Mission – Evangelisierung – Inkulturation
Jahrbuch der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin 5
Bereits der dreigliedrige Titel macht die Vielfalt der Thematik des fünften Jahrbuches der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin aus dem Jahr 2017 deutlich. Ausgehend von der Renaissance des Missionsbegriffs angesichts der Entkirchlichung in Deutschland befassen sich sieben Professoren und Dozenten der Hochschule mit „Mission – Evangelisierung – Inkulturation“.
Den Auftakt bildet ein Beitrag zum Wandel kirchlicher Strukturen von Patrick C. Höring, der auch das Editorial des Bandes verantwortet. Höring bietet darin einen hervorragenden Überblick über die verschiedenen neuen Wege der Pastoral und Formen kirchlicher Vergemeinschaftung sowohl in evangelischen Kirchen als auch in der katholischen Kirche. Der gemeinsame Zug dieser Entwicklungen wird von ihm als Weg nach außen, als „Ekklesio-exzentrik“ umschrieben und von den „gemeindepastoralen Ansätzen der 1970er- und 1980er-Jahre“ abgegrenzt (23).
Exemplarisch für diese missionarische Neuausrichtung verschiedener Landeskirchen und Diözesen stellt Clemens Dölken O.Praem. im folgenden Beitrag den Prozess des „Pastoralen Zukunftsgesprächs“ im Bistum Magdeburg dar, an dem er selbst von Februar 2001 bis März 2004 als Mitglied des Leitungsgremiums mitgewirkt hat. Dölken bezieht dabei diese Neuausrichtung vor allem auf den Dialog mit und die Einladung von Nicht-Glaubenden und gelangt zu dem Schluss, dass ein „missionarischer Neuaufbruch“ auch „unter den Bedingungen der extremen Säkularisierung einer weitgehend religionslosen Gesellschaft möglich“ (36) ist. Zu fragen wäre an dieser Stelle, ob innerhalb dieser Rahmenbedingungen Mission nicht geradezu eine Überlebensbedingung des christlichen Glaubensguts darstellt und als Aufdecken der Spuren des Evangeliums in der Gegenwart nicht noch einmal in einem weiteren Sinne gefasst werden könnte.
Es folgt ein zweiter Beitrag von Patrick Höring, der den Blick auf das Spannungsfeld von Bildung und Mission richtet. Stärker noch als den klassischen Bildungsort der Schule, in der performative Elemente der Religion nur begrenzt möglich erscheinen, zieht er die kirchliche Erwachsenen- und Familienbildung als einen Ort in Betracht, der „Klärungsprozesse anstoßen [kann], die auch zur (Wieder‑)Aufnahme einer verborgenen oder verschütteten Gottesbeziehung führen können“, und so zum „Kirchort“ wird (52).
Im Zuge des Spannungsfeldes von Bildung und Mission ist auch der spätere Beitrag von Dariusz J. Piwowarczyk SVD interessant, der nach der Rolle der Mission im Verhältnis zwischen Staat und Kirche in den Kolonialstaaten fragt und insbesondere für die Kolonialstaaten des 19. Jahrhunderts die Rolle von Mission in der Bildungsarbeit verortet. Auf andere Weise widmet sich auch der Beitrag von Zbigniew Wesołowski dem Staat-Kirche-Verhältnis, indem er die Geschichte des Christentums in China schildert. Angesichts der aktuellen Ereignisse ist sein Beitrag nicht nur als Lehrstück zu den Problematiken von Inkulturation aufschlussreich, sondern auch als Hintergrundgeschichte zu den aktuell laufenden diplomatischen Bemühungen zwischen der Volksrepublik und dem Apostolischen Stuhl.
Den beiden Beiträgen voraus geht ein Aufsatz von Peter Ramers, der sich mit dem Dialog zwischen Christen und Buddhisten in Deutschland befasst. Ramers hebt insbesondere die Unterschiede im Dialog mit buddhistischen Konvertiten und zugewanderten nativen Buddhisten hervor und macht dabei Respekt und Vertrauen als einende Grundbedingung interreligiösen Dialogs aus.
Den Abschluss des Bandes bilden schließlich die beiden Beiträge von Cosmas Hoffmann OSB und Polykarp Ulin Agan SVD, die Mission aus der Perspektive des Mönchtums bzw. der Ordensgemeinschaften betrachten. Der Benediktiner Hoffmann verweist dabei auf die Tiefe der Spiritualität, wie sie insbesondere von Nonnen und Mönchen gelebt wird. In diesem spirituellen Tiefenstrom, der sich auch in anderen Religionen als der christlichen findet, macht er eine Brücke für einen Dialog zwischen den Religionen aus.
Der Steyler Missionar Ulin Agan beschreibt dagegen, inwiefern die „Metamorphose“ der Welt zu einem „globalen Dorf“ (118) in ihrer Bedeutung auch die Kongregationen und Orden erfasst. Angesichts der Herausforderungen des Zeitgeistes im Zeitalters des „Anything goes“ (125) und einem wieder wachsenden Interesse am Religiösen sieht er die Ordensgemeinschaften vor die Aufgabe gestellt, „sich aus der Mentalität des Selbstschutzes oder des Ghettos zu befreien und der Postmoderne zu stellen“ und „sich in den Dialog mit Menschen verschiedener Kulturen zu begeben“ (131 f.). Ulin Agan macht deutlich, dass dies für die Orden nicht nur eine Veränderung der Haltung, sondern auch strukturelle Konsequenzen bedeutet.
Der Band bietet auf diese Weise eine bunte Sammlung sehr unterschiedlich gelagerter Beiträge, die die Thematik „Mission – Evangelisierung – Inkulturation“ jeweils anhand spezifischer Einzelaspekte in den Blick nehmen. Dies macht zugleich die Schwierigkeit als auch die Stärke des Jahrbuchs aus, das für verschiedene Aspekte von Mission interessante Schlaglichter bietet, sich jedoch für jemanden, der eher generell etwa am Stand der Missionstheologie heute interessiert ist, zu sehr mit Einzelthematiken befasst. Wenngleich das Jahrbuch die Renaissance des Missionsbegriffs angesichts der Entkirchlichung in Deutschland als Ausgangspunkt nimmt, weitet sich der Fokus sehr schnell, so dass diese Entwicklung eher als dessen Aufhänger denn als dessen gemeinsame Perspektive zu bezeichnen ist.
Jörg Termathe