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SINNSTIFTER_ORTE

Ein Projekt der Tourismusseelsorge im Erzbistum München und Freising in Kooperation mit örtlichen Tourismusinstitutionen

Es scheint, als würde sich die Welt immer schneller drehen: immer mehr Innovation in immer kürzerer Zeit, immer schnellere Kommunikation, immer mehr Anforderung an die Menschen. Kein Wunder, dass sich die Menschen gerade im Urlaub nach einer Auszeit von all der Hektik und dem Stress sehnen. Ruhe und Stille, Gemeinschaft, Sinnsuche und Naturerfahrung sind die neuen Trends. Das Erzbistum München und Freising hat diesen Trend erkannt: Seit einiger Zeit engagiert sich der Fachbereich Tourismus und Sport in der Zusammenarbeit mit touristischen Partnern und will diese Vernetzung noch weiter ausbauen.

Gleichzeitig stehen viele Pfarrgemeinden und Klöster vor der Herausforderung, zukunftsfähig zu bleiben bzw. zu werden, wenn gesellschaftliche Veränderungen sich auch auf ihren Bereich auswirken. Um daher der aktuellen Entwicklung pastoraler Räume Rechnung zu tragen, so z. B. auf die Erweiterung von Seelsorgeeinheiten und den Rückgang personeller Ressourcen (v. a. in der Seelsorge) zu reagieren, entstand das Projekt der SINNSTIFTER_ORTE.

Der Schlüssel einer verbindlichen Zusammenarbeit

Der Bedarf einer vertieften Kooperation von Tourismus und Kirche begründet sich zweifach:

Zum einen wird der Sommerurlaub immer öfter dazu genutzt, auf der Suche nach Sinn des eigenen Daseins neue Wege zu eröffnen. Hier zeigt sich die große Chance für Freizeitprofis, alternative Angebote zu entwickeln, die den Urlaubsgästen Hoffnung für einen Neustart und für ihre Zukunft geben. Authentische und sinnstiftende Freizeitangebote bieten die Chance, sich durch eine eigenständige Positionierung vom Umfeld weiterer Anbieter durchzusetzen. Wenngleich Glück, Gesundheit und Zufriedenheit vordergründig das Ziel aktueller Sinnsuche sind, so gehört auch die Suche nach Gemeinschaft wesentlich dazu. Persönlichkeitsbildung, Krisenbewältigung und Gemeinschaftsdienst bilden zentrale Motive für die Sinnfindung.

Das ist die Stunde der Kirche: Hier kann sie ihr großes Potential entfalten und – im Sinne des Projekts SINNSTIFTER_ORTE – attraktive Möglichkeiten bieten, um auf diese Nachfrage zu reagieren.

Zum anderen ruft Kardinal Reinhard Marx die Kirche proaktiv dazu auf, miteinander den Weg der Erneuerung zu gehen (Hirtenbrief von Kardinal Reinhard Marx zum Beginn der österlichen Bußzeit 2019) und dabei das eigene Handeln auch als „geistlichen Weg“ zu verstehen. Eine zukunftsfähige Tourismuspastoral sollte daher im Blick haben, dass es nicht nur um strukturelle Innovation geht, sondern gerade um die Wertschätzung der vielen Wege, auf denen Gott den Menschen begegnet. Diese erfordert jedoch eine Öffnung gegenüber der Vielfalt spiritueller Erfahrungen und hin zu einer Wahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen und veränderter Lebens- und Freizeitgestaltung.

Diese Grundlegung deckt sich auch mit den Leitlinien für das pastorale Handeln im Erzbistum München und Freising, die in der Gestaltung des Konzepts wesentlich berücksichtigt wurden. Da sich das Erzbistum in seiner künftigen Ausrichtung als zu allen Menschen gesandt versteht – und nicht nur zu Mitgliedern der katholischen Kirche –, wäre eine Investition und Öffnung im Bereich Tourismus und Freizeit genau der richtige Weg: In existentiellen Situationen ansprechbar zu sein, multiprofessionell zusammenzuarbeiten und das eigene Handeln dienstleistungsorientiert zu verstehen, sind die richtigen Weichen, um in der Gesellschaft zukunftsfähig und authentisch wahrgenommen zu werden.

Angebote schaffen – Räume entwickeln

Die Kirche bietet ideale Reiseziele und Verortungsmöglichkeiten für einen Erholungsurlaub mit Langzeitwirkung: sich in der Natur zu entspannen, sich eine Pause zu gönnen und im kirchlichen Kontext mit persönlichen Fragen nach dem Sinn des Lebens und des Glaubens in Berührung zu kommen.

Unser Erzbistum kann hier mit vielen Orten und Gebäuden aufwarten, um dies zu erleben: Auszeiten im Kloster, kulturelle Angebote, Pilgerwege, Wochenendfreizeiten oder spirituelle Angebote in den Bergen, aber auch in Pfarreien.

Konkret könnte dies bedeuten:

  • Übernachtungsmöglichkeiten mit spirituellem Mehrwert: Nur wer gut schläft, findet auch innere Ruhe. Es gilt – in Zusammenarbeit mit dem Tourismus – hierfür einen passenden Rahmen zu schaffen.
  • Momente der Stille: In der ursprünglichen Umgebung eines Klosters oder in der Natur kann man sich nachhaltig erholen und Tiefgang erleben. Ob im Chiemgau (Kloster Maria Eck) oder am Inn (Kloster Gars) – hier werden Gäste eins mit der Natur und erleben einmalige Momente der Stille.
  • Spirituelle Auszeit: Auf verschiedenen Pilgerwegen werden unberührte Natur sowie malerische Aussichtsplätze zum Innehalten zum unvergesslichen Erlebnis. Die zahlreichen Kirchen, Kapellen und Klöster sind besondere Orte der Besinnung und Achtsamkeit – ideal für eine spirituelle Auszeit.
  • Gemeinschaft: Die Tage in einer Gruppe zu erleben bietet Austausch und Halt. Darüber hinaus gibt es an vielen Orten die Möglichkeit, sich zu engagieren und gelebtes Christsein vor Ort zu erleben. So werden die Tage zu einer aktiven gemeinschaftlich eingebundenen Ruhephase für Körper und Geist.
     

Neues Profil

Ziel von SINNSTIFTER_ORTE ist es, in enger Kooperation mit dem Tourismus eine Dachmarke zu entwickeln, um auf struktureller Ebene die Zusammenarbeit zu verstärken und nachhaltig zu vertiefen. Das Instrument einer Dachmarke ist dabei nur Aufhänger für eine vertiefte Zusammenarbeit von Kirche und Tourismus vor Ort. Neu ist aber, dies zusammen mit den verantwortlichen regionalen Vertretern aus dem Bereich Tourismus und Freizeit zu schaffen und Synergien zu nutzen. Eines ist klar: Es geht dabei nicht darum, in Konkurrenz zu eigenen Profildiensten bzw. Seelsorgestellen zu treten, sondern im Rahmen von SINNSTIFTER_ORTE immer als Teil der Gesamtmarke Erzbistum München und Freising wahrgenommen zu werden. Bereits heute können wir auf ein attraktives Angebot in Pfarreien, Klöstern oder Bildungshäusern zurückgreifen. Eine gebündelte touristische Neuausrichtung, was die inhaltliche Weiterentwicklung sowie deren Vermarktung angeht, gibt es noch nicht.

Um aber – gerade als Kirche – dauerhaft und nachhaltig möglichst viele Menschen zu erreichen, sind die Bereiche Urlaub und Freizeit von großer Bedeutung. Die Nachfrage ist vorhanden, was nicht zuletzt beispielsweise an der Attraktivität von Klosterübernachtungen, Pilgerangeboten oder Angeboten im Bereich Bergspiritualität abzulesen ist.

Folgende Teilziele sind Bestandteil des Projekts:

  • Teilziel 1: Zusammenarbeit von Kirche und Tourismus
    Auswahl von geeigneten Kooperationspartnern, um den je eigenen Sinnstifter-Ort auf- und auszubauen
  • Teilziel 2: Inhaltliche Profilierung
    Jeder Sinnstifter-Ort hat ein eigenes Profil, eigene Schwerpunkte und regionale Eigenheiten. Entscheidend wird dabei sein, auf eine Fokussierung weniger kirchlicher Orte mit klarem Profil zu setzen.
  • Teilziel 3: Marketing
    Ist der inhaltliche Schwerpunkt eines Sinnstifter-Ortes klar und sind erste entsprechende Angebote im Programm, geht es um die Bewerbung und Vermarktung. Hier kommen wesentliche Kompetenzen der Tourismusbranche ins Spiel.
  • Teilziel 4: Buchungsmöglichkeiten
    Buchbarkeit von spirituellen Angeboten über lokale Tourismus-Informationen und deren Buchungsportale
  • Teilziel 5: Digitalisierung
    Sinnstifter-Orte sollten künftig auch digital vermittelt und beworben werden.
  • Teilziel 6: Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in der Tourismuspastoral
    Konzeptionelle Weiterentwicklung und Vernetzung sowie Aus- und Fortbildung der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen und Qualitätssicherung; Dokumentation; Entfaltung von Wirksamkeit

Bei den Zielgruppen werden folgende (Sinus-)Milieus besonders beachtet:

  • „Gebildete Anspruchsvolle“
  • „Sinnsuchende Selbstverwirklicher“
  • „Moderne Mitte

Praxis-Test

SINNSTIFTER_ORTE ist eine Sammlung und Verdichtung von innovativen spirituellen Tourismus- und Freizeitangeboten, die die christliche Botschaft und kirchliche Erfahrungswerte nutzen, um auf die Lebensknappheiten der Menschen (Ruhe und Stille, Sinnsuche und Glaube, Innerlichkeit, Gemeinschaft und Zugehörigkeit, Sicherheit, Gesundheit) zu reagieren.

Drei Kriterien sind für eine Umsetzung unverzichtbare Voraussetzung:

  1. attraktiver touristisch relevanter Ort
  2. personales Angebot, spirituelle Offenheit im Programm
  3. Kooperation mit örtlichen Tourismusstellen

Zunächst ist das Ziel, mit drei bis fünf Sinnstifter-Orten zu beginnen. Parallel dazu werden Gespräche mit weiteren möglichen Partnern geführt, um nach fünf Jahren die Mitwirkung von zehn bis fünfzehn Sinnstifter-Orten erreichen zu können:

  • Kloster Maria Eck und Gemeinde Siegsdorf
  • Pfarrverband Eggstätt mit Fraueninsel und Tourismusverband Chiemsee-Alpenland
  • Tourismusseelsorge Bad Tölz und Tourist-Information Bad Tölz (und Tourismusverband Tölzer Land)
  • Kloster Benediktbeuern und Tourist-Information Benediktbeuern

Durch die enge Vernetzung von kirchlichen und touristischen Stellen soll der Boden bereitet werden für eine innovative Angebotsentwicklung: Die Menschen sollen Orte vorfinden, an denen ihre Fragen nach Sinn und Orientierung – in aller Offenheit und Zweckfreiheit – Resonanz erfahren. Diese können in einer langen kirchlichen Tradition stehen (Kloster), säkular ausgerichtet (Bildungshaus) oder sogar digitale Orte sein.

Durch Qualität punkten

Die Einhaltung vereinbarter Qualitätsstandards wird von allen Partnern gewährleistet. Die Markenentwicklung von SINNSTIFTER_ORTE bedeutet, in der Tourismuspastoral die qualitativen Standards im Blick zu haben und diese in den Seelsorgeeinheiten auszugestalten.

Dies gelingt am besten durch Kooperation, wenn also die touristische Seite als Partnerin strukturell eingebunden wird. Wenn Kirche und Tourismus zusammenarbeiten und gemeinsam den Gast (aber auch die Einheimischen) ins Zentrum ihres Handelns stellen, sind die Grundpfeiler für eine verlässliche Qualität in der Angebotsentwicklung gesetzt.

Mit dem Blick nach vorne – trotz Risiken

Im Kern könnte das Projekt den Slogan „… damit Kirche am Leben dranbleibt“ tragen. Es geht um eine zukunftsfähige Pastoral, damit Kirche in Umbruchszeiten ihre Innovationskraft nicht verliert und im Sinne von Unternehmergeist und Effectuation Bewährtes pflegt und Neues wagt.

Das Projekt SINNSTIFTER_ORTE ist sich seines experimentellen Charakters bewusst und sucht gerade darin neue Ansätze kirchlichen Wirkens. Damit soll das Ziel in einem Segment pastoralen Handelns von Kirche (Tourismuspastoral) umgesetzt werden: Wege zu finden, wie der Sendungsauftrag der Kirche zu den Menschen in der Welt von heute noch deutlicher und konkreter werden kann.

Mögliche Risiken:

  • Kürzung von personellen Ressourcen an den möglichen Sinnstifter-Orten
  • Fehlende Innovationskraft vor Ort
  • Personeller Wechsel in Leitungs- und Verwaltungsstrukturen bei den Tourismuspartnern
  • Kostensteigerungen
  • Fehlentwicklungen vor Ort (Overtourism)
  • Globale Krisen: Corona, Ukraine-Krieg