Loslassen, durchatmen, ausprobieren
Die Zukunft der Kirche beginnt nicht nur im Kopf
Das Sprechen über den Glauben zwischen Zweifel und Zuversicht, aber auch ganz alltägliche Situationen wie die Herausforderungen als berufstätige Mutter teilt Theresa Brückner, Digitalpfarrerin und Influencerin, auf Instagram & Co. mit ihren Followern fast täglich. Nun hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie einleitend die nicht ganz neue, aber immer wieder aktuelle Frage aufwirft, ob die Kirche eine Zukunft habe. Dieser Frage geht sie basierend auf destruktiven Sätzen, die sie seit langem verfolgen, nach und entwirft zu jedem Kapitel eine Überschrift, in die das Wort „Mut“ zu konstruktiven Visionen von Kirche verflochten ist.
Insgesamt werden anhand von sieben Kapiteln Themen eruiert, die sich um den Titel des Buchs zentrieren. Das Auftaktkapitel nimmt einen intergenerationalen Ansatz in den Blick. Brückner plädiert für eine Kirche, die offen ist für Veränderungen, die gerade durch die junge Generation geprägt werden. Damit meint Brückner nicht – wie in Kirchengemeinden häufig üblich – alle Menschen unter 50, sondern Jugendliche. Man solle den nachfolgenden Generationen durchaus etwas zutrauen, auch wenn das radikale Lösungen zur Folge habe, wie z. B. die Streichung von – aus jugendlicher Perspektive – nicht relevanten Gottesdienst-Bestandteilen. Brückner betont die der Kirche immanente Bereitschaft zur Veränderung, wenn sie sagt: „Aber auch wenn sich die Kirche verändert – so wie sie es schon immer gemacht hat –, bleibt Gott da“ (20).
Vom Mut loszulassen handelt das zweite Kapitel. Mit Blick auf die Austrittszahlen, wie sie uns die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU 6) aufgezeigt hat, ermutigt Theresa Brückner dazu, diese Abschiede anzunehmen und gleichzeitig Übergänge zu begleiten (vgl. 33), bewusst wirtschaftlicher zu denken und genau zu analysieren, wer die Zielgruppe ist und was Kirche realistisch leisten kann. Hierzu schlägt sie die NABC-Methode aus dem Design Thinking vor, die sich an Bedarfen (Needs), einem Ansatz (Approach), dem Nutzen (Benefit) und Wettbewerb (Competition) orientiert.
Theresa Brückner prangert den Überlastungsstolz (Kapitel 3) an, den Mitarbeitende der Kirchen häufig kultivieren bzw. der durch die Institution häufig gefördert wird. Burn-out-Prävention als Teil des Arbeitsschutzes müsse vorangetrieben werden, denn – so schließt sie – „die vielen 60-, 70- und 80-Stunden Wochen […] haben unsere Kirchen doch auch nicht vor dem aktuellen Zustand bewahrt. Warum also sollten wir so weitermachen?“ (65).
Ästhetische Vielfalt in Social Media oder in der Gestaltung von Gemeinderäumen diene einer Kultur, die Menschen willkommen heißt, statt sie kleinzuhalten (Kapitel 4). Die folgenden zwei Kapitel spiegeln diese Haltung wider, wenn die Autorin vom Feminismus in der Kirche spricht und darauf die Themen Grenzverletzung und sexualisierte Gewalt aufbaut. Die in der Kirche zunehmende (vgl. Autoritarismus-Studie der Heinrich-Böll-Stiftung) und fast schon als Normalität wahrgenommene Diskriminierung erfordere eine Frauenquote, denn Machtpositionen werden auch in der evangelischen Kirche tendenziell von Männern besetzt.
Die Autorin rundet ihre Ausführungen mit dem Thema „Digitale Kirche“ ab und betont einmal mehr die Notwendigkeit, dass sich die Kirche ihrem Auftrag nicht entziehen darf und die Realität, die sich ihr darstellt, ernst nimmt und darauf reagiert. Dazu gehört ihrer Meinung nach auch das Storytelling via Instagram, das in vermeintlich oberflächlichen Posts daherkommt, aber eine Message beinhaltet, nämlich die Kommunikation des Evangeliums als Priestertum aller Gläubigen. Die Kirche darf sich der Chance, eine ernstzunehmende Gesprächspartnerin zu sein, nicht verwehren, denn „Jesus hätte heute ganz sicher einen Instagram-Account“ (Interview mit der Autorin am 26.3.24 auf SWR1).
Jasmin Hack