Internetseelsorge – Herausforderung für die Pastoral
Einführung zum Thema
Einerseits basiert das Internet auf einer Technik, die auf miteinander verbundenen Computern beruht, zugleich ist es aber auch als soziales Netzwerk begreifbar, welches Menschen zu einer eigenen sozialen Größe miteinander verknüpft. Die Funktionen des Internet sind Information, Kommunikation, Unterhaltung und Marketing. Durch sie ist es möglich multilaterale Kommunikationsbeziehungen aufzubauen, die zuerst im Netz entstehen und dann ausgebaut werden können. Diese Funktionen korrespondieren mit den Aufgaben der Pastoral, Menschen auf der Grundlage des Evangeliums anzusprechen, miteinander ins Gespräch zu bringen und für den Ruf Gottes zu öffnen. Im Kontext der gegenwärtigen Digitalisierung verschärfen sich die Fragen nach der Rolle der Pastoral und ihren Formen. Da der Mensch und die menschliche Gemeinschaft Ziel und Maßstab für das pastorale und mediale Handeln sind, ist zu fragen, inwieweit das Internet zur Seelsorge beitragen kann? Um diese Frage beantworten zu können, bedarf meine folgende Überlegung zuerst einer Klärung der Begriffe „Internet“ mit seinen Grundfunktionen und „Seelsorge“ mit ihren Grundvollzügen. Dieses hermeneutische Verfahren lässt uns einige Kriterien für die Internetseelsorge aufstellen, die sich im Bezug auf einige kirchliche Onlineangebote zur Internetseelsorge formulieren lassen.
1. Zwischen Seelsorge und Internet
Der Versuch einer Definition, was Seelsorge alles umfasst, ist durch eine eigentümliche Spannung gekennzeichnet. Dies hat unterschiedliche Gründe: Zum einen hat die Seelsorge keinen klar umrissenen institutionellen Rahmen. Sie ist flexibel, situationsabhängiger, weshalb sie sich veränderten gesellschaftlichen und kirchlichen Bedingungen stärker anpassen kann. Sie ist per se kontextuell, denn es geht ihr um den einzelnen Menschen in seiner konkreten Situation (Pohl-Patalong, Seelsorge, 675). Die Seelsorge will den Menschen in seinen möglichen oder realen Bezügen zu sich, zu seiner Umwelt und zu Gott im Blick behalten.
Johannes Paul II. weist in seiner ersten Enzyklika Redemptor hominis einen Weg für die Seelsorge. „Da also der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens, ihrer Aufgaben und Mühen, muss sich die Kirche unserer Zeit immer wieder neu die Situation des Menschen bewusst machen“ (Nr. 6).
Seelsorge geht auf den einzelnen Menschen ein und versteht sich als Dienst am einzelnen Menschen in seiner je eigenen Lebenssituation, in seinem je eigenen Lebensumfeld. Auf diese Weise sorgt sie sich um die Seele des Einzelnen, sie sucht die Nähe zum Menschen und versucht so, eine Beziehung zum Menschen aufzubauen. Die pastoralen Grundvollzüge geben eine Richtung dafür an, was der Seelsorge immer Kern ihrer Aufgabe gewesen ist und sein wird: Die Verkündigung des Evangeliums an alle Menschen (Martyria), die aufopfernde Hingabe im Dienst am Nächsten (Diakonia) und die Feier der Gegenwart Gottes (Leiturgia). Diese Vollzüge können und dürfen nicht getrennt voneinander gesehen werden, sondern sind wechselseitig aufeinander bezogen (Erzbistum Bamberg, Aufbruch, 13), sind gleich wichtig, sie durchdringen sich, und konstruieren so christliche Gemeinschaft (Koinonia) (Fürst, Pastorale Diakonie, 155). Somit ist festzuhalten, dass Seelsorge sich an einer Grundaufgabe – Suche nach dem Heil – orientiert und sich dabei in vielerlei Gestalt verwirklicht.
Angesichts des Internet wirft sich die Frage auf, ob und wie dieses Heil dem Menschen über dieses Medium vermittelt werden kann. Wie ich bereits erwähnte, erfüllt das Internet vier hauptsächliche Funktionen: Information, Kommunikation, Unterhaltung und Markt (Ebertz / Kebekus / Lampe, Religion im Internet, 28). Im Blick auf die pastoralen Grundvollzüge versuche ich nun die Konvergenzen, das heisst die Verzahnungspunkte zwischen Internet und Seelsorge aufzuzeigen, um damit Möglichkeiten für die Internetseelsorge auszuloten.
1.1 Information versus Martyria
Das Internet ist zwar mit Informationen über die meisten Themen überfüllt, seine Stärke liegt aber in anderen Bereichen. Wie kein anderes Medium zuvor ermöglicht das Internet interaktive Kommunikation und damit auch Gemeinschaft und Vernetzung. Das klassische Sender-Empfänger-Modell ist aufgehoben (Pelzer, Vernetzt leben, 29). Durch die Digitalisierung wachsen die Medien zu einem weltweit vernetzten Hypermedium zusammen, bei dem die Zahl der Sender sich der Zahl der Empfänger annähert. Über Websites, Newsgroups, Mailinglisten, Messaging, Chaträume, Wikis, Blogs oder Twitter funktioniert es schneller, direkter und persönlicher als andere Medien. Das ermöglicht, dass die Leser unmittelbar Informationen anreichern, ergänzen, kritisieren und korrigieren können.
Freilich wird hierbei die Seelsorge vor eine grosse Herausforderung gestellt. Die Kirche hat damit das Monopol auf die Informationsvermittlung, auf das Wahrheits- und Glaubensverständnis sowie auf die Sinnstiftung verloren (Gräb, Sinn fürs Unendliche, 5-10). Demzufolge wird die religiöse Wahrheit ganz neu bewertet. Sie ist eine existenzielle Sinn- und Beziehungswahrheit und erschließt sich nicht mehr allein durch Nachrichten und Berichte über Tatsachen, sondern geht mit dem Glauben einher (Johannes Paul II., Fides et Ratio, Nr. 1). Es ist die Aufgabe einer medialen Seelsorge, sich in diese religiöse Konstruktion von Wirklichkeit einzuschalten. Dabei geht es nicht um Fakten und Quantitäten, sondern um Interpretation und Qualitäten. Seelsorge darf die Komplexität nicht noch einmal steigern, sondern muss sie transzendieren.
Dies setzt die Bereitschaft voraus, sich auf mediale Wirklichkeit einzulassen. In der Praxis muss es eher darum gehen, nicht nur die Botschaften des Evangeliums zu reformulieren, sondern Nachrichten aus Politik, Kirche, Unterhaltung und Werbung aufzugreifen, vertieft zu deuten und die Perspektiven zu verschieben. Die solide und regelmässige Informationsvermittlung über Websites oder andere Kanäle ist für die Internetseelsorge von grosser Bedeutung. Sie ruft Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit hervor. Man darf dabei nicht vergessen, dass angesichts der heutigen Internetnutzung (Web 2.0) diese Praxis für den Meinungsaustausch und die Diskussion mit den UserInnen offen bleiben soll.
Dies korrespondiert mit den Herausforderungen für die Verkündigung des Evangeliums und zugleich mit der Frage nach der Präsenz Gottes in der Internetkommunikation. Papst Benedikt XVI. liefert dazu entscheidende Hinweise: „Wenn wir das Bedürfnis empfinden, mit anderen Menschen in Verbindung zu treten, (...) dann antworten wir auf einen Ruf Gottes, einen Ruf, der unserem Wesen als nach dem Bild und Gleichnis Gottes - des Gottes der Kommunikation und der Gemeinschaft - geschaffenen Menschen innewohnt.” (Benedikt XVI., 43. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel). Die Folge für die pastorale Kommunikation ist eine offene Auseinandersetzung mit der Botschaft Jesu, die verändernd auf die Menschen wirkt und damit zu einer Form werden kann, wie der Mensch sich dem Ruf Gottes stellt.
Dies ermöglicht deshalb auch im Internet das Glaubenszeugnis. Vor zwei Jahren beobachte ich die Kommunikation im moderierten Kirchenchat, der auf dem Portal www.funcity.de stattfindet und die Diskussionsforen auf anderen kirchlichen Portalen. Der Blick auf den Moderator und seine Rolle im Kirchenchat erlaubt mir eine These aufzustellen: Der Chat im virtuellen Kirchenraum lässt das Glaubenszeugnis zu. Der Chatmoderator übernimmt die leitende Rolle. Er gibt Themen zur Diskussion, er gibt Impulse, provoziert die UserInnen nachzudenken, so dass er wirklich zum Seelsorger wird, der das Evangelium verkündet. Er verkündet nicht nur, sein Handeln lässt das Wort Gottes in den TeilnehmerInnen so lebendig werden, dass sie selbst vom Empfänger zum aktiven Verkünder im Chat werden, indem sie eigene Gedanken zum Evangelium mit den anderen teilen. Damit bezeugen sie die Lebendigkeit des Evangeliums in ihren Leben.
1.2 Kommunikation versus Diakonia
Kurz gesagt versteht sich Diakonia als Dienst am Menschen. Dieser Dienst verfügt über eine große Bandbreite, sodass er an unterschiedlichen Orten und auf vielfältiger Weise vollzogen werden kann. Ein diakonisches Element in jeder Kommunikation über das Internet findet man schon in der Präsenz der Medienmenschen, die im Onlinewerk eingesetzt sind. Auch die SeelsorgerInnen, die sich im Kirchenchat oder auf den anderen Portalen zur Verfügung stellen und ihre Kompetenz mit den Fragenden teilen wollen, setzen mit dieser Haltung bereits ein diakonisches Signal. Die Bereitschaft online zu sein, erfordert nicht nur Zeit und Kraft, sondern schöpft ihre Motivation aus dem Liebesgebot, insbesondere da viele von den SeelsorgerInnen ehrenamtlich im Onlinedienst tätig sind.
Jede Art von diakonischer Hilfe und von diakonischem Handeln ist von der Art der menschlichen Not abhängig. Die Situation vor Ort und die Umstände, in denen sich der Bedürftige befindet, bestimmen die Grundlagen der kompetenten Hilfe. Auch das Internet ist ein Ort, an dem Menschen Zuwendung und Hilfe erfahren können.
Während meiner Online-Beobachtungen fiel mir deutlich auf, dass sich im Internet auf kirchlichen Portalen Menschen organisieren, die sich nach Hilfe oder Beratung sehnen. Im Kirchenchat melden sich die UserInnen bei den einzelnen SeelsorgerInnen an, um mit ihnen über eigene Probleme zu chatten. Die Foren hingegen werden von InternetnutzerInnen verwendet, die über ihre Probleme und Schwierigkeiten schreiben und diskutieren wollen. Die Verschriftlichung der eigenen Probleme ist ein gelenkter selbstheilender Prozess und als solcher begründet er die Wirksamkeit (zu Formen und Methoden der Psychotherapie, in denen Schreiben als Therapieform eingesetzt wird: vom Scheidt, Kreatives Schreiben). Die Anwesenheit der Mitchatter, deren Teilhabe und Rückmeldungen gegenseitige Anerkennung und Anteilnahme vermitteln, machen Mut Problemen nicht davon zu laufen. Die Rückmeldungen auf die Foren-Beiträge der Mitglieder der einzelnen Communitys zeigen auf, dass sie auf ihrer eigenen Erfahrung basieren. In den Foren trifft man seltener einen Seelsorger, welcher den Ratsuchenden mit seiner Unterstützung entgegenkommt. Man hat es dort eher mit so genannten Selbsthilfegruppen zu tun, deren Mitglieder ein gleiches Problem oder Anliegen haben und gemeinsam etwas dagegen unternehmen bzw. dafür tun möchten. Dabei wird durch das Solidaritätsprinzip ein diakonisches Element zum Ausdruck gebracht, welches die Mitglieder, die sich in Notsituation befinden, zur Verantwortung füreinander aufruft. Hierbei bestätigt sich die These von Schibilsky, dass das christliche Leben sich als Dienst, als voraussetzungslose Hingabe versteht (Schibilsky, Diakonie, 799). Hilfestellung verschiedener Art kann sowohl offline als auch online erbeten und gewährt werden. Somit beinhaltet die diakonische Dimension der Internetseelsorge die Bereitstellung gegenseitiger Unterstützung und Hilfe.
1.3 Unterhaltung versus Leiturgia
Die Unterhaltungsfunktion des Internet besteht darin, dass mit dem Web 2.0 Interaktivität und Partizipation gewährleistet wird. Die Unterhaltung eröffnet mögliche Übergänge zu anderen Modi des Menschseins, auch zu anderen kulturellen Sphären (Sandbothe, Interaktivität – Hypertextualität – Transaktivität).
Nach Niklas Luhman funktioniert die Unterhaltung in der Weise, dass ein eigener Realitätsausschnitt wie eine zweite Welt konstruiert wird. Bücher, Filme, Kinderspiele, Musik setzen eine symbolische Welt frei, in der eine fiktionale Realität gilt (Luhmann, Realität der Massenmedien, 98). Somit ermöglichen Medien den Übergang aus der Realität in eine fiktionale Realität, was aber nicht heißt, dass diese nicht wirklich wäre. Die fiktionale Realität bildet die symbolische Welt unserer Vorstellungen, Erinnerungen, Befürchtungen, Wünsche und Hoffnungen ab. Den Übergang in diese Welt bringen reale, doppelseitige Objekte wie Texte oder Filme zuwege (Luhmenn, Realität der Massenmedien, 99). Sie beinhalten auf ihrer Innenseite die Welt unserer Vorstellungen, im Verhältnis zu der wir uns als Wesen der Selbstinterpretation realisieren.
Die Eigendynamik des Internet in seinen interaktiven und sozialitätsstiftenden Bezügen lässt die Internetseelsorge im Bereich der Leiturgia aus semiotischer und semantischer Perspektive betrachten. Stefan Böntert hebt hervor, dass das gottesdienstliche Geschehen im Internet eine Fortschreibung und Ergänzung des heilsgeschichtlichen Dialogs zwischen Gott und den Menschen im Modus der erweiterten Symbole darstellt (Böntert, Gottesdienste im Internet, 281). Technikbasierte Zeichen und Symbole einschließlich der Sprache sowie relationale Bezüge zwischen den InternetuserInnen lassen sich für Gottes Heilshandeln in Anspruch nehmen und eröffnen damit den Raum für ein kirchliches Miteinander auch in seiner Feierform.
Die liturgische Dimension des Kirchenchats gewinnt ihr theologisches Gewicht durch die gemeinsamen Gespräche über liturgiebezogene Themen und die Gebetsgemeinschaft. Die im Internet greifbare Sensibilität der Menschen für ästhetische und kommunikative Lebensdeutungen, die semantische Vielfalt, Ritenfreudigkeit und beziehungsstiftende Funktion des Internet zeigen, dass diese Feierformen des Glaubens auf der Ebene des Internet ausbaufähig und weiter zu entwickeln sind (Böntert, Gottesdienste im Internet, 86). Die Interaktion im Internet ermöglicht eine aktive Beteiligung der UserInnen am Gespräch und am Gebet, was relationale Bezüge entstehen lässt. Die TeilnehmerInnen erleben das Internet als Ort, an dem Gott in seinem selbstoffenbarenden Handeln für die Menschen greifbar wird (Böntert, Gottesdienste im Internet, 301). Hierbei zeigt sich die Leistungsfähigkeit dieser Communitys im Wesentlichen darin, dass es ihr gelingt, Partizipation am liturgischen Geschehen zu erschliessen und im Prozess TeilnehmerInnen, die sich aus Ritualen aktiv ausklinken, aber passiv kommunizieren, zu motivieren, sich für die Beziehung zu Gott zu öffnen.
In den Foren wird Leiturgia durch die Thematisierung und die Fragen zum Glauben und zu den kirchlichen Feiern zum Ausdruck gebracht. Die Mitglieder eines Forums tauschen sich über ihre Gewohnheiten und Haltungen aus, die auf ihre liturgische Praxis im Alltag hinweisen. In diesem Sinne werden Foren zu einer Plattform liturgischer Aus- und Fortbildung, die liturgische Kenntnisse vermitteln und komplexe Aspekte der künstlerischen und musikalischen Inszenierung und Dramaturgie der Liturgie verständlich machen. Hierbei ist auch die ökumenische und missionarische Dimension der gesamten Liturgie wiederzuentdecken (Schwier, Liturgie, 440).
1.4 Markt versus Koinonia
Karl Gabriel fordert ein intensiveres und individuelleres Angebot der Vergemeinschaftlichung (Gabriel, Gemeinde im Spannungsfeld, 285) in christlichem Sinne, das Menschen eine neue Orientierung verleiht. Eine verantwortungsvolle Seelsorge im Internet muss von diesem Kontext ausgehen und zugleich die Online-Marketing-Gesetze berücksichtigen, wenn sie im so genannten „pastoralen Marketing“ die „postmodernen“ Menschen ansprechen will. Es geht nicht um Neukundengewinnung wie bei den Unternehmen, sondern um den Kontakt zu suchenden und fragenden Menschen. Die Internetseelsorge will ihnen mit ihren kommunikativen Angeboten entgegenkommen. Es geht schließlich darum, dass der Mensch angesichts der vielfältigen alternativen Lebensentwürfe seine Selbstfindung im Raum des Evangeliums neu entdeckt, einen Weg zu Gott findet und zugleich eine lebensstiftende Beziehung zu ihm aufbauen kann (Belzer, Internetseelsorge, 122).
Während die Unternehmen immer mehr Geld in Online-Marketing investieren, um neue Kunden zu gewinnen, muss sich die Seelsorge von einem Menschenbild leiten lassen, das „alle Dimensionen seines Seins berücksichtigt und die materiellen und triebhaften den inneren und geistlichen unterordnet.” (Johannes Paul II., Centesimus Annus, Nr. 36) Dieses Ziel ist bei weitem noch nicht erreicht, wenn wir uns in der Medienpastoral nicht mit Verbreitung von Postulaten begnügen wollen. Insbesondere die kirchlichen Angebote bedürfen damit der ständigen Evaluation, Modifizierung und Anpassung an die Fragen und Erwartungen der UserInnen. Die kirchliche Praxis benötigt dementsprechend einen Paradigmenwechsel: Sie muss sich „von der Make-and-Sell-Philosophie lösen und einen Sense-and-respond-Ansatz entwickeln.” (Belzer, Internetseelsorge, 121)
Das Internet erschliesst die guten Chancen für den pastoralen Kontakt im Internet vor allem zur jungen Generation. Die vielfältigen Kommunikationsräume, welche die Kirche Online zur Verfügung stellt und die Möglichkeit zu regelmäßigen Online-Begegnungen garantieren, dass die pastorale Kommunikation dauerhafter, einfacher und beständiger werden kann. Daraus entstehen Online-Communitys, die nicht nur Interesse an Religion und Kirche haben, sondern Nähe, Sinn und Hilfe suchen. Damit wird Koinonia durch jede Form der Vergemeinschaftung von Menschen im Namen Jesu Christi gestiftet. Kernpunkt christlicher Gemeinschaft ist der gemeinsame Glaube daran, dass der Mensch von Gott das Heil erfahren hat. Die Kommunikation im Netz ist nicht medial-erfolgsorientiert, sondern verständigungsorientiert zu verstehen, da Verständigung und Einverständnis ein gemeinschaftliches, auf Gott gerichtetes und von Gott her kommendes Geschehen ist (ELKB, Netz sinnvoll nutzen).
An dieses Verstehen von Koinonia schließen sich die drei weiteren konstitutiven Grundvollzüge der Seelsorge an, die auf das Grundverständnis vom Menschen als einem kommunikativen Wesen zielen: Martyria, Leiturgia und Diakonia. Sie bilden die theologischen Bausteine für die Onlinecommunity. Wenn der Koinonia-Begriff eine Option ausdrückt, an der die Identität der christlichen Gemeinde zu erkennen ist, dann sind Spuren dieser Identität auch in der Online-Community zu rekonstruieren.
2. Chancen und Grenzen der Internetseelsorge
Die Kommunikation im Internet zeichnet sich vor allem durch die Mehrwerte aus, die das Netz aufgrund seiner technischen Möglichkeiten seinen Nutzern anbietet und dadurch neue Kommunikationsformen möglich macht. Die zunehmende Etablierung der sozialen Netzwerke im Leben der BundesbürgerInnen (insbesondere Facebook) verweist deutlich auf die prägende Rolle dieses Medium für die Glaubenskommunikation. Gemäß den Ergebnissen der aktuellen Onlinebefragung, die an der Frankfurter Universität durchgeführt wurde, sind Katholiken in ihrem Mediengebrauch von der Gesamtbevölkerung kaum zu unterscheiden (Hertl / Pelzer / Trocholepczy, Vernetzt oder isoliert, 142). Während der Untersuchung ergab sich, dass eine relativ große Gruppe (40 Prozent der katholischen und 47 Prozent der evangelischen UserInnen) sich wünscht, dass die Kirche über das Internet auch seelsorgerisch aktiv ist (Hertl / Pelzer / Trocholepczy, ebd., 144). Dabei merken wir das enorme Bedürfnis nach seelsorgerischer Begleitung im Netz.
Freilich gibt es die Grenzen in der Onlinekommunikation. Sie führt im großen Teil zur Ent-Professionalisierung im Umgang mit Wissen und Erfahrungen, zur Ent-Spezialisierung im religiösen oder theologischen Bereich, zur Ent-Hierarchisierung und Ent-Privatisierung. Damit verschärft das Netz den Individualisierungsprozess in der Gesellschaft. Das Internet wird zur autoritären Instanz, wobei die Professionalität in jedem Fach an Bedeutung verliert (McLuhan, „I ain’t got no body …“, 102). Man darf jedoch nicht nur auf die Gefahren fokussieren, sondern muß immer nach den neuen Wegen zu dem Menschen, die im Netz unterwegs sind, suchen, um „dem Kommunikationsstrom des Internet eine Seele zu geben“, sowie das Netz selber kulturwirksam zu machen und eine eigene „christliche Stilpräsenz“ zu kreieren (Benedikt XVI., 44. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel). Es ist dabei zu beachten, dass es letztlich um die Menschen geht, die aus der Verweisungs- und Bedeutungsvielfalt des flüssigen Internet aktiv Sinnzusammenhänge herstellen. Die Aufgabe der Seelsorge besteht darin, diese Menschen mit christlichen und zeitgemäßen Netzangeboten zu erreichen.