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Dienen statt Herrschen

Neutestamentliche Grundlegung der Ämter in der Kirche

Auch die jüngste Weltbischofssynode hat gezeigt, dass das kirchliche Amtsverständnis neu durchdacht und auch neu gefasst werden muss; dies betrifft nicht nur einzelne Ämter (Stichwort Frauendiakonat), sondern mehr noch die Einfassung des Amtes in eine synodale Grundstruktur von Kirche.

Der emeritierte Tübinger katholische Neutestamentler Michael Theobald bietet dazu eine Tour d’Horizon zur „Grundlegung der Ämter in der Kirche“, wie sie sich aus dem Neuen Testament entnehmen lässt. Das Buch basiert auf Vorträgen und bereits anderswo veröffentlichten Beiträgen, die überarbeitet und durch ein Einleitungs- und ein Schlusskapitel ergänzt wurden. Beeindruckend ist, wie so nicht eine lose Aneinanderreihung einzelner Beiträge entstanden ist, sondern sich alles zu einem Ganzen verbindet, das kaum Redundanzen aufweist.

Das liegt vielleicht auch an der Fülle der Aspekte, die Theobald in den Blick nimmt, und die dennoch sicherlich nicht alles umfassen, was das Neue Testament zum Thema Amt zu sagen hat (z. B. gibt es keinen eigenen Abschnitt zum Thema Diakonat). Auch so ist der Band inhaltlich prall gefüllt – bleibt aber gut lesbar; zumindest, wenn man die zahlreichen Fußnoten übergeht, die nicht nur Literaturangaben enthalten, sondern auch auf viele Details, Forschungsdiskussionen etc. verweisen und wichtige Nebendiskurse beherbergen. Auch das über 30 Seiten umfassende Literaturverzeichnis beweist, wie intensiv Theobald die neuere (und teilweise auch schon etwas ältere) Forschung rezipiert.

Manches streift er dabei eher nur, aber einige Texte, die für ihn offenbar zentral sind für ein neutestamentlich fundiertes Amtsverständnis, analysiert er auch ausführlich. Hermeneutisch ist wichtig: Für ihn zählen nicht nur der „historische Jesus“ oder die echten Paulinen, sondern er würdigt auch spätere Schriften (etwa die Pastoralbriefe) in ihrem Kontext. Er erkennt die Legitimität von Weiterentwicklungen, die sich bereits in den verschiedenen Positionen der neutestamentlichen Schriften widerspiegeln, an. Zugleich ergibt sich daraus für ihn aber auch die (Zeit-)​Bedingtheit der konkreten Ausgestaltung des Amtes in der Kirche.

Theobald arbeitet heraus, wie das Amt in der Kirche nicht nur rein funktional eine bleibende Rolle in der Kirche hat. Besonders wichtig ist ihm dabei Eph 4: Die Ämter hätten ihren Ursprung nicht beim irdischen Jesus, sondern seien Gabe des erhöhten Christus zum Wachsen und Gedeihen seiner Kirche.

Herkömmliche katholische Ursprungserzählungen bricht Theobald auch hinsichtlich des Petrusamtes auf, indem er das Wort Jesu an Petrus in Mt 16 mit analogen Aussagen in Mt 18, die aber an die ganze Gemeinde gerichtet sind, und dem alternativen Petrusverständnis in Joh 21 konfrontiert. Er sieht weder ein gesamtkirchliches Leitungsamt noch eine apostolische Sukzession biblisch angelegt, erkennt aber durchaus die Möglichkeit, mit einem Dienst an der Einheit der Kirche an das Neue Testament anzuknüpfen.

Andere Abschnitte des Buches befassen sich u. a. mit der ur- und frühchristlichen Entwicklung der Ämter, der paulinischen Charismenlehre und dem neutestamentlichen Verständnis von Christusrepräsentation, aber auch mit der Sazerdotalisierung von Ämtern sowie der Rolle von Frauen in der Kirche. Die exegetischen/​bibelwissenschaftlichen Ausführungen stehen also vor dem Hintergrund heute oft heiß diskutierter Fragen.

Insgesamt legt Theobald hier mit viel Erfahrung und großem Überblick einen wertvollen Beitrag vor, der grundlegende Informationen und Impulse zu einer Erneuerung des katholischen Amtsverständnisses liefert, die sich am heutigen (insb. neutestamentlichen) Forschungsstand orientiert und auch Impulse aus ökumenischen Gesprächen aufnimmt. Er gibt keine fertigen Antworten, positioniert sich aber durchaus an vielen Stellen und legt den Finger in die Wunde, wo eine traditionell-katholische Darstellung des kirchlichen Amtes unterkomplex und teilweise exegetisch einfach nicht zu halten ist.

Martin Hochholzer