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Ehrenamtliche Leitungsteams in örtlichen Gemeinden

Eine Lernwerkstatt in Fulda über die Entwicklung einer neuen pastoralen „Denke“

In vielen Bistümern wird in den örtlichen Gemeinden unterhalb der Pfarrei- oder Seelsorgeeinheitsebene mit ehrenamtlichen Leitungs­teams experimentiert. Oft ist dies Ergebnis oder Bestandteil von Prozes­sen auf Bistumsebene und benötigt dazu selbst noch einmal Prozesse der Bewusstseinsbildung und Einführung auf der örtlichen Gemeinde­ebene. Natürlich sind zunächst oft – wie überhaupt für die Verände­rungsprozesse in den pastoralen Strukturen – Priester- oder Finanz­mangel äußerer Anlass. Dennoch wäre es verfehlt, hier einfach so das pastorale Weiter-so-wie-bisher sicherzustellen. Vielmehr geht es bei den Gemeindeteams um Lernprozesse, wie sich eine veränderte Kultur und Gestalt von Kirche entwickeln kann. Das Papier der deutschen Bischöfe „Gemeinsam Kirche sein“ von 2015 ermutigt dazu, Leitung in der Kir­che in vielfältigen Formen wahrzunehmen, letztlich, um auch neue Formen von Partizipation zu erproben und kontextorientierte Profilie­rung von Gemeinden vor Ort zu ermöglichen. Damit soll es langfristig gelingen, kirchliches Zeugnis zu diversifizieren und die Sendung von Kirche für einen bestimmten sozialen Raum bewusst zu machen und deutlicher zur Grundlage pastoralen Handelns zu erheben. Das Bistum Osnabrück beispielweise versteht die Erfahrungen von vielfältiger ehrenamtlicher Leitung als Teil eines Entwicklungsprozesses hin zu einer „Kirche der Beteiligung“.

Am 24./25.1.2018 trafen sich in Fulda Mitarbeiterinnen und Mitarbei­ter aus 13 Diözesen, um die Erfahrungen mit den „Gemeindeteams“, wie sie vielerorts heißen, auszutauschen und an diesen Erfahrungen zu lernen. Die Initiative zu dieser Lernwerkstatt ging aus der Konferenz der Seelsorgeamtsleitungen hervor. Es waren Personen aus den Bereichen Pastoral, Personal, Ehrenamtsförderung und Organisationsentwicklung vertreten. Die Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) in Erfurt hatte die Organisation und Realisierung des Lernset­tings übernommen.

Erfahrungen mit „ehrenamtlichen Leitungsteams in örtlichen Gemein­den“ sollten erzählt werden, nicht im Sinne der Erhaltung des bisheri­gen Pastoralsystems von „Pfarrgemeinden“, sondern als Motor und Seismograf für im Hintergrund stattfindende grundlegende kirchliche Veränderungsprozesse, die über die Frage ehrenamtlicher Leitungs­teams hinausgehen. Die Versuche der Erneuerung sind gekennzeichnet durch Orientierung an „Sendung“ und „(Tauf‑)​Berufung“. Die Bistümer stehen an unterschiedlich Orten, was diese Prozesse pastoraler und kirchlicher Entwicklung betrifft.

Ziele der Veranstaltung in Fulda waren, Erfahrungen aus den Bistümern zusammenzutragen, grundsätzliche Ähnlichkeiten und gemeinsame Linien zu sehen und sich dieser zu vergewissern, Probleme zu beschrei­ben und Fragen zu identifizieren, an denen gemeinsam weitergearbei­tet werden kann. Leitfragen waren:

  • Wie kann Leitung wahrgenommen und weiterentwickelt werden?
  • Wie reagieren Ehrenamtliche auf Hauptberufliche und leitende bzw. nicht-leitende Priester (Rollenidentitätsklärung bei Unter­schied­lichkeiten des priesterlichen Dienstes)?
  • Was heißt „geistliche Leitung“?
  • Wie kann Verwaltungsleitung in Teamleitung integriert werden?
  • Wie kann „Sakramentalität“ der Kirche weitergedacht werden?
  • Wie kann man an (traditionellen, verfestigten) Kirchenbildern arbeiten?
  • Wie kommt man als Bistum in einen Prozess, der nicht das Vergangene kopiert?
  • Wie werden die Personen der Leitungsteams identifiziert, legitimiert, beauftragt, vorbereitet, begleitet, gewechselt …?

Es ging nicht darum, Begriffe wie „Leitung“ oder „Gemeinde“ zu „klä­ren“ und damit zu vereindeutigen. Es ging auch nicht darum, Komplexi­tät autoritativ zu reduzieren. Vielmehr setzte die Veranstaltung auf eine Methodik des narrativen Zugangs: Lernen am Gelingen und Misslingen erzählter und reflektierter Praxis aus den Bistümern. Es ging um die Ent­wicklung einer Kriteriologie für Gelingen oder Scheitern, um so für die weitere Gestaltung von Prozessen zu lernen. Damit wurde das Setting in Fulda selbst zu einem Lernprozess.

Vorbereitende Datenerhebung

Die Vorbereitungsgruppe hatte sich dazu entschieden, im ersten Teil des Lernsettings großen Raum auf die Themenbereiche „Prozess“ und „Rol­lenarchitektur“ zu legen. Von den Bistümern wurden im Voraus Frage­bögen ausgefüllt. Die Ergebnisse der Fragebögen wurden thematisch geordnet an Stellwänden im Raum präsentiert, einzelne Teile dienten zur inhaltlichen Vorbereitung der Workshops „Prozess“ und „Rollen­architektur“. Weitere Verdichtungen wurden zu den Themenkomplexen „Strukturen“ (und Modelle von Teamleitung), „Gemeinde“, „Leitung“ und „Tieferliegende Themen“ vorgenommen. Aus den Fragebögen erga­ben sich von vornherein folgende Beobachtungen: Es gibt eine große Bandbreite an Theologien, Zielen und Weisen von Institutionenhan­deln, nicht nur im Vergleich verschiedener Bistümer, sondern auch bei verschiedenen Akteuren/Ebenen in einem Bistum. Es ist offenbar nicht ganz einfach, theologisch-ekklesiale Theorieelemente mit der konkret erlebten Praxis zusammenzubringen. Und schließlich: Offensichtlich bleibt die Spannung zwischen der Verwaltung des Mangels und Erhal­tung des Bestehenden einerseits und dem Mut, etwas Neues entstehen zu lassen, das System zu erweitern, andererseits.

Veränderungen in der Rollenarchitektur und Erfahrungen der Prozesse

In einem Workshop über die „Veränderungen in der Architektur der beteiligten Rollen“ wurde deutlich, wie gewaltig die Irritationen sind, die in den beteiligten Personen durch die Veränderungen ausgelöst werden. Und dies nicht nur bei den Hauptberuflichen, beispielsweise bei den nicht-leitenden Priestern. Es sei wichtig – wurde betont –, die Hauptberuflichen in diesem Prozess mitzunehmen; ehrenamtliche Gemeindeteams könnten sich nur mit Unterstützung von Hauptamt­lichen entwickeln. Gleichzeitig gibt es die Erfahrung, dass die Bistümer auch mit Personal zu tun haben, das nur noch minimal oder gar nicht mehr „entwickelbar“ ist. Insgesamt sind die Anforderungen an die Hauptberuflichen gestiegen, was das eigene Rollenverständnis angeht, das sich eher in Richtung einer Unterstützung und Förderung der Ehren­amtlichen hin entwickeln muss. Bei den Ehrenamtlichen gibt es solche, die versuchen, einfach nur das „alte“ System möglichst lange zu erhalten. Ein solches Gemeindeteam agiert dann wie ein Pfarrgemein­de­rat, der (oft mühsam und krampfhaft) versucht, das als intern ver­standene „Gemeindeleben“ in Gang zu halten. Es kommt aber für das Selbstverständnis der Gemeindeteams vielmehr darauf an, die Außen­orientierung und Sendung der Gemeinde im sozialen Raum weiterzu­entwickeln. Eine Teilnehmerin fragte an, ob denn Ehrenamtliche über­haupt die Idee hätten, über das „System“ hinauszugehen, ob sie auf den Gedanken kämen, dass das System künftig weiter zu verstehen sei als der pfarrgemeindliche Binnenblick.

Der parallel stattfindende Workshop „Prozesse“ gab Einblicke in die Realität von Prozessgestaltung auf Ebene der Bistümer und auf der loka­len Ebene. Eine Teilnehmerin wünschte sich nicht „Blindflug“ oder „In­strumentenflug“, sondern „Sichtflug“: ein Schritt nach dem anderen. Prozesshaftes Miteinander-Gehen müsse oft erst grundständig eingeübt werden. Wer hat im Prozess welche (versteckte) Agenda? Wer steuert auf welche Weise? Wer schützt den Prozess? Wem gehört der Prozess? Welche (nicht offen gelegten) Ziele gibt es? Wer versucht, etwas „im Griff zu behalten“? Darüber müsse offen kommuniziert werden. Die Teilnehmer hielten es für lohnenswert, Haltungen und Kultur eines Prozesses wahrzunehmen und zu beschreiben. Zentral seien Vertrauen und Konfliktarbeit. Inhaltlich gehe es um die Arbeit mit Zukunftsbil­dern von Kirche. Es gehe nicht darum, die Kirche als Mitgliederorgani­sation so zu erhalten, wie sie jetzt ist, sondern mitzuhelfen, Sozialräu­me zu entwickeln und damit dem Gottesreich, dem Evangelium und einem neuen Bild vom Kirchesein auf die Spur zu kommen. Interessant ist die Umkehrung der Fragerichtung: Welches Interesse hat die Gesell­schaft an uns? Wozu ist Kirche „gut“? Wichtig für derartige Prozesse seien Schlüsselpersonen, die es zu identifizieren und zu begleiten gelte, ebenso das Mitnehmen von Entscheidern. Für selbstverändernde Pro­zesse müsse von der Bistumsleitung der Raum freigehalten und müss­­ten dazu Anregungen gegeben werden. Schließlich ist wichtig, wie die Umsetzung der Erkenntnisse und Ergebnisse eines Prozesses sicherge­stellt und verstetigt werden kann, die auch langfristig in eine Kultur der Aus- und Fortbildung wie auch in Formate der „pastoralen Evaluierung“ eines Bistums einfließen müssen.

Theologie der Leitung und zukünftige Personalarbeit mit Hauptberuflichen

Am zweiten Werkstatttag befasste sich ein Workshop mit der „Realität: Leiten im Team“ und mit „Theologie der Leitung“. Man solle dieMög­lichkeit anbieten, innerhalb einer Diözese mehrere Modelle von geteil­ter Leitung auszuprobieren, dabei lokale und historische Kontexte be­achten: Nicht „das Einheitliche“ ist das „Richtige“. Leitung heißt nicht immer nur Entscheidung, sondern hat verschiedene Facetten: Visions­arbeit, Inspiration, Moderation, Entwicklung von A zu B, Management etc. Solche Dimensionen von Leitung können auch in verschiedenen Leitungsrollen im Team aufgeteilt werden. Leitung hat in pastoralen, wirtschaftlichen und sozialräumlichen Kontexten auch unterschied­liche Dimensionen, diese gilt es weiterhin ausdifferenzierend zu be­trachten. Leitung ist in Beziehung zu setzen zur Realität der Gemeinden und der Pastoral, ist daher dynamisch veränderbar.

Hoffnungsvoll stimmen Erfahrungen von Teamleitung in Verbänden, die einen Priester als begleitenden Präses haben. Orden kennen Lei­tungskultur ohne Weihe. Hier muss weiter hingeschaut werden! Wich­tige Voraussetzungen für gemeinsame Leitung sind: Charismen achten, Abstimmung über die Ziele, permanentes Coaching. Leitung sollte als Funktion begriffen werden, wird aber leider oft zuerst als Machtaus­übung verstanden (obwohl sie oft als „Dienst“ ideologisiert wird). Bezo­gen auf die mit der Weihe verbundene priesterliche Leitungsvollmacht des Ordo: Leitung und priesterlicher Dienst der Einheit (synchrone und diachrone Einheit) müssen nicht immer zusammenfallen. Letzterer ist ein Herausarbeiten dessen, was uns miteinander verbindet. Dabei ist Tradition (diachrone Einheit) als lebendige Entwicklung zu verstehen, nicht als ein „Im-Griff-Behalten“. Oft gibt es (verdeckte) Steuerungs­fantasien. Bei vielen (nicht nur bei Klerikern) wird das Pfarrerbild des 19. Jahrhunderts glorifiziert. Dieses Bild ist in den CIC, das allgemeine kirchliche Gesetzbuch, gegossen worden. Deshalb sollte man bei der in c. 519 CIC formulierten Verantwortung des Pfarrers lieber von „Grund­verantwortung“ statt von „Letztverantwortung“ sprechen. Der Dienst an der Einheit in komplexer werdenden Systemen kann sowieso nicht ganz allein, sondern nur noch im Team wahrgenommen werden (auch die Leitung einer Diözese funktioniert nicht nach dem Modell der Mo­nokratie, sondern setzt innerhalb des hierarchischen Systems eine Selbstbegrenzung des Bischofs voraus).

Leiten heißt: verschiedene Konstruktionen von Wirklichkeit moderie­ren, im Dienst an den Menschen sein, damit sie sich entwi­ckeln können (Diakonie der Leitung). Entscheidend sind hier Synchronisierung von Prozessen, Information und transparente Entscheidungsprozesse. Die Entwicklung von Leitung geschieht immer an den Grenzen, auch an den kirchenrechtlichen. Es ist eben nicht hilfreich, den CIC immer nur als fixe Grenze und damit als „Keule“ herbeizuziehen, was angeblich „nicht möglich“ sei. Er hat auch Öffnungspotenzial. Auch das Kirchenrecht ist entwicklungsfähig und mit den entsprechenden Grenzen kann experi­mentell umgegangen werden. Man kann nicht nach Satzung leiten. Wenn man „unten“ (auf der örtlichen Gemeindeebene) Leitungsteams zum Laufen bekommt, kann sich eine neue Kultur des Leitens entwi­ckeln, die sich dann auch auf anderen Ebenen auswirkt (Pfarrei, Bistum).

Ein weiterer Workshop, in dem vor allem die Personaler mitarbeiteten, befasste sich mit der Fragestellung, wohin in den nächsten fünf Jahren das Personal entwickelt werden soll, welche Qualitäten und Expertise die Hauptberuflichen benötigen. Einerseits habe man Personal, das man ggf. entwickeln könne, andererseits sei es etwas problematisch, mit welchen Bildern und Vorstellungen (über Kirche und Berufsrollen) manche junge Menschen in die kirchlichen Berufe neu hineinkommen. Offenbar braucht es neue Wege der Akquise, die „Berufung“ auf neue Weise thematisiert, nämlich im Sinne der gemeinten Kirchenentwick­lung: die Sendung des Gottesvolkes und die Berufung seiner Glieder zum Ziel des beruflichen Tuns zu machen. Dazu ist es insgesamt wich­tig, eine Kultur des „Rufens“ zu gestalten. Es braucht einerseits mehr Personal für die Begleitung und Weiterentwicklung des Personals. Die spezifische Gabe des Einzelnen, die im Einsatz kreativ werden kann, soll wirksam werden, egal wo (gegen einen „flächendeckenden“ und territo­rial „ausgeglichenen“ Personaleinsatz, eher Bildung von Schwerpunk­ten). Andererseits müssen Wertschätzung/Anerkennung und Verbind­lichkeit/Leistung (jeweils gegenseitig) in Bezug auf die Mitarbeitenden eines Bistums in einem guten Verhältnis stehen. Ein Weg kann sein, exemplarische Teams an exemplarischen Orten zusammenstellen, dann den Blick auf andere zu richten und sie zu „locken“: „Das zeigen wir euch! Schaut, ob das für euch passt! Entwickelt selbst Phantasie!“ Eine gute Begleitung und Evaluation ist eine wichtige Investition in persön­liche und teambezogene Lernprozesse. Es gilt, Lernsettings zu eröffnen, um Co-Creation zu ermöglichen (d. h. Mitarbeiter treiben auch selbst Entwicklungsprozesse voran, nicht nur die Bistumsleitung …). Dann gelingt es am ehesten, die Hauptberuflichen dahin zu führen, Prozesse ehrenamtlicher Leitung zu unterstützen. Es wird wohl nicht möglich sein, flächendeckend alle Hauptamtlichen auf diesen Weg zu bekom­men. Es braucht dennoch eine entsprechende Konzeptentwicklung für das Bistum, die Raum lässt, „den jeweiligen Energien zu folgen“, wie es eine Teilnehmerin ausdrückte. Gute Erfahrungen gibt es jedenfalls damit, die Pastoralteams gemeinsam für eine Woche aus der „Mühle“ des pastoralen Alltags herauszuholen, um tiefergehende Kommunika­tion im Team und die Befassung mit den jeweiligen Rollen und den Zielbildern zu ermöglichen. Jedenfalls ist eine breite Beteiligung der Hauptberuflichen für die vorliegenden Entwicklungen extrem wichtig. In einigen Pfarreien gibt es gute Unterstützung und Begleitung der ehrenamtlichen Teams und der Prozesse durch Hauptamtliche. Dies muss sukzessive weiterentwickelt werden. Man soll anfangen mit denjenigen, die Lust dazu haben, und sich selbst und anderen Zeit geben.

Zum Schluss

Auf der Tagung wurde deutlich, dass sich sehr stark verändert hat, was eigentlich das (kirchliche) „System“ ist, um das es geht. Wo liegen seine Grenzen? Welche Ressourcen setzen wir wo und wie ein? Die Logik der Pfarrgemeinde als „Pfarrfamilie“ oder als mitgliederorientierte religiöse Betreuungs- oder Bedürfnisbefriedigungsanstalt ist (in der Theorie) schon längst anderen ekklesiologischen Logiken gewichen. Es geht nicht darum, auch nicht bei den „Gemeindeteams“, die herkömmliche Ge­stalt von Pfarrgemeinde als Kirche vor Ort angesichts von „Säkularisie­rung“ und „Schwund der aktiven Mitglieder“ abzusichern. Die Erfah­rungen mit ehrenamtlichen Leitungsteams weisen hinein in die Fragen, wie sich die Kirche versteht, wie sie sich im Blick auf möglichst viele Menschen (nicht nur Mitglieder!) an einem konkreten Ort entwirft, wer auf welche Weise dazugehört und wie die Kirche sich in ihren Prozessen und Strukturen verändert, um weiterhin Kirche, d. h. Sakrament des universalen Heilswillens Gottes (im Sinne von Ansage und Bezeugung des bereits gewirkten und wirkenden Heils) zu sein.

Es kann hilfreich sein, andere Arten von (nicht nur kirchlichen) Verge­meinschaftungen, „Gemeinden“ anzuschauen, die eher im Sinne eines Start-ups funktionieren. Wie organisieren sie sich? Wie sind sie an ihrem Auftrag dran? Wie ermitteln sie die Bedürfnisse der Kunden und Stakeholder? (Hier wird im Bistum Aachen schon vieles ausprobiert.)

Es gibt auch in ein und demselben Bistum recht unterschiedliche Mo­delle ehrenamtlich-kommunialer Leitung. Es wäre hilfreich, noch in­tensiver, als es in Fulda möglich war, verschiedene Modelle genauer zu beschreiben und Erfahrungen mit verschiedenen Typen von gemeinsa­mer Leitungsverantwortung auszuwerten.

Ein großer Gewinn waren in Fulda die eingebrachten Perspektiven un­terschiedlicher Arbeitsfelder wie Pastoral und Personal. Oft arbeiten Personen der Pastoral- und Personalabteilung, Ehrenamtsförderung, Organisationsentwicklung, der Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Bistümern nicht in einer transparenten und abgestimmten, sich ge­genseitig inspirierenden Art und Weise zusammen. So wurde in Fulda auch der Wunsch laut, die Erfahrungen und Ergebnisse dieses Lernset­tings nicht nur wieder in die Konferenz der Seelsorgeamtsleitungen zurückzugeben, sondern auch in die Konferenz der Personalverantwort­lichen sowie der Personen, die für Aus-, Fort- und Weiterbildung Verant­wortung tragen, einzuspeisen.

In Fulda waren „nur“ 13 Bistümer vertreten. Es gibt andere, die nicht beteiligt waren, aber dennoch eigene Erfahrungen mit ehrenamtlichen Leitungsteams in örtlichen Gemeinden haben. Es scheint wichtig, auch diese Erfahrungen in den Austausch einzubeziehen und fruchtbar zu machen.

Ein wichtiger Aspekt der Tagung war das Lernen im Austauschen von Erfahrungen. Diese Herangehensweise der Tagung erscheint exempla­risch und stilbildend für die Gestaltung der Prozesse von kirchlicher Veränderung, die vor uns liegen. Erfahrungen sind nicht etwas, das nachträglich den Entscheidungen hinzugefügt werden darf, sondern sind in ihren jeweiligen Kontexten selbst relevant für die Wahrnehmung und Entwicklung des Systems. Erfahrungen zu teilen, sich gegenseitig von Erfahrungen, von der je eigenen Berufung, von den Bildern und Visionen zu erzählen, muss als Kulturelement auf breiter Basis stärker ermöglicht werden: „Das war uns wichtig. Das haben wir probiert. Das haben wir gelernt …“ Daher soll die Dokumentation dieser Erfahrungen in Fulda dazu anregen, selbst die Erfahrungen aufzunehmen und verar­beitend zu teilen. Das entspricht dann auch der Herausforderung, in den diözesanen, pfarreilichen und gemeindlichen Entwicklungspro­zessen immer mehr in einer Weise zu kommunizieren, die narrative Elemente einbindet (wie es übrigens auch die Schrift „macht“!). Das Bistum Aachen macht derzeit gute Erfahrungen mit Prozessen „wert­schätzender Erkundung“, indem Personen aus dem kirchlichen Kontext mit Profis aus verschiedenen Bereichen facilitation lernen, also: wie man die Potenziale von Personen, Gruppen und Systemen zusammen­zubringen kann, um Prozesse zu gestalten und Probleme zu lösen. So wird Beteiligung zum Programm und Dinge werden in Bewegung ge­setzt (z. B. „Kommunikationslotsen“). Ein Desiderat scheint derzeit noch in vielen Bistümern zu sein, dass es noch zu wenig Erfahrungen mit vernetzten Arten von Steuerung solcher Prozesse gibt.

Ein weiterer großer Schwerpunkt der Tagung war das Wahrnehmen von neuen, kommunial gestalteten Arten von Leitung. Auch hier könnte einerseits eine Ausdifferenzierung des Verständnisses von Leitung manche Engführung(en) aufbrechen. Andererseits kann eine reflektier­te Theologie der Leitung, die an der Arbeit mit (konziliar anschlussfähi­­gen) Kirchenbildern nicht vorübergeht und in einer Vielfalt von Lei­tungsmodellen auch praktisch ausprobiert wird, zu neuen kontextu­ellen Profilen kirchlicher Gemeinschaftsformen unter dem „Dach“ der größeren pastoralen Ebene führen (Pfarrei, Seelsorgeeinheit, Pfarrei­engemeinschaft, Pastoralbereich …). Es geht darum, den Auftrag Christi, dass das Evangelium für alle Menschen da ist, kirchenbildend umzusetzen. Dabei wird eine Spannung und werden die Beziehungen zwischen einer Pastoral der Weite, die möglichst viele Menschen und ihren kreativen Evangeliumsbezug im Blick hat, und einer Pastoral der Dichte oder Tiefe, die die Bildung von „kommunikativen Glaubensmi­lieus“ (Medard Kehl) bewusster Christen anzielt, die die Schrift, ihr Leben und ihren Glauben teilen und bewusst Jüngerschaft und Nach­folge gestalten, immer fruchtbar und kreativ bleiben.