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Glaubensinformation/-kommunikation online – aber wie?

Ein Diskussionsbeitrag

Hintergrund dieses Beitrags ist die kontroverse Diskussion um einen Ent­wurf für eine zentrale Internet-Glaubensplattform, der in Zusammenarbeit der KAMP mit einigen Mitgliedern der Konferenz der Internetseelsorge-Be­auftragten entstanden war und in die Konferenz der Seelsorgeamtsleitungen eingebracht wurde. In der Diskussion wurden viele grundsätzliche Fragen zur Glaubensinformation und ‑kommunikation im Netz thematisiert. Der Beitrag nimmt die wichtigsten Argumentationslinien auf und bezieht dazu Stellung – als Diskussionsbeitrag für den weiteren Dialog über die Glaubens­verkündigung im Netz.

Die Problematik einer dialogischen Glaubenskommunikation im Netz

Das Internet ist für einen wachsenden Anteil der Bevölkerung sowohl die erste und vorrangig ge­nutzte Informationsquelle als auch mit seinen unter­schied­lichen Kommunikationsdiensten und -kanälen eines der wichtigsten Kommu­nikations­mittel. Nicht nur, aber auch durch das Internet haben sich die Erwar­tungen an öffentliche Kommuni­ka­tion verändert; Institutionen aller Art sind grundsätzlich gefordert, in Dialog und Diskurs einzu­treten und sich Anfragen der Öffentlichkeit, aber auch Einzelner zu stellen, statt einseitig sich und ihre Anliegen darzustellen.

Dabei ist die dialogische Form ja keineswegs eine von außen an die kirchliche Glaubens­verkündi­gung heran­getragene Forderung, sondern entspricht ihrem eigenen Anspruch an eine zeitgemäße Ver­mitt­lung des Glaubens (vgl. Katechese in veränderter Zeit, Abschnitt 4: Katechese als ganz­heit­licher Voll­zug), zu deren Kriterien partizipatorische, persön­liche und prozesshafte Aspekte gehören, die nur im Dialog zu verwirk­lichen sind.

Während die kirchliche Öffentlichkeitsarbeit und aus dem Bereich der Internetpastoral vor allem der Bereich der spirituellen Angebote sich stark um eine offene, dialogische Kommunikation im Netz bemü­hen, scheint es im Bereich der Glaubensvermittlung und ‑bezeugung im Internet oft noch schwierig zu sein, den Schritt von der einseitig gedachten informierenden Kommunikation zur dialogischen und dis­kur­siven zu gehen.

Es gibt durchaus eine große Anzahl von verschiedenen Angeboten, in denen Glaubensinhalte oder auch persönliche Glaubenshaltungen dargelegt werden, oft medial modern und professionell gestal­tet. Einige gehen dabei durchaus auch auf mögliche oder häufig gehörte Anfragen und Einwände ein. Häufig laden sie jedoch nicht zum offenen dialogi­schen bzw. diskursiven Gespräch über diese Glaubensthemen ein und schaffen keinen Raum dafür.

Diversität des Bedarfs – wer sucht, was wird gesucht?

Die (möglichen) Nutzer/​innen von Online-Angeboten zur Glaubens­information und ‑kommunikation dürften sowohl von ihrer Glaubens­situation als auch in ihrem Informations- und Kommunikations­bedarf sehr unterschiedlich sein. Es ist mit religiös oder spirituell Suchenden ohne oder fast ohne Vor­kenntnisse zu rechnen und ebenso mit Gläubi­gen, die bereits über einen mehr oder weniger großen Schatz an Glau­benswissen und ‑erfahrung verfügen. Es kann um die Klärung von Ein­zelfragen gehen, die situativ aktuell werden, um eine erste Annäherung, um eine (erneute) grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Glau­ben, um den Wunsch nach Vertiefung, um die Auseinandersetzung mit Zweifeln.

In vielen Fällen, insbesondere bei Einzelfragen, ist dabei tatsächlich zu­nächst nur Information gefragt und wird kein Gesprächs- oder Aus­tauschangebot erwartet. Auf dieser Ebene lassen sich sicher die meisten Fragen mit Hilfe der bestehenden kirchlichen Angebote gut klären. Je größer die Vorkennt­nisse, desto leichter findet man dort die gewünschte Information.

Werden allerdings Fragen nicht nur der Suchmaschine, sondern auch an andere Menschen gestellt (das geschieht z. B. auf allgemeinen Fragepor­talen, in religiösen und nichtreligiösen Foren, per Nach­richt an Social-Media-Teams und Stellen der Öffentlichkeitsarbeit von Bistümern und anderen kirch­lichen Institu­tionen), zeigen sich oft auch „Fragen hinter den Fragen“, die die Chance zur Glaubens­kommu­ni­kation über die Be­antwortung der konkreten Wissens- oder Verfahrensfrage hinaus bieten könnten. In den meisten Fällen stehen dafür aber keine geeigneten Gesprächspartner/innen bereit bzw. ist der Rahmen für eine Weiter­führung nicht gegeben.

Sicher noch mehr als bei Einzelfragen wäre bei einer grundsätzlichen – ersten oder erneuten – Aus­ein­andersetzung mit dem Glauben ein auch zum Gespräch einladendes Online-Angebot wünschenswert, da Men­schen in dieser Situation wahrscheinlich eher ein Bedürfnis haben, ihre Gedanken und tieferen Fragen ins Gespräch zu bringen.

Meines Erachtens fehlen einladende, gut zugängliche (d. h. leicht find­bare und auch bewerbbare) Orte bzw. Angebote im Netz, wo wir als katholische Kirche diese Gesprächsmöglichkeiten anbieten. Eine zeug­nishafte, informierende Darstellung des Glaubens als Teil solcher Ange­bote kann sowohl Informationsbedarf decken als auch als Einstieg und Gesprächsanregung dienen. Es ist dabei absehbar, dass sich nicht alle Bedürfnisse mit einem einzigen Angebot dieser Art abdecken lassen, sondern es mehrere verschieden ausgerichtete Angebote neben­ein­ander geben sollte. Dazu wären Absprachen auf überdiözesaner Ebene hilfreich.

Ansatzpunkte für ein verstärktes Angebot von Glaubenskommunikation im Internet

Wenn das Internet verstärkt als wichtiger Ort der Glaubenskommunika­tion genutzt werden soll, ergeben sich verschiedene Ansatzpunkte, die sich m. E. überschneiden und ergänzen:

  • gezielt informierend-dialogische Angebote für verschiedene Ziel­gruppen im Netz schaffen, diese bekanntmachen und dauerhaft gut bespielen
  • Ausbau der institutionellen/​hauptamtlichen Präsenz an vorhande­nen relevanten Orten im Netz wie etwa Foren, Frageportalen u. a., wo Lebens- und Glaubensfragen gestellt und besprochen werden
  • verstärkte Zusammenarbeit mit institutionellen Angeboten z. B. der Öffentlichkeitsarbeit (katholisch.de u. a.), wo oft ohnehin schon Fra­gen auflaufen
  • Unterstützung von interessierten Gläubigen, die an den verschieden­sten Orten im Internet ohnehin präsent und aktiv sind, z. B. durch Stärkung der Sprach- und Diskursfähigkeit
  • Zusammenarbeit mit Glaubensinformationsstellen vor Ort, um hinführende und ergänzende Online-Angebote zu entwickeln

Diese verschiedenen Ansätze könnten in Absprache von verschiedenen Bistümern und Institutionen verfolgt werden, um so eine gesteuerte Diversität zu erreichen. So ließe sich vermeiden, dass mehrere ähnliche Angebote konkurrieren, während andere Bedarfe unberücksichtigt blei­ben. Vorrangig territoriales Denken muss dabei überwunden werden – das Internet kennt keine Bistumsgrenzen.

Spannungsbereiche, Bedenken, Schwierigkeiten, Grenzen

Glaubensinformation und Glaubenskommunikation

Glaubensinformation im Sinne eines bloßen Darlegens von Glaubens­wissen erscheint aus den oben genannten Gründen überholt und steht im Verdacht, dem anderen einen festgelegten Glauben bzw. die Lehre der Kirche quasi überstülpen zu wollen. Glaubensinformation im Sinne eines zeugnis- statt lehr­haften „Anbietens des Glaubens“ ist jedoch ein sinnvoller Ausgangspunkt, über verschiedene Sichten und Vorstellun­gen, ihre Konvergenzen und ihre Unterschiede ins Gespräch zu kommen.

Mitarbeiter/innen von Glaubensinformationsstellen und Anbieter/in­nen von Glaubenskursen vor Ort machen die Erfahrung, dass die Ver­mittlung von Glaubensinhalten und das Gespräch über die persön­lichen Sichten und Erfahrungen zwischen Suchenden und Glaubenden ein­ander ergänzen. Die Teil­neh­mer/innen möchten durchaus erfahren, was die Kirche zu einem bestimmten Thema glaubt und lehrt – ohne dann notwendigerweise alles ohne Weiteres so zu übernehmen. Für den offenen Dialog ist es auch notwendig, dass die kirchliche Seite offenlegt, für welche Inhalte sie steht. Glaubens­kommunikation macht Glaubens­information nicht überflüssig, beide ergänzen sich und gehören zusam­men. Daher erscheint es sinnvoll, auch im Internet weder Glaubensin­formation ohne Kommunika­tions­angebot anzubieten noch auf inhaltli­che Darstellungen zugunsten von dialogischen Formen zu verzichten.

„Klare Linie“ vs. Weite des Glaubens (bzw. Einheitlichkeit vs. Diversität)

Die Frage nach den Inhalten zeigt m. E. einen weiteren Spannungsbe­reich auf: Wie viel „Weite“ ist in der Glaubensinformation und ‑kom­munikation möglich? Müssen die Inhalte normgenau dem Katechismus ent­sprechen, oder wie viel Spielraum bleibt für verschiedene Interpre­tationen, andere theologische Denk­ansätze, auch für Zweifel und Widerspruch? Oder anders: Geht es um die theologisch-ideale Darstel­lung der Lehre der Kirche oder um Bezeugung des realen Glaubens der Gläubigen, zumindest in einer gewissen Spann­breite? Wie groß ist der Spielraum für die Verantwortlichen, verschiedene Zeugnisse und Dar­stel­lungen anzubieten, die lehramtlichen Formulierungen nicht voll entsprechen, um die Breite und Weite von Glaubens­auffassungen zu zeigen? Wie groß ist der Spielraum im Dialog mit Interessierten, ins­be­son­dere, wenn er öffentlich einsehbar geführt wird?

Hier scheinen bei Verantwortungsträgern verschiedene Auffassungen und Standpunkte zu bestehen, so dass ein Konzept für ein einzelnes Angebot, das z. B. alle Bistümer mittragen könnten, schwer möglich erscheint.

Betonung direkter Gemeinschaft vs. Akzeptanz von Virtualität

Ein Argument gegen eine Stärkung der Glaubensinformation und ‑kommunikation online scheint mir in einem grundsätzlichen Vorbe­halt gegenüber der digitalen Kommunikation zu liegen: Glaube lasse sich letzten Endes nur in der direkten unvermittelten Begegnung und Gemeinschaft erfahren und vermitteln, daher solle man interessierte Menschen lieber möglichst bald in die Begegnung mit Gläubigen vor Ort einladen und dort ins Gespräch kommen.

Dieser Gedanke verkennt, dass diese Unterscheidung und Wertung ins­besondere für viele junge Men­schen, denen das Internet eine Selbstver­ständlichkeit ist, kaum noch oder gar nicht mehr nach­vollziehbar ist. Es gibt vielfältige Gründe für potentielle Nutzer/innen, Online-Angebote gegenüber Treffen zu einer be­stimm­ten Zeit an einem bestimmten Ort zu bevorzugen; ob bzw. zumindest wann der Schritt in den direk­ten Kontakt erfolgt, kann den Interessierten selbst überlassen bleiben.

„Komm her“ vs. „Geh hin“

Auch wenn es ein wichtiger Schritt war und ist, als Kirche im Internet präsent zu sein, reicht „im Internet sein“ oder „in den sozialen Medien sein“ noch längst nicht aus, um tatsächlich mit Menschen, die keine kirchlichen Insider sind, in Kontakt zu kommen. Es ist eine wichtige Frage, ob es zielführend ist, weitere kirchliche Präsenzen, weitere Web­sites zu schaffen, zu denen Menschen „herkommen“ sollen, oder ob es sinnvoller ist, kirchlicherseits Orte im Netz aufzusuchen, wo ohnehin über Lebensfragen, Glaube, Spiritualität gesprochen wird, und dort ins Gespräch einzusteigen.

Das ist sicher kein falscher Ansatz; es wäre m. E. durchaus wünschens­wert, wenn z. B. in Foren oder auf Frageportalen, wo immer wieder solche Fragen angesprochen werden, auch verstärkt Seelsorger/innen und engagierte Gläubige mit im Gespräch wären. Das ersetzt aber nicht unbedingt eigene Informations- und Gesprächsangebote, da diese Orte nur von einem Teil der Interessierten genutzt werden. Auch hier kann sich wieder beides ergänzen: Das Gespräch in einem Forum oder Frage­portal kann auf eine informierende Seite verweisen, auf der Vertiefen­des nachgelesen werden kann und nach Möglichkeit auch auf Wunsch das Gespräch weitergeführt wird.

Offener Diskurs? Ideal vs. Realität

Sind kirchlich getragene Angebote, die ausdrücklich das Ziel der Glau­bensinformation und ‑kommu­ni­ka­tion haben, überhaupt noch sinnvoll, oder sollte Kommunikation über den Glauben im Netz nicht eher im offenen, sich selbst organisierenden Diskurs ohne jegliche Dominanz kirchlicher Vorgaben geschehen?

Tatsächlich ist der offene Diskurs ein hohes Ideal nicht nur der Netzkul­tur. Andererseits ist die Frage, ob dieses Ideal in der Realität des Netzes und in unserem Kontext erreichbar und ziel­führend ist. Zu beob­achten ist, dass da, wo z. B. in sozialen Medien oder Blogs Diskurse über Glau­bens­themen stattfinden, diese vor allem von denen dominiert werden, die sich ihrer Wahrheit bereits ganz sicher sind – seien es konservativ-traditionell oder progressiv-liberal orientierte Gläubige oder auch aggressive Atheisten –, während Fragende und Suchende oder auch Zweifelnde wenig zu Wort kommen. Wenn gerade diese Gruppe ange­sprochen werden und zu Wort kommen soll, scheint es eher nötig, einen geschützteren Raum zu schaffen.

Die Berufung auf das Diskursideal stellt auch in Frage, ob es sinnvoll ist, kirchlicherseits einen Aufschlag bzw. eine „Vorgabe“ in Form eines in­formie­renden, den Glauben darstellenden Teils zu machen. Ein infor­mierender Teil kann jedoch m. E. – solange er nicht belehrend, sondern zeugnishaft ist und zum Fragen einlädt – ein guter und legitimer An­satzpunkt für einen Dialog sein und zudem passende „Lande­punkte“ bieten für alle, die ihren konkreten Fragen mit der Suchmaschine nach­gehen. Der Wunsch, über ein bestimmtes Thema in einen Dialog zu treten, etwas nachzufragen oder auch zu widersprechen, ent­steht oft erst in der Auseinandersetzung mit einem ersten Impuls. Es ist aber auch damit zu rechnen, dass ein Großteil der Nutzer/innen sich gar nicht aktiv beteiligen möchte. Diese profitieren dennoch vom Infor­mationsangebot und der Auseinandersetzung mit (öffentlich nach­lesbaren) Dialogen.

Hoher Aufwand

Klar ist, dass dialogische Glaubenskommunikation im Netz dauerhaft Ressourcen braucht, insbesondere Arbeitszeit. Vor allem in den Social Media sind die Nutzer/innen zeitnahe Reaktionen gewöhnt; entspre­chend sollten solche Kanäle betreut werden. Dies ist unter Umständen eher von kooperierenden Bistümern bzw. Institutionen zu leisten als von Einzelnen.

Zusammenfassende Thesen

  • Glaubensinformation als vermittelnde Darstellung des Glaubens und Glaubenskommunikation als offeneres, mehr hörendes Angebot ha­ben beide ihre Berechtigung und Notwendigkeit und gehören zusam­men. Auch die Glaubensinformation – zumal im Netz – muss dabei dialogisch und zeugnishaft gestaltet werden.
  • Angebote, die grundlegende und weiterführende Information und ein tragfähiges dauerhaftes Kommunikationsangebot verbinden, schei­nen derzeit noch zu fehlen.
  • Solche Angebote sollen und können die direkte Begegnung und den Austausch mit anderen Glaubenden und Suchenden nicht ersetzen, sondern vorbereiten, evtl. begleiten und ergänzen. Den Interessierten muss jedoch selbst überlassen bleiben, ob und wann sie den Schritt z. B. in eine Gruppe oder einen Kurs vor Ort gehen.
  • Situation, Vorkenntnisse und Bedürfnisse von Menschen, für die solche Angebote interessant sein könnten, sind sehr divers. Dem entsprechen eher diverse Angebote als eine große Gesamt­lösung.
  • Ein informierendes Angebot sollte nicht nur die reine kirchliche Glaubensnorm darstellen, sondern in Zeugnissen eine gesunde Spannweite von Interpretationen und Gewichtungen der Glaubens­inhalte und auch von Anfragen und Zweifeln zulassen können.
  • Glaubenskommunikation im offenen Diskurs ist ein hohes Ideal, ist aber in der Realität der Internet-Öffentlichkeit schwer zu realisieren. Damit Suchende wirklich zu Wort kommen, braucht es (auch) ge­schütztere, moderierte Räume.
  • Dialogische Glaubenskommunikation im Netz muss einigermaßen zeitnah verfügbar sein und braucht dauerhaft entsprechende Perso­nal- bzw. Arbeitszeitressourcen.
  • Um eine gute Bandbreite von Angeboten im Internet zu schaffen und den damit verbundenen Aufwand dauerhaft leisten zu können, braucht es Absprachen und Kooperationen zwischen den Bistümern/​Institutionen und einen Abschied von vorrangig territorialem Denken.