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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

was steht ihnen vor Augen, wenn Sie den Begriff „Kirche“ hören? Wie haben sie kirchliches Leben erlebt, welche guten und schlechten Erfah­rungen haben sie gemacht? Wie sehen Sie das Miteinander der verschie­denen Rollen, Berufungen und Berufe in der Kirche? Welche Träume, Ideen, Visionen haben Sie für eine Kirche der Zukunft?

Zumindest alle, die in irgendeiner Weise an kirchlichen Veränderungs­prozessen mitgestalten, werden diese oder ähnliche Fragen nach Kir­chenbildern schon einmal (oder viele Male) beantwortet oder auch sich und anderen gestellt haben, denn diese Bilder oder, theologisch gefasst, Ekklesiologien prägen in solchen Prozessen sowohl die Beschreibung des Ausgangspunktes wie auch die Zielvorstellungen – und damit den ganzen Weg dazwischen.

Kirchenbilder, die noch vor wenigen Jahrzehnten einigermaßen zu funktionieren schienen, tragen nicht mehr: die von einer Mehrheit selbstverständlich mitgetragene Volkskirche; die nahe, örtliche Pfarrei als Bezugsgröße, in der sich der Großteil des kirchlichen Lebens ab­spielt; die Versorgungskirche, in der Priester, notfalls hauptamtliche Laien für alles sorgen, was die „einfachen“ Christen für ihr Glaubens­leben brauchen … Doch welche Bilder, welche Visionen tragen für die Zukunft? Wie soll es werden, wenn es nicht mehr so sein kann, wie es (scheinbar!) schon immer war?

Vielleicht hilft es schon einmal zu sehen, dass es eben nicht immer schon so war, dass Kirchenbilder sich wandeln mit den Kulturen, Gesellschaften und Epochen, also den Rahmenbedingungen, unter denen sich die Kirche realisiert, dass auch die theologischen Perspek­tiven sich wandeln und Aspekte neu betonen, die vielleicht vergessen oder in den Hintergrund geraten waren. Und dann ist es auch möglich und an der Zeit, Ideen und Visionen für neue Kirchenbilder zu entwickeln.

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe eröffnet daher verschiedene Perspek­tiven auf das Thema: theologische, historische, soziologische – und dazu die neuer pastoraler Entwürfe und praktischer Erprobungen.

Anhand einer Auswahl von Bildern – Fotos – von Kirchen führt Martin Hochholzer in die verschiedenen Aspekte auch von Kirchenbildern im übertragenen Sinn ein.

Karl Gabriel zeigt an Bewegungen im Spannungsfeld von Ver- und Ent­kirchlichung der letzten Jahrhunderte das Zusammenspiel von kirch­licher und gesellschaftlicher Realität auf.

Der Beitrag von Josef Freitag befragt die Kirchenbilder des 2. Vatikanums auf ihre pastorale Relevanz und betont dabei, wie sie auf gegenseitige Ergänzung angewiesen sind.

Die Kirchenvorstellungen und ‑wünsche der Gläubigen kommen im nächsten Artikel in den Blick: Jörg Kohr stellt dazu Ergebnisse aus einer Studie im Bistum Rottenburg-Stuttgart vor und erläutert, wie diese bisher in den Kirchenentwicklungsprozess des Bistums eingegangen sind.

Auf lokaler Ebene verliert die Pfarrei zunehmend ihre Rolle als das ge­samte kirchliche Leben prägende Institution. Peter Hundertmark sieht hier lokale, selbstorganisierte Gruppen von Gläubigen als eine Möglich­keit, kirchliche Präsenz vor Ort zu leben und dabei zugleich verschiede­nen Milieus und Lebensstilen Raum zu geben. Aus evangelischer Pers­pektive entwickelt Uta Pohl-Patalong ein Modell für ein neues Mitein­ander von Pfarreien und anderen Orten kirchlicher Präsenz, die einige der bisherigen Funktionen der Pfarreien übernehmen könnten. Als prak­tisches Beispiel einer von Gläubigen jenseits der Pfarreistrukturen begründeten „Fresh Expression of Church“ stellt Hubertus Schönemann die Erfurter „Engel am Zug“ vor.

Zwei weitere theologische Perspektiven runden den Schwerpunktteil ab: Brigitte Benz bricht die „klassische“ Gegenüberstellung von „Anpas­sung“ und „Profilierung“ auf, indem sie als eine dritte kirchliche Hand­lungsoption „Stellvertretung“ entwickelt und die gegenseitige Verwie­senheit dieser Optionen entfaltet. Und schließlich stellt Paul M. Zuleh­ner die Ekklesiologie bei Papst Franziskus vor und zeigt, wie sie mit seinem biblischen Gottesbild verbunden ist.

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

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