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Echolot des Glaubens

Beiträge zur Vertiefung der Katechese

Was hat Katechese mit Echoloten zu tun? Sehr viel sogar, wenn es nach Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst geht. Der aus der Nautik stammende Begriff zur elektroakustischen Messung von Tiefen durchzieht weite Teile des Buchs und dient der steten Veranschaulichung katechetischer Gegebenheiten. Tebartz-van Elst skizziert anhand der Metapher des Echolots den Nutzen und Sinn der Katechese sowie die Herausforderungen, die eine auf bloße Eventisierung zielende Katechese mit sich führt. Dieser ähnlich einer Gebrauchsanweisung gehaltene Beitrag will nach eigener Aussage der „Nivellierung und Infantilisierung in der Glaubensweitergabe“ (18) sowie einer Subjektivierung und als didaktische Elementarisierung missverstandenen Reduzierung von Glaubensinhalten begegnen und somit einer Verengung von Katechese vorbeugen. Gleichzeitig betont Tebartz-van Elst die Bedeutung der Katechese für die (Neu‑)Evangelisierung und das Verständnis von einer hörenden Kirche, die im Geleitwort von Erzbischof Rino Fisichella ebenfalls besondere Aufmerksamkeit erfährt (9–14). Die Auseinandersetzung mit wegweisenden Schriften wie dem Direktorium für die Katechese aus dem Jahr 2020 sowie seiner Fortführung im Motuproprio Antiquum ministerium (2021) bilden den Kern der Ausführungen.

In vier Teilen nähert sich Tebartz-van Elst seinem avisierten Forschungsinteresse. Im ersten Teil benennt er Kriterien, die seiner Meinung nach für die Katechese förderlich sind und „zum Kern des Glaubens vordringen“ (32). Dabei sei bestimmend, dass eine kulturelle Auseinandersetzung eine hermeneutische Kompetenz nötig mache, damit dem Phänomen der Individualisierung und Relativierung von Glaubensinhalten begegnet werden könne. Katechese setze an, wenn menschliches Dasein von Umbrüchen geprägt sei, und müsse dabei dialogisch gedacht werden, gemäß Fratelli tutti als „emphatisches Hören“ (52). Obwohl Katechese diese Gegebenheiten anerkenne und Kreativität im Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen einfordere, betont der Autor an dieser Stelle aber ein weiteres Mal, dass Katechese sich von jeglichen Versuchen einer Eventisierung von Glaubensinhalten distanzieren müsse, um nicht in Banalität abzugleiten, wie dies nach Überzeugung des Autors in einigen Diözesen geschieht (vgl. 55).

In einem zweiten Teil geht Tebartz-van Elst auf die jüngsten einschlägigen kirchlichen Dokumente, i. e. das erneuerte Direktorium für die Katechese sowie das Motuproprio Antiquum ministerium (AM) ein und stellt diese in den Kontext von „sakramentaler Katechese“ und „Schulen des Glaubens“. Im neuen Direktorium für die Katechese aus dem Jahr 2020 wird die Frage reflektiert, wie unter den Gegebenheiten einer postmodernen und digitalen Zeit der Glaube neu ins Wort gebracht werden kann. Der fundamentaltheologische Ansatz, dass Glaube Beziehung ist, durchzieht laut Tebartz-van Elst alle Kapitel und akzentuiert das Glaubensgeschehen hin auf das Kerygma. Weiterhin hebt der Autor den Katechumenat und die Liturgie in ihrer katechetischen Bedeutung hervor, die jedoch durch religiösen Pluralismus, soziokulturelle Verschiedenheiten sowie „bioethische und ökologische Fragestellungen“ herausgefordert würden (70) und damit entsprechende Zielgruppen in den Blick nähmen. Ähnliches beabsichtigt AM: Das Katechetische Ministerium will als Dienst in der Welt und an der Welt verstanden werden. Ausdrücklich betont Tebartz-van Elst, dass sich das Katechetische Ministerium gegen „eine Klerikalisierung der Laien und eine Laikalisierung des Klerus wendet“ (79). Die Qualität in der Katechese wird durch Begleitung und Befähigung von Katechet:innen sichergestellt. In einem weiteren Abschnitt bewertet er das Verhältnis zwischen Glaube und einer „sakramentalen Katechese“, die als Einheit von Inhalt und Ausdruck gedacht werden müssten. Eine missionarisch ausgerichtete Erwachsenenkatechese müsse sprach- und auskunftsfähig im Blick auf Glaubensinhalte werden, aber auch Communio und Sendung als katechetischen Auftrag anerkennen sowie eine Bereitschaft beinhalten, in der Liturgie Glaube Gestalt werden zu lassen.

Das dritte Kapitel beginnt Tebartz-van Elst mit der Feststellung, dass „Katechese […] immer Kommunikation“ (117) sei. Am Beispiel bayerischer Lebens- und Denkart betont er die Rolle von Traditionen und Überliefertem, die eine Evangelisierung zur Ethik zur Folge hätten, wenn es um soziale Zusammengehörigkeit, i. e. die Förderung von Ehe und Familie, gehe.

Katechese unter den Voraussetzungen eines digitalen Zeitalters müsse zur Unterscheidung der Geister in der Lage sein und habe sich „als komplementärer Kontrast zu profilieren und zu bewähren“ (159).

In einem kurzen vierten Kapitel geht es um eine Konkretisierung von Katechese innerhalb der Predigt. Auch an dieser Stelle warnt der Autor vor einer allzu starken Orientierung am Unterhaltungslevel, das zu einer „gravierenden Reduzierung in der Glaubenskommunikation“ (174) führe. Anhand von Beispieltexten für entsprechende Predigten liefert er eine für ihn wichtige Veranschaulichung für das Zusammenspiel von „homilein“ und „katechein“, worunter er die Verknüpfung von Katechese und „geschwisterlichem Reden miteinander“ (173) versteht.

In einem abschließenden Ausblick stellt der Autor, inspiriert vom Altarbild „Maria Knotenlöserin“ (Johann Georg Melchior Schmidtner), eine Verbindung zum Gebet als „Motor aller Katechese“ und zu „Maria als der Mutter aller Katecheten“ (207) her.

Sowohl dieser Schlusspunkt als auch die Konkretisierungen von Katechese, die auf den Bereich der Predigt beschränkt sind, können die Leser:innen vielleicht erstaunt oder gar enttäuscht zurücklassen, insofern sie sich Anregungen für ihre katechetische Praxis erhofft haben.

Womöglich werden sich nicht nur Leser:innen nicht-bayerischer Provenienz mit den Aussagen zur bayerischen Lebensart ohne Weiteres identifizieren können (vgl. 124–138), dennoch ist ersichtlich, was der Autor damit anschaulich machen möchte. Auch die als Zitate daherkommenden Aussagen zu Patchworkfamilien (vgl. 134), die er offenkundig für repräsentativ erachtet, lassen vielleicht doch auf eine einlinige und tendenziell kulturpessimistische Sichtweise der Lebenssituation dieser sog. Patchworkfamilien schließen. Hier werden einige Leser:innen und Katechet:innen die besondere Fokussierung des Inhalts nur mit Mühe nachvollziehen können, unterstellen sie doch zahlreichen Familien per se einen negativ konnotierten Familienhintergrund in existentieller Dimension. Es wäre schön gewesen, hätte der Autor diesen Umstand eindrücklicher und überzeugend im Blick gehabt.

Dem Autor ist zuzustimmen, wenn er sich gegen eine Eventisierung ohne Vermittlung von Inhalt und gegen auf bloßen Unterhaltungswert ausgerichtete Massenveranstaltungen ausspricht. Dennoch müssen sich beide Pole nicht zwangsläufig widersprechen. Das Erleben, das aus dem Alltag herausgehoben ist, kann eine starke Identifizierung mit den Inhalten des Erlebten zur Folge haben sowie einen verbindenden Charakter entwickeln. So darf wohl die identifikations- und communiostiftende Wirkung von z. B. diözesanen Jugendwallfahrten oder gar von Weltjugendtagen sowie ihre Funktion zur Förderung der Nachfolge nicht zu gering veranschlagt werden.

Das Buch von Tebartz-van Elst bietet eine konzise Zusammenschau der aktuellen kirchlichen Debatte mitsamt ihren kirchlichen Dokumenten um den Stellenwert der Katechese innerhalb heutiger Herausforderungen und Ambivalenzen. Hierzu ergänzt der Verfasser seine Ausführungen mit Hilfe eigener Predigten; passende Zitate von namhaften Personen aus Kirche und Theologie, z. B. des Regensburger Bischofs Rudolf Voderholzer, aber auch Frère Rogers und des bekannten ehemaligen Freiburger Moraltheologen Eberhard Schockenhoff reichern die Ausführungen an.

„Echolot des Glaubens“ kann als starkes Plädoyer und Profilierung für die Katechese begriffen werden, das Wege aufzeigt, wie Erneuerung und Evangelisierung im Horizont einer hörenden Kirche gedacht werden können. So steht wohl auch die Katechese, wie die Nachfolge allgemein und kirchliches Handeln insbesondere, unter dem Logion in Mt 7,20: „An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen.“

Jasmin Hack