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Synodalisierung

Eine Zerreißprobe für die katholische Weltkirche? Expertinnen und Experten aus aller Welt beziehen Stellung

Während des Schreibens dieser Rezension findet gerade die erste der beiden Vollversammlungen der Weltbischofssynode zu Synodalität statt. Damit ist der zu besprechende Sammelband, offenbar bereits 2021 zusammengestellt, jedoch keineswegs überholt, wenngleich einige Entwicklungen im Geschehen von Weltsynode wie Synodalem Weg in Deutschland dort naturgemäß noch nicht aufgegriffen werden konnten (etwa die überraschende Berufung vieler Frauen als Synodenteilnehmerinnen nach Rom). Vielmehr zeigen die Aufsätze immer wieder auf, wie viele Aspekte von Synodalität zu beachten und zu durchdenken wären – eine Aufgabe, die die Kirche sicherlich noch lange beschäftigen wird, wenn sie ihre synodale Grundstruktur ernst nimmt. Denn dass Kirche nicht ohne Synodalität zu denken ist, tritt bei der Lektüre deutlich hervor.

Neben den Beiträgen aus dem deutschsprachigen Raum, die den Großteil ausmachen, bringen Artikel aus verschiedenen Weltregionen (alle auf Deutsch oder ins Deutsche übersetzt) auch weltkirchliche Erfahrungen ein. So ruft etwa der deutsch-brasilianische Theologe Paulo Suess die Ereignisse auf der und um die Amazonas-Synode in Erinnerung und konstatiert: „Es deutet alles darauf hin, dass Papst Franziskus in der Amazonas-Region sein ‚Projekt Kirche‘ paradigmatisch durchbuchstabieren wollte“ (204).

Umgekehrt spielen andere Beiträge auch spezifisch deutsche Erfahrungen ein, etwa der Aufsatz des ehemaligen ZdK-Präsidenten Thomas Sternberg zum Synodalen Weg oder die Darstellung des Prozesses „Pastorale Entwicklung Passau“ durch die Pastoraltheologin Anna Hennersperger: ein synodaler Bistumsprozess bereits in den 1990er Jahren, der aber nach einem Bischofswechsel zum Erliegen gebracht wurde. Die Österreichische Pastoralkommission stellt als fortwährende Synode deren geschäftsführende Vorsitzende Anna Findl-Ludescher vor.

Besonders hervorgehoben seien die bereichernden ökumenischen Perspektiven im Band. Einerseits lassen etliche Autor:innen ökumenische Lernerfahrungen in ihre Beiträge einfließen, so etwa auch die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens, die verschiedene theologische wie kirchenrechtliche Aspekte von Synodalität in den Blick nimmt. Andererseits zeigen Beiträge von Vertretern anderer Konfessionen, dass dort Synodalität auch so ihre Schwierigkeiten hat, gerade auf transnationaler Ebene. Der orthodoxe Theologe Ioan Moga, der an der Universität Wien lehrt, meint sogar: „Das orthodoxe synodale Leben auf Universalebene befindet sich seit der Synode auf Kreta (2016) und seit der andauernden tiefen kirchlichen Krise rund um die Autokephalie der Orthodoxen Kirche der Ukraine in einer Eiszeit“ (306). Er – wie auch der emeritierte Münchener Dogmatiker Peter Neuner – setzen sich mit dem Verhältnis von synodaler Mitentscheidung und Autorität in Form eines (Ehren‑)​Primats auseinander.

Erwähnt sei auch der Beitrag von Thomas Pogoda, tätig im Bistum Magdeburg, der den Blick auf die konfessionsfreien „Anderen“ lenkt, die für eine synodale Entwicklung einer Kirche, die die Stimmen möglichst aller hören will, ebenfalls nicht übersehen werden dürfen.

Die Beiträge des Bandes kommen aus verschiedenen theologischen Disziplinen, u. a. aus der systematischen Theologie. So stellt etwa die Osnabrücker Dogmatikern Margit Eckholt den Glaubenssinn der Gläubigen, speziell der Lai:innen, als wesentlich für synodale Beratung heraus, während ihr Eichstätter Kollege Martin Kirschner auf die loci theologici fokussiert.

Gut vertreten ist das Kirchenrecht, etwa mit dem Beitrag des Innsbrucker Kanonisten Wilhelm Rees; er referiert nicht nur knapp die kirchenrechtliche Grundlegung für synodale Strukturen auf verschiedenen Ebenen, sondern stellt auch bereits vorliegende Vorschläge für eine Weiterentwicklung des Rechts zusammen.

Thomas O’Loughlin, emeritierter Kirchengeschichtler an der Universität Nottingham, nimmt dagegen Liturgie, die Gemeinschaft formt, als Basis, um eine von der Erfahrung des Volkes Gottes geprägte synodale Kirche zu skizzieren, in der auch Amt und Diakonie neu zu denken sind. Ähnlich betont auch der polnische Franziskaner Kasper Mariusz Kaproń, der in Bolivien lehrt: „Die Logik der eucharistischen Versammlung kann zu einer theologischen Logik des ausgerufenen Synodalen Prozesses der ganzen Weltkirche werden“ (212 f.), wobei er dabei insbesondere an die sakramentale Zeichenhaftigkeit denkt.

Etwas aus der Reihe fällt da der einzige explizit bibelwissenschaftliche Beitrag: In anregender Weise stellt der Paderborner Alttestamentler Ansgar Moenikes das Egalitätsideal des Alten Testaments eindrücklich heraus und als basal anti-hierarchisches und synodales Denken vor, das auch das Neue Testament prägte und weiterhin einen sozial-befreierischen Impetus in sich birgt.

Zwei Beiträge (vom Karmeliten Michael Plattig und vom Benediktiner Anselm Grün) bringen Erfahrungen aus Ordensspiritualitäten zu synodalen Grundhaltungen ein. Aber dann gibt es auch einige Beiträge, die Erfahrungen von außerhalb von Theologie und Kirche einspielen: Der Münsteraner Pastoraltheologe und Mediator Christian Bauer stellt kurz Mediation als Methode zur Lösung von Konflikten (wie sie gerade auch bei synodalen Prozessen auftreten) vor. Um Konsensfindung vor Ort geht es bei der Gemeinwesenarbeit, aus der der tschechische Pastoraltheologe Michal Opatrný Folgerungen für das Verständnis von Autorität zieht und für kirchliche Entscheidungsprozesse ein Vorgehen bottom-up stark macht. Und Hans Maier, der u. a. Minister in Bayern war, kritisiert, dass die Kirche (speziell Rom) hinter Standards moderner demokratischer Staatsorganisation hinterherhinkt.

Insgesamt 26 Beiträge – zuzüglich Einleitung und Vorwort – haben die Herausgeber und die Herausgeberin im Band versammelt, ausgewählt aus einer noch größeren Zahl von Rückmeldungen auf einen offenen Aufruf an Fachkreise um Beiträge und ergänzt um wenige weitere Aufsätze. Gemeinsamer Nenner ist der Horizont der (während der Entstehung des Bandes sich anbahnenden) Weltbischofssynode – und das gemeinsame Ringen um ein besseres Verständnis von Synodalität.

Viele Themen aktueller Diskussionen (und auch Polemiken) – beispielsweise Laienbeteiligung, demokratische Elemente in der Kirche oder die Frauenfrage – werden in den Beiträgen durchdacht und zumindest ein Stück weit geklärt; zugleich wird deutlich, dass vieles nicht so einfach zu beantworten oder so eindeutig ist. Einige Aufsätze (etwa der des Jesuiten und Publizisten Andreas R. Batlogg) bieten auch Hilfe, die Denkweise von Papst Franziskus, die seine Äußerungen zu Synodalität und letztlich auch die Weltsynode prägt, besser zu verstehen.

Synodalität in der katholischen Kirche ist work in progress, wo Stück für Stück weitergedacht wird. Der vorliegende Band bietet dazu Anregungen und Beiträge, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Martin Hochholzer