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Digitale Communities

Eine Pilotstudie zur Followerschaft von christlichen Influencer*innen auf Instagram

Unter dem Titel „Digitale Communities“ hat Daniel Hörsch von der Evangelischen Arbeitsstelle midi Ende Oktober 2022 eine Pilotstudie über die Follower:innen christlicher Content-Creator:innen auf Instagram vorgelegt. Bereits vor dem von der Corona-Pandemie ausgelösten Digitalboom hatte sich das soziale Netzwerk Instagram zu einem wichtigen Kanal für digitale Glaubens­kommunikation entwickelt; seit Beginn der Pandemie hat sich das offensichtlich noch deutlich verstärkt. Die Creator:innen nutzen dabei die ganze Breite der auf Instagram zur Verfügung stehenden Kommunikationsformen: Posts (Bildbeiträge mit Text), Stories (eine Abfolge von Bild- und kurzen Videobeiträgen, die standardmäßig nur für 24 Stunden sichtbar sind), Reels (ein in der Regel kurzes Videoformat) und Insta-Live (Livestream einer Einzelperson oder eines Gesprächs mit bis zu drei weiteren Teilnehmer:innen mit begleitendem Chat). Die Nutzer:innen können mit „Gefällt-mir“-Markierung, öffentlichem Kommentar oder persönlicher Nachricht reagieren sowie in Stories an Umfragen teilnehmen bzw. sich bei Lives im Chat beteiligen.

Instagram erreicht grundsätzlich eine relativ junge Zielgruppe: Im Jahr 2021/22 gaben in Deutschland 49 % der insgesamt Befragten an, Instagram zu nutzen, jedoch 78 % der 16- bis 19-Jährigen und 81 % der 20- bis 29-Jährigen (vgl. statista). Entsprechend ist mit dem Engagement auf Instagram im kirchlichen Kontext meist die Hoffnung verbunden, gerade auch mit Menschen dieser Altersgruppen in Kontakt zu kommen.

Unmittelbar vor der ersten Pandemie-Hochphase hatte im Februar 2020 das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) auf Anregung des Rates der EKD das Yeet-Netzwerk gestartet, das in den sozialen Medien engagierte (vorwiegend) evangelische Content-Creator:innen zusammenbringt und unterstützt und nach eigenen Angaben vor allem Nutzer:innen zwischen 14 und 35 ansprechen möchte. Zu den elf ersten Mitgliedern zählten neben Youtuber:innen und Podcaster:innen drei Instagram-Creator:innen. Derzeit (Dezember 2022) gehören dem Netzwerk gut 30 Creator:innen an, davon ein großer Teil hauptberuflich Pfarrer:innen; etwa die Hälfte konzentriert ihr Social-Media-Engagement auf Instagram.

Da bisher wenig darüber bekannt war, wer den in der Glaubenskommunikation aktiven Instagram-Profilen tatsächlich folgt und warum, war es das Anliegen der Studie, davon ein erstes Bild zu gewinnen, auch als Grundlage für weitere Untersuchungen. Für die Pilotstudie wurden im Juli 2022 Follower:innen von 13 exemplarisch ausgewählten Profilen in deren Posts und Stories um die Teilnahme an einer Online-Umfrage gebeten. Davon gehörten zum Zeitpunkt der Befragung acht Profile dem Yeet-Netzwerk an. Um eine größere Diversität an Angeboten abzubilden, wurden fünf weitere Profile eingeladen; darunter mit dem Angebot faithpwr des Bistums Limburg auch ein katholisches Projekt. Gut 3000 Follower:innen der teilnehmenden Profile haben den Fragebogen beantwortet.

Von den Nutzer:innen ergibt sich der Studie nach folgendes Bild: Rund 85 % der befragten Follower:innen sind weiblich; zusammen etwa 58,4 % gehören den (für kirchliche Verhältnisse jungen) Altersgruppen 20–29 und 30–39 Jahre an. In der Followerschaft finden sich also überwiegend Altersgruppen, die sonst wenig in kirchlichen Kontexten auftauchen und auch der vom Yeet-Netzwerk in den Blick genommenen Altersspanne weitgehend entsprechen. Die Absicht, jüngere Personen anzusprechen, wird also durchaus erreicht.

Bei den Fragen nach der kirchlichen Verortung und Anbindung der Follower:innen zeigt sich ein doppeltes Bild. Die Mehrheit der Follower:innen hat bereits Kirchen- und Gemeindebezug: Gut 85 % sind Mitglieder einer Kirche, 69 % haben aktuell Gemeindekontakt. Unter diesem Gesichtspunkt leisten die christlichen Profile Mitgliederpflege und ‑bindung. Andererseits gibt es aber entsprechend auch einen Anteil von Nutzer:innen, die keiner Kirche angehören und/​oder keinen Gemeindekontakt haben. Hier sieht die Studie missionarisches Potential, auch Menschen anzusprechen und zu erreichen, die sonst keinen oder wenig Kontakt zur Kirche haben.

Laut der Befragung fühlen sich 12,9 % der Teilnehmenden durch das Profil, dem sie folgen, einer Community zugehörig. Angesichts des Titels der Studie „Digitale Communities“ erscheint diese Zahl relativ gering; der Begriff der Community ist allerdings vieldeutig. Die direkte deutsche Übersetzung „Gemeinschaft“, die vielleicht das Verständnis vieler Befragter wiedergibt, legt eher eine relativ starke Verbundenheit nahe. Die Studie greift allerdings auf den in der Soziologie verwendeten und u. a. von Heidi A. Campbell für den religiösen bzw. christlichen Kontext eingeführten Begriff der „virtuellen Community“ zurück, der einem losen sozialen Netzwerk entspricht, in dem der Grad von Zugehörigkeit und Verbundenheit dynamisch und je nach den Bedürfnissen der Mitglieder variabel ist. Die Zugehörigkeit zu mehreren oder auch vielen solcher Communitys ist möglich. Sicher liegt in diesem Bereich noch ein interessantes Feld weiterer empirischer Forschung, wie Verbundenheit, Zugehörigkeit und Gemeinschaft von den Nutzer:innen verstanden und erlebt werden. Instagram ermöglicht die Kommunikation der Nutzer:innen untereinander in gewissem Umfang durch die Möglichkeit, zu kommentieren und auf die öffentlichen Kommentare anderer zu antworten; die Kommunikation untereinander hat aber in der Regel eher untergeordnete Bedeutung, so dass ein Bezug zu anderen Follower:innen nicht unbedingt entsteht.

Wenig überraschend ist, dass ein Großteil der Followerschaft der christlichen Content-Creator:innen klar als „religiös musikalisch“ einzustufen ist: Als etwas bzw. sehr spirituell/​religiös stufen sich insgesamt 90,8 % der Teilnehmer:innen ein. Für 69,8 % ist der Content wichtig für ihre persönliche Spiritualität (Summe aus den Antworten „etwas wichtig“/​„wichtig“/​„sehr wichtig“). Es gelingt den beteiligten Instagram-Profilen also offenbar, die Follower:innen in ihren spirituellen Bedürfnissen anzusprechen und zu unterstützen.

Bei der Motivation, einem bestimmten Profil zu folgen, sind persönliche Aspekte wie Authentizität oder sympathisches Auftreten der Influencer:innen einerseits und auf den Content bezogene Aspekte wie Interessantheit, Innovation und Aktualität andererseits mit 45,9 % bzw. 42,5 % ähnlich wichtig. Einen Mehrwert für ihren Alltag sehen 65,5 % der Follower:innen in Anregungen zum Weiterdenken, 58,9 % in Inspiration für den eigenen Glauben und 41,4 % in Ermutigung.

Viele der Teilnehmer:innen folgen mehreren christlichen Instagram-Profilen, sowohl unter den an der Studie beteiligten als auch weiteren; es gibt zwischen den Profilen offenbar einen hohen Vernetzungsgrad. Der Blick auf das entstehende Netzwerk von Netzwerken durch eine Netzwerkanalyse könnte aufschlussreich sein, z. B. wie Nutzer:innen ihre individuellen Bedürfnisse durch die Zusammenstellung verschiedener Profile zu erfüllen suchen.

Mit dieser Studie gibt es nun also erste grundlegende Erkenntnisse über die Nutzer:innen christlicher Profile auf Instagram, ihre Motivation und den Mehrwert, den sie in diesen Angeboten finden. Diese können als Basis für detailliertere Untersuchungen in der Zukunft dienen, liefern aber auch bereits in dieser Form Argumentationshilfen, die das kirchliche Engagement für die Pastoral im digitalen Raum stärken können, indem sie einige der Hoffnungen und Erwartungen, die kirchlicherseits an ein Engagement in den sozialen Medien geknüpft werden, bestätigen – den Kontakt mit einer eher jungen Zielgruppe, die Funktion sowohl der Mitgliederbindung als auch einer Verbindung mit Interessierten außerhalb der Kirchen, die Bedeutung für das spirituelle Leben der Nutzer:innen. Auf zukünftige weitere Erkenntnisse darf man gespannt sein.

Die gesamte Studie, die auch praktisch-theologische Einordnungen enthält, kann kostenlos als PDF heruntergeladen werden.