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Das Geheimnis des Pilgerns

Anleitung zum christlichen Unterwegssein

Passend zum Schwerpunktthema dieser Ausgabe soll hier ein kleiner Ratgeber zum Pilgern vorgestellt werden, den die beiden Spezialistinnen für das Thema, Hildegard Huwe und Miriam Penkhues, geschrieben haben. Das Buch ist geprägt von den jahrelangen eigenen Erfahrungen der Autorinnen auf Pilgerwegen, aber auch in der Begleitung von Pilger:innen. Besondere Anschaulichkeit erhält das Buch durch die Schilderung von kleinen Geschichten und Erlebnissen beim Pilgern, die die Autorinnen selbst gemacht haben und die immer wieder zwischendurch eingestreut werden. Die auf vielen Wegen gesammelten Erfahrungen reflektieren die Autorinnen vor dem Hintergrund des christlichen Glaubens und nehmen in allen Kapiteln Bezug auf biblische und andere religiöse Texte.

Dabei geht es nicht darum, „richtiges“ von „falschem“ Pilgern zu unterscheiden. Natürlich gibt es eher technische Dinge, die sinnvollerweise zu beachten sind, wie ein nicht zu schwerer Rucksack oder die Aufmerksamkeit für körperliche Überforderung. Das Buch bietet aber keine Liste von ohnehin vieldiskutierten Dos und Don’ts, um nicht zu überdecken, worum es eigentlich beim Pilgern geht, nämlich die eigene Motivation zum Pilgern: Warum steigt man für eine bestimmte Zeit aus dem Alltag aus und begibt sich auf einen körperlich anstrengenden Weg? Weil das Pilgern die Möglichkeit bietet, Lebensthemen zu bearbeiten, wie es in der normalen Alltagsroutine nicht möglich ist. Es gibt daher auch keine Patentrezepte für das Pilgern, sondern jede Entscheidung sollte so getroffen werden, dass sie für den „inneren Weg“, für das eigene Anliegen zuträglich ist.

Huwe und Penkhues charakterisieren das Pilgern durch Freiheit und Sich-Freimachen, durch Bewegung in der Langsamkeit des Gehens sowie durch Veränderung und Neuausrichtung. In der Verbindung dieser drei Facetten liegt das Geheimnis des Pilgerns. Es gibt jedoch keine Erfolgsgarantie beim Pilgern, man kann nicht nur an Grenzen stoßen, sondern auch scheitern. Wichtig ist es daher, das gesellschaftlich oft tabuisierte Scheitern nicht als Blamage zu verdrängen, sondern es als Teil des Lebens anzuerkennen, anzunehmen und sich damit auseinanderzusetzen. Das Modell der Krisenbewältigung nach Kübler-Ross kann dabei hilfreich sein.

Das Buch enthält auch viele Impulse für die Gestaltung des täglichen Weges und die Verbindung der Pilgererfahrungen mit dem Alltag. Ein herausnehmbares Begleitheft bietet viele Texte und Übungen, die dabei helfen sollen, den äußeren Pilgerweg und den inneren Lebensweg zu verbinden. So ist ein gut lesbares, erfahrungsgesättigtes und kluges Buch entstanden, das man jedem empfehlen kann, der sich auf einen Pilgerweg macht. Es ist sogar hilfreich für Menschen, die selbst gar nicht pilgern wollen oder können, sondern eine spirituelle Anleitung für die Gestaltung und Reflexion ihres eigenen inneren Lebensweges aus der christlichen Tradition suchen.

Ein Aspekt fehlt dem Buch vielleicht noch: Es ist für die individuelle Perspektive geschrieben. Gesellschaftliche Themen, die sich z. B. durch die Geschichte der Orte und Landschaften nahelegen, an denen man vorbeikommt und durch die man pilgert, kommen weniger in den Blick; dies könnten etwa Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit oder Frieden sein. Das hätte das Buch möglicherweise überfrachtet, doch ist auch diese überindividuelle Perspektive beim Pilgern nicht unwichtig.

Tobias Kläden