Geht es auch ohne Gott?
Fachtag zum Umgang mit neuem Atheismus
In der Auseinandersetzung mit dem bekenntnishaften Atheismus gilt es, auf verschiedenen Ebenen zu agieren. Das wurde bei einem Tag zum Thema „Glaubenszeugnis und neuer Atheismus“ am 17. September im Magdeburger Roncalli-Haus deutlich. Zu dem Fachtag hatte die im thüringischen Erfurt ansässige Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) der Deutschen Bischöfe besonders Haupt- und Nebenamtliche in der Seelsorge eingeladen. Nach Angaben der Veranstalter sollte es bei dem Tag „nicht um die Otto-Normal-Konfessionslosen und indifferenten Mitmenschen“, sondern vor allem um den bekenntnishaften Atheismus, seine Organisationen und „popularisierte Formen von Religionskritik“ gehen. 25 Interessierte aus dem Bistum Magdeburg, aber auch den Diözesen Dresden-Meißen und Erfurt waren gekommen.
Verschiedene Ebenen der Auseinandersetzung
Nach Darstellung von Dr. Martin Hochholzer von KAMP handelt es sich um drei Ebenen, die es in der Auseinandersetzung zu berücksichtigen gilt. Auf der Sachebene müssten auf informative, niedrigschwellige und zeitgemäße Weise falsche Tatsachenbehauptungen zurückgewiesen sowie einfache Denkfehler und einseitige Sichtweisen aufgedeckt werden. Zugleich gelte es, mit Fehlern und Problemen im Blick auf das eigene Glaubensumfeld – zum Beispiel dem Thema Missbrauch in der Kirche – offen umzugehen, so Hochholzer.
Auf einer weiteren, der Überzeugungsebene sollte man sich im Klaren sein, dass es angesichts der verschiedenen „geschlossenen Weltstrukturen“ (bestimmte Weisen, in der Erfahrung und Denken geformt sind und zusammenhängen – Charles Taylor) „schwierig ist, sich mit den eigenen Denkstrukturen auf die Denkstrukturen des anderen einzulassen“.
Hinsichtlich der Vertrauensebene muss man sich auf eine große „Institutionenskepsis, Misstrauen gegenüber (religiösen) Autoritäten, Vorbehalten gegenüber konservativen Werthaltungen und negativen Erfahrungen mit Kirche/Religion“ einstellen, so Hochholzer weiter. Angesichts der Tatsache, dass Kirche schon allein rein zahlenmäßig immer seltener präsent sei und schon deshalb wenig durch überzeugende Christen repräsentiert werde, stehe „die Frage im Raum, wie mittelfristig wieder Vertrauen in sie entstehen kann“. Generell hilfreich im Dialog mit Andersdenkenden sei es zum Beispiel, „auf verschiedensten Feldern präsent“ zu sein, mit überzeugenden „Persönlichkeiten Sympathie und Vertrauen zu gewinnen“ und „für eine gute Diskussionskultur einzutreten“.
Zu Beginn der Tagung war Martin Hochholzer zunächst auf Erscheinungsweisen des heutigen, „neuen“ Atheismus eingegangen und hatte dabei unter anderem an Richard Dawkins und sein 2006/07 erschienenes Buch „Der Gotteswahn“ als Beispiel eines „neuen Atheismus“ erinnert. Der Referent stellte kurz atheistische Organisationen in Deutschland und deren Aktivitäten vor. Dazu gehört die im Westen Deutschlands 2004 gegründete Giordano-Bruno-Stiftung, die sich selbst als „Denkfabrik für Humanismus und Aufklärung“ versteht und eigenen Angaben zufolge 5000 Fördermitglieder hat. Die Giordano-Bruno-Stiftung komme mal durchaus seriös, mal populär daher und verstehe es mit Frontmann Michael Schmidt-Salomon, gediegen oder auch provokant polemisch Aufmerksamkeit zu erregen, so Hochholzer. Zu den atheistischen Organisationen gehöre aber auch der unter anderem besonders in Berlin und Brandenburg vertretene, 1993 entstandene Humanistische Verband mit seinen Aktivitäten nicht zuletzt auf dem Feld von Jugendweihe und organisierter Jugendarbeit. Der humanistische Lebenskundeunterricht in Berlin werde von 56 000 Schülern besucht. Der Humanistische Pressedienst leiste eine aktive Öffentlichkeitsarbeit. Weitere Organisationen seien zum Beispiel der Zentralrat der Ex-Muslime, der Alibri Verlag oder verschiedene Laizisten-Gruppierungen etwa von Parteien.
Hochholzer sieht eine zunehmende Vernetzung der vielfältigen Atheismus-Szene, die durchaus medien- und öffentlichkeitswirksam auftritt und nicht allein ein Ausfluss des DDR-Säkularismus sei. Vielfach werde an allgemeine Vorbehalte gegenüber Kirche und Religion angeknüpft und es würden naturalistische/szientistische (stark naturwissenschaftsgläubige) Denkmuster aufgegriffen.
Im Gespräch der Tagungs-Teilnehmer wurde deutlich, wie vielschichtig sich Atheismus und Nichtglaube zeigen können und dass argumentativ kämpferischer Atheismus im gewöhnlichen Alltag eher weniger begegnet, wohl aber eine Menge Religions- und Kirchenkritik. Im Dialog komme es darauf an, unvoreingenommen auf den nicht glaubenden Gesprächspartner zuzugehen jenseits aller christlich geprägten Grundvorstellungen wie etwa: Jeder Mensch sei doch religiös.
Unterschiede im Umgang mit Nicht-Glaubenden
Aus den alten Bundesländern stammende Tagungsteilnehmer stellten Ost-West-Unterschiede im Umgang mit nicht glaubenden Menschen fest: Christen, die im Osten Deutschlands sozialisiert seien, würden unbefangener mit der Wirklichkeit umgehen, dass Menschen nicht an Gott glauben, betonte eine Teilnehmerin. Zudem hieß es: Nichtglaubende Menschen seien unter Umständen durchaus gute Gesprächspartner, weil sie wichtige Fragen stellen.
Teilnehmer verwiesen auch darauf, dass es zu verdeutlichen gilt, dass der Glaube an eine persönliche gute Zukunft jenseits des Todes positive Rückwirkungen auf das Engagement im Diesseits haben kann und hat.
Dr. Hubertus Schönemann, Leiter der KAMP, zeigte an einem Abschnitt aus Gaudium et spes (GS 21), wie der Atheismus auf die Lebenspraxis der Kirche zurückwirkt und bereits das Konzil den Dialog mit Menschen, die nicht an Gott glauben, als Chance für den christlichen Glauben eingeschätzt hat. Die Konzilsväter ermutigen dazu, die Gründe der Leugnung Gottes ernst und tiefgehend zu prüfen, gemeinsam mit allen Menschen guten Willens die Welt zu gestalten und die Nicht-Glaubenden dazu einzuladen, das Evangelium „mit offenem Herzen zu betrachten“.
Ähnliche Impulse wies der Referent zum Beispiel in Enzykliken von Benedikt XVI. und Franziskus nach. Mit dem Prager Theologen und Philosophen Tomás Halík erinnerte Schönemann daran: Wir haben Gott nicht als Besitz, auch wir Glaubenden sind immer wieder Suchende und Entdeckende, dürfen Fragen stellen.
Bei der Begegnung mit Atheisten gehe es „nicht darum, sich mit Argumenten zu bekriegen, sondern sich gegenseitig Erfahrungen des Lebens mit oder ohne Gott mitzuteilen und sich dem Dialog der unterschiedlichen Sichten zu stellen“. Überzeugte Atheisten, so Schönemann, zeigen: „Es geht auch ohne die Hypothese ,Gott‘.“ Als Christ sollte man durchaus bereit sein, „sich hinterfragen zu lassen, um sich neu im Glauben beschenkt zu erleben“.
Eckhard Pohl
Mit freundlicher Genehmigung der Kirchenzeitung Tag des Herrn, www.tag-des-herrn.de. Alle Rechte vorbehalten.
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Teilnehmer des Fachtages diskutieren mit dem Leiter der Arbeitsstelle für missionarische Pastoral, Hubertus Schönemann (2.v.l.), über ihre Erfahrungen im Umgang mit Nicht-Glaubenden. Foto: Eckhard Pohl.