Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
haben Sie sich jemals die Frage gestellt oder gar mit einem Hauch von Verärgerung darüber nachgedacht, aus welchen komplexen algorithmischen Mechanismen und datengetriebenen Entscheidungsprozessen es resultiert, dass Plattformen wie Netflix und Co. Ihnen gezielt bestimmte Serien oder Filme zur Verfügung stellen? Haben Sie bereits nach dem Genuss fesselnder Science-Fiction-Serien eine tief verwurzelte Furcht verspürt, in dystopische Realitäten zu geraten, in denen Künstliche Intelligenz sich von den menschlichen Imperativen emanzipiert hat und in der Folge die katastrophale Auslöschung der Menschheit zur unausweichlichen Konsequenz wird?
Die Massenanwendung von Künstlicher Intelligenz birgt sowohl vielversprechende Chancen als auch beunruhigende Risiken. In der Medizin erleben wir derzeit bahnbrechende Fortschritte, die sowohl die Diagnostik als auch die Behandlung von Krankheiten revolutionieren und die Qualität der Gesundheitsversorgung erheblich verbessern. Dennoch sollte die generative KI keinesfalls als universelle Lösung glorifiziert werden.
Die Diskussion über den militärischen Einsatz von KI, insbesondere in Bezug auf die Erkennung feindlicher Aktivitäten und die Nutzung autonomer Waffensysteme, bekannt als Lethal Autonomous Weapon Systems (LAWS), ist von intensiver Kritik begleitet. Hier ist eine fundierte Technikfolgenabschätzung unerlässlich, um eine verantwortungsvolle und zukunftsfähige Anwendung von KI zu gewährleisten.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Implementierung von KI in unser gesellschaftliches Leben betrifft ihren Einfluss auf demokratische Prozesse. In einem post-faktischen Zeitalter sind Wahlen nicht nur anfällig für Manipulationen durch Deep Fakes, sondern auch durch KI-gestützte Sprachmodelle, die linksliberale oder rechtsautoritäre Verzerrungen erzeugen und somit politische Polarisierungen verstärken können.
Doch wo findet sich KI in der pastoralen Praxis? In der Regel werden Sie in Ihrem pastoralen Alltag weniger mit autonomen Waffensystemen oder chirurgischer Robotik konfrontiert. Aber möglicherweise sind Ihnen Begriffe wie ChatGPT, Bard oder Claude bereits vertraut und Sie haben solche Anwendungen längst in Ihren Arbeitsalltag integriert. Vielleicht sind Sie auch neugierig, wie generative KI in der Pastoral weiter genutzt werden kann und ob sie in der Lage ist, zu denken oder gar eine Seele zu besitzen.
Auch angesichts der Interessen großer Technologieunternehmen ist ein intensiver Diskurs um ethische, aber auch praktische Fragen geboten – auch in der Kirche. Dazu will der Schwerpunkt dieser Ausgabe von euangel einen Beitrag leisten. Wir wünschen eine spannende Lektüre!
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