Ästhetik der „kirchentypischen“ Milieus zu über­winden und Angebote für andere Milieus einladend und attraktiv zu gestalten.

Eine Arbeitsgruppe „Spiritualität und Social Media“ in der von der Pub­lizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzten Expertengruppe Social Media hat sich seit 2013/14 mit der Frage be­schäftigt, wie es denn gehen könnte, mit nicht kirchlich orientierten Menschen aus kirchlich wenig repräsentierten Milieus in den sozialen Netzwerken über Spiritualität ins Gespräch zu kommen.

Für einen exemplarischen Versuch wurden als Zielmilieus das Sinus-Milieu der Expeditiven und die Teilgruppe „Experimentelle“ des hedo­nistischen Milieus gewählt und wurde nach Themen und Lebenssitua­tionen gesucht, die für diese Zielgruppe spirituelle Anknüpfungspunkte bieten könnten. Unter den Ideen – zu denen beispielsweise auch ver­schiedene Vorschläge zum Themenfeld rund um Reisen, Pilgern und besondere Orte gehörten – schien der<link typo3>­ Arbeitsgruppe vor allem die Zeit der Hochzeitsvorbereitung geeignet, spirituelle Fragen in den Blick zu nehmen.

So entstand das Projekt „Heiraten wie es uns gefällt“ als exemplarischer Versuch für ein milieuspezifisches spirituelles Angebot in den Social Media, für das die Publizistische Kommission den Auftrag erteilte und die Finanzierung sicherstellte. Die mediale Umsetzung, insbesondere die Erstellung der Website und die Produktion der Videos, übernahm der St. Michaelsbund in München. Für den Kontakt zur Zielgruppe über Social Media konnte Nicola Neubauer, eine professionelle Hochzeits­bloggerin mit profundem Wissen rund um das Thema Hochzeitsvor­bereitung in den ausgewählten Milieus, gewonnen werden, die dazu ein umfassendes Konzept erarbeitete. Die Arbeitsgruppe (der ich angehörte) begleitete das Projekt als Steuerungsgruppe, die Projektleitung lag bei der MDG.

Die Projektzeit

Das Projekt begleitete einige ausgewählte Paare aus den Zielmilieus, die 2016 oder 2017 heiraten wollten, in der Zeit ihrer Hochzeitsvorbereitun­gen mit einer Reihe von Interviews, die in Youtube-Videos verdichtet wurden. Wichtig war bei der Auswahl der Paare eine große Bandbreite im Bezug zu Glauben und Kirche, vom explizit nicht gläubigen bis zum praktizierend katholischen Paar; entsprechend wählten die Brautpaare auch verschiedene Formen der Trauung: nur standesamtlich, in einer freien Zeremonie oder in einer kirchlichen Trauungsfeier.

Die Interviews drehten sich um verschiedene Aspekte der Lebensgestal­tung, der Beziehungen und der geplanten Hochzeitsfeier, die auf ihren spirituellen Hintergrund hinterfragt wurden. Das Thema Spiri­tualität wurde weit gefasst und möglichst wenig binnenkirchlich formuliert, um es auch für wenig und nicht religiöse Personen nachvollziehbarer zu machen: Lebensgefühl und Lebenseinstellung, ein „Grundton“ des Le­bens, Glück, Sehnsucht, Liebe, Beziehung, Vertrauen waren zum Bei­spiel Elemente, die neben der expliziten Frage nach Glaube und Spiri­tua­lität angesprochen wurden. Dazu kamen Themen aus der prakti­schen Hochzeitsvorbereitung, vor allem der Gestaltung der Zeremonie und der Feier, die eine Brücke zu anderen medialen Angeboten rund um die Hochzeit schlugen.

Vorgestellt und beworben wurden die Video-Interviews über Facebook und Instagram sowie über die zusammenfassende Website, die wieder­um durch Google-Anzeigen bei relevanten Suchbegriffen zu finden war.

Während die Zahlen der Follower, Likes und Videoabrufe sich im erwar­teten Rahmen entwickelte, also durchaus Menschen erreicht wurden, war es mit dem Ziel, über das „Erreichen“ hinaus auch ins Gespräch zu kommen, schwieriger. Kommentiert wurde wenig, und der Versuch, eine Facebook-Gruppe von Interessierten zu bilden, brachte nicht den erhofften Erfolg. Überraschend war, dass Rückmeldungen und Gesprä­che eher auf Instagram zustande kamen, wo es gut gelang, sich mit der Szene der auf Instagram aktiven Bräute zu vernetzen; Instagram erwies sich somit als das themenspezifisch passende Medium.

Was haben wir gelernt?

Das Projekt hat für uns bestätigt, dass es grundsätzlich durchaus mög­lich ist, nicht kirchlich orientierte Menschen aus kirchlich wenig reprä­sentierten Milieus in den sozialen Netzwerken mit spirituellen Themen zu erreichen und letzten Endes mit ihnen auch ins Gespräch zu kom­men. Es ist gelungen, bei einer guten Anzahl von Menschen Interesse für die Themen zu finden, um die es uns ging.

Bestätigt hat sich aber auch unsere Annahme, dass es dazu eines Zu­sammenspiels hoher Kompetenz in den verschiedenen Bereichen Pasto­ral/​Spiritualität, Contenterstellung/​Social Media, Milieukenntnis und Sachkenntnis zum gewählten Thema und damit eines relativ hohen Auf­wands bedarf. Zielgruppenkenntnis und ‑kontakt sind unverzicht­bar. Wenn diese Kompetenzen nicht alle „innerkirchlich“ vorhanden sind, ist es gut möglich, mit externen „Brückenpersonen“ zu arbeiten, die z. B. wie hier mit ihrer Milieu- und Themenkenntnis die Verbindung zur Zielgruppe herstellen. Das bedarf dann allerdings einer ständigen Abstimmung der Akteure untereinander. In manchen Punkten hätte die Zusammenarbeit in unserem Testprojekt ruhig noch enger sein können, als es uns unter den gegebenen Umständen möglich war.

Inhaltlich hat sich gezeigt, dass es in der Zielgruppe, auch bei wenig oder nicht kirchlich gebundenen Paaren, eine intensive Beschäftigung mit spirituellen Fragen gibt – auch wenn sie sich in einer anderen Äs­the­tik und Sprache als der kirchlichen artikuliert und oft zurückhaltend formuliert wird, etwa in Form von Aussagen darüber, „was mir/​uns wichtig ist“. Die Paare, die sich als gläubig verstehen, können dagegen auch explizit und sehr persönlich über die Bedeutung sprechen, die ihr Glaube und ihre Glaubenspraxis für sie haben.

Für die Arbeitsgruppe endete das Projekt wie geplant nach der letzten Hochzeit der vorgestellten Paare mit einer Dokumentationsphase. Um die gewonnene Reichweite weiter zu nutzen, konnte die AKF – Arbeits­gemeinschaft für katholische Familienbildung e.V. als Träger für eine Fortsetzung in Kooperation mit dem St. Michaelsbund und Frau Neubauer gewonnen werden.

Der Abschlussbericht steht zum Download zur Verfügung

. Alle Social-Media-Kanäle des Projekts sind über die Website heiratenwieesunsgefaellt.de zu finden.