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Synodalität in der katholischen Kirche

Die Studie der Internationalen Theologischen Kommission im Diskurs

Die traditionsreiche Reihe „Quaestiones disputatae“ will zwar „Themen […] reflektieren, die an der Zeit sind“. Doch wohl nur selten erscheint ein Band so punktgenau, wenn ein Thema weltkirchlich in den Fokus gerät, wie es bei „Synodalität“ der Fall ist. Wenn trotzdem die meisten Beiträge nicht auf die anstehende Weltbischofssynode verweisen, mag das daran liegen, dass viele noch vor deren offizieller Ankündigung abgeschlossen wurden. Dennoch ist der Band von hoher Aktualität dafür, und das nicht nur, weil er sich als eine Art Kommentierung einer Studie der Internationalen Theologischen Kommission von 2015 zu Synodalität versteht – einer Studie, die eine gewisse Basis für die nächste Weltbischofssynode bildet.

Zugleich hat der Band starke Bezüge – offener oder verdeckter – zum Synodalen Weg in der katholischen Kirche in Deutschland. Denn die kontroversen Positionen zu einigen Knackpunkten des Synodalen Wegs (und vielleicht auch der kommenden Weltbischofssynode?) zeichnen sich in den Beiträgen deutlich ab: Was unterscheidet kirchliche synodale Prozesse von Demokratie? Wer wird wie nicht nur an Beratungen, sondern auch an Entscheidungen beteiligt? Welche Rolle spielen Hierarchie und Amt in einer synodalen Kirche etc.?

Das Dokument „Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche“ der Internationalen Theologischen Kommission von 2018, das zum Ende des Bandes abgedruckt ist, denkt hier deutlich konservativ, wie es auch Julia Knop in ihrem Beitrag darstellt: „Synodalität wird hier nicht als Korrektiv, sondern zur Bekräftigung geltender römisch-katholischer Ekklesiologie herangezogen“ (168). Nur ganz vereinzelt werden Vorschläge zu strukturellen Veränderungen gemacht, auch wenn sich das Dokument insgesamt – in Anschluss an die von Papst Franziskus vorgegebene Linie – für ein stärkeres allgemeines synodales Bewusstsein in der Kirche stark macht. Das wird aber zurückgebunden an ein Bild von Kirche, in dem die Hierarchie und die Amtsautorität der Bischöfe und des Papstes und damit die Grenzen für die Partizipation aller Glaubenden auffallend betont werden. Auch der relativ umfangreiche biblisch-historische Durchgang in Kapitel 1 kann das nicht irritieren, da er doch recht glatte Entwicklungslinien zeichnet.

 

Hier bietet der vorliegende Sammelband Vertiefung, Differenzierung, wichtige Einsichten und teilweise auch wesentlich kritischere Bewertung. Das zeigt sich bereits bei den beiden bibeltheologischen Beiträgen:

Katharina Pyschny spürt der synodalen Dimension im alttestamentlichen Gottesvolk nach. Führung – etwa durch Mose – geschieht nicht absolut, sondern in einem Gegenüber zum Volk. Beratung und Konsultation haben nicht nur in der Weisheitsliteratur, sondern auch bei den Propheten und anderswo einen hohen Stellenwert. Und schließlich lässt sich auch der Kanon der biblischen Schriften insgesamt, der unterschiedliche Meinungen und Positionen diskursiv vereint, als synodales Gespräch fassen.

Trotzdem war und ist das Neue Testament wohl wirkmächtiger für Synodalität in Kirche. Thomas Söding geht ausführlich auf die Gemeinderegel in Mt 18, die Apostelgeschichte und die Paulusbriefe ein. Was etwa die Apostelgeschichte betrifft, so arbeitet er heraus, wie dort durchgängig die ganze Gemeinde bei Beratungen und Entscheidungen beteiligt ist. Für ihn „zeigt sich, dass die katholische Theorie und Praxis von Synoden […] die neutestamentlich schlechterdings essentielle Einbindung der Apostel und ihrer Schüler in das Leben der Kirche unterbestimmt [hat]. Sie hat Synodalität zu eng als episkopale Kollegialität konzipiert“ (91).

 

Drei weitere Beiträge sind historisch orientiert:

Andreas Weckwerth gibt einen Einblick in die zahlreichen Synoden der Spätantike und geht speziell auch der Frage nach, inwieweit Laien an ihnen beteiligt waren (zumindest bei den Entscheidungen nicht in gleichberechtigter Weise).

Die Wandelbarkeit synodaler Formen erkennt man gut, wenn gleich anschließend Joachim Schmiedl die Konzilien des Hoch- und Spätmittelalters durchgeht, an denen nicht nur Bischöfe, sondern auch Äbte, Kanoniker und Vertreter von Fürsten und Ständen beteiligt waren. „Insgesamt jedoch waren die mittelalterlichen Konzilien wichtige Meilensteine auf dem Weg zu einer Klärung und Festigung des päpstlichen Primats“ (133).

Stephan Knops schließlich stellt die Würzburger Synode vor, bei der neben Klerikern, die die Mehrheit ausmachten, auch Lai:innen breit und mit gleichem Stimmrecht vertreten waren. „Die grundsätzlich positive Diskussionskultur aus Würzburg darf als wegweisend gelten. Dahinter sollte man auch in Zukunft nicht mehr zurückfallen“ (151).

 

Die Aufsätze, die das Vorwort unter „systematische Theologie“ einsortiert (9), sind sehr unterschiedlich:

Der bereits erwähnte Beitrag von Julia Knop stellt die Studie der Internationalen Theologischen Kommission mit kritischem Blick vor und arbeitet deren spezifische Deutung von Synodalität „nach römisch-katholischer Façon“ (153) heraus. Knop erkennt darin zwar „ein ekklesiologisch bedeutsames Statement […]: Kirche, auch die römisch-katholische, soll demnach nicht anders als synodal verstanden und gestaltet werden. Das war längst nicht immer katholischer Konsens. Andererseits gibt man“ mit dem ekklesiologischen Vorverständnis der Kommission „gerade das kritische Potenzial preis, das eine kirchliche, nicht zuletzt eine ökumenische Verständigung über Synodalität und darüber, was sie im 21. Jahrhundert bedeuten könne und wie sie zu gestalten sei, entfalten könnte“ (168).

Wie gerade ein früheres Verständnis des Verhältnisses von Klerus und Lai:innen, das bis heute nachwirkt, den synodalen Charakter von Kirche begrenzt, zeigt Johanna Rahner auf: Wer wie das I. Vatikanum streng zwischen Ecclesia docens (lehrende Kirche) und Ecclesia discens (hörende Kirche) unterscheidet, kann den Lai:innen keinen eigenständigen Glaubenssinn und damit auch keine wirkliche synodale Mitwirkung zugestehen. Und selbst im Gefolge des II. Vatikanums und dessen Neuaufbrüchen „scheinen zwei nicht zu harmonisierende Positionen sich gegenseitig zu blockieren, von denen nur eine aufgrund des juridischen Beharrungsvermögens der von ihr besetzten ekklesiologischen Positionen bisher explizit rechtlich wirksam geworden ist“ (184 f.). (Johanna) Rahner sieht dagegen mit (Karl) Rahner in der Kirche durchaus die Möglichkeit demokratischer Strukturen und gemeinsamer Abstimmungen von Bischöfen und Lai:innen.

Eigentümlich dagegen der Beitrag von Karl-Heinz Menke: Er geht von einem Buch von Hans Küng von 1962 aus, das Kirche ekklesiologisch als Konzil fasst, und stellt dem die eigene Kritik sowie die Studie der Internationalen Theologischen Kommission gegenüber. Der Aufsatz ist also kein kritischer Blick auf die Studie, sondern umgekehrt eine gewissermaßen über Bande gespielte Kritik an Forderungen, die päpstlich-bischöfliche Alleinentscheidungsvollmacht einzuhegen.

Kurt Kardinal Koch hingegen behandelt die Frage, wie die Entfaltung von Synodalität in der katholischen Kirche die Ökumene voranbringen kann. Dabei konzentriert er sich freilich auf die Orthodoxie. Gerade eine bessere Einordnung des päpstlichen Primats in die Synodalität der Kirche könne hier Brücken bauen. Verbunden ist das mit einer umfangreichen Darlegung seiner eigenen Sicht auf Synodalität in der katholischen Kirche, die sich auf konventionellen Pfaden bewegt.

 

Bei den Aufsätzen aus dem Bereich der praktischen Theologie dominiert das Kirchenrecht:

Markus Graulich zeichnet die Genese und Weiterentwicklung der Bischofssynode, einer Frucht des II. Vatikanums, nach, und stellt die rechtlichen Vorgaben und Abläufe vor. Gerade unter Papst Franziskus sind neue Elemente und Verfahrensweisen hinzugekommen, die das partizipative und synodale Element stärken, insbesondere durch den Konsultationsprozess im Vorfeld der eigentlichen Versammlung.

Sabine Demel richtet den Blick dagegen auf Gremien auf Diözesanebene (u. a. Diözesanpastoralrat, Priesterrat, Diözesanvermögensverwaltungsrat) und fragt, ob hier jeweils Synodalität als gemeinsame Verantwortung und Leitung auf Augenhöhe mit dem Bischof durch die rechtlichen Vorgaben gewährleistet wird. Ihr Fazit: In den meisten Fällen haben diese Gremien nur beratende Funktion, dürfen aber nicht mitentscheiden. Rechtliche Eigenständigkeit hat am ehesten noch der Diözesanrat, der freilich ein vereinsrechtliches Gremium des Laienapostolats ist. Demel schließt mit Vorschlägen zu rechtlichen Verbesserungen und dem Vorschlag der freiwilligen Selbstbindung des Bischofs.

Sebastian Kießig wiederum fokussiert auf die Bischofssynode auf weltkirchlicher Ebene und die Bedeutung von „Empirie“ dafür; wobei dieser Sprachgebrauch irritieren kann, hebt Kießig mit „Empirie“ doch nicht nur auf wissenschaftliche empirische Forschung ab, sondern fragt allgemeiner nach der Rolle von Erfahrungen, die für die Bischofssynoden gesammelt und in diese eingespeist werden. Auch wenn damit der „Blickwinkel von Menschen in den Diskurs von Kirche und Theologie“ eingebracht werden kann, „die über keine eigene wahrnehmbare Stimme innerhalb eines synodalen oder akademischen Diskurses verfügen“ (312), warnt Kießig auch, „dass empirische Kenntnisse nicht mit einer Quasi-Normativität ausgestattet sein dürfen, welche die normative Valenz theologischer Inhalte verdräng[t]“ (311 f.).

 

„Das synodale Moment zu stärken, ist eine Zukunftsaufgabe, die in der Kirche gelöst werden muss, wenn Glaube und Freiheit, Engagement und Teilhabe, Vielfalt und Einheit zusammenkommen sollen“ (42). Das erfordert aber auch die kritische Überprüfung immer wieder gebrachter Einwände gegen mehr Synodalität, Partizipation und Mitbestimmung in der Kirche – man lese dazu nur die grandiose Zusammen- und gleichzeitig Infragestellung von Thomas Söding (43–45). Das bloße Wiederholen alter Argumente macht diese nicht stichhaltiger, sondern ist womöglich irgendwann nur noch peinlich, wenn diese nicht auch in unserer Zeit zu überzeugen vermögen. Wichtige Arbeit für eine synodale Kirche, die anderswo versäumt und verweigert wird, leistet deshalb der Synodale Weg. Das ist für die Weltbischofssynode auch zu hoffen. Der vorliegende Band bietet dazu wichtige Überlegungen, die freilich nur eine Auswahl an Aspekten beleuchten können. Dabei changieren die Beiträge zwischen Welt- und Ortskirche, zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Bewahrung und Aufbruch und spiegeln damit wider, wie vielfältig und kontrovers die gegenwärtigen Diskussionen sind.

 

Martin Hochholzer