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Mehr als Glaubensunterweisung

Ergebnisse einer Befragung kirchlicher Fachpersonen für Katechese

1. Beschreibung und zentrale Erkenntnisse aus der Befragung

Die Katholische Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) der Deutschen Bischofskonferenz hat auf dem Hintergrund des 2020 erschienenen Direktoriums für Katechese eine Untersuchung und Befragung von Fachpersonen als Standortbestimmung zur Katechese in den deutschen Diözesen vorgenommen. Die Untersuchung wurde im Jahr 2021 durch das Referat für Evangelisierung, Verkündigung und Katechese durchgeführt.

Ziele der qualitativen Befragung waren die Ermittlung, wie eine überdiözesane Unterstützung zur Begleitung und Qualifizierung der handelnden Personen aussehen kann, was der aktuelle Stand in den Diözesen ist und welche Bedarfe ausgemacht werden können.

Dazu wurde ein Fragebogen entwickelt mit Fragen zu den sog. Hauptamtlichen und freiwillig Engagierten, ihrem Hintergrund, zu Formaten und Orten von Katechese sowie zum Bedarf einer überdiözesanen Koordinierungsmöglichkeit von Fortbildungsangeboten. Folgende Fragen wurden u. a. gestellt: „Wie sieht Ihrer Meinung nach die Katechese der Zukunft aus? Welche Auswirkungen der Corona-Pandemie nehmen Sie wahr? Welche Formen der Erstverkündigung gibt es in Ihrer Diözese? Welche Rolle spielen freiwillig engagierte Katechet:innen? Welche Qualifizierungs- und Begleitungsbedarfe stellen Sie fest? Welche Fragen zu Arbeitsweisen und Themen haben Sie an ein mögliches katechetisches Institut?“ Zum Zeitpunkt der Befragung war ein katechetisches Institut angedacht, das unterschiedliche Akteure in der Katechese zusammenbringen und miteinander vernetzen sollte. Das Wording und die inhaltliche Konnotation und Funktion konnten aber nicht überzeugen, sodass daraus der „Ankerpunkt Katechese“ entstand mit dem Referat Evangelisierung, Verkündigung und Katechese der KAMP als überdiözesan vernetzendes und koordinierendes Instrument in enger Kooperation mit der Konferenz für Katechese, Katechumenat und missionarische Pastoral (KKMP), dem Deutschen Katechetenverein (dkv) sowie in direkter Kommunikation mit den Katechesereferent:innen vor Ort.

Angeschrieben wurden die Mitglieder der Seelsorgeamtsleiterkonferenz (SALK) aus den 27 (Erz‑)​Diözesen, dem Bischöflich Münsterschen Offizialat Vechta und dem Militärbischofsamt (n = 29), weiterhin die Mitglieder der KKMP, ebenfalls aus den 27 (Erz‑)​Diözesen und dem Bischöflich Münsterschen Offizialat Vechta, hinzu ein nichtdiözesanes KKMP-Mitglied (n = 29) sowie ausgewählte Personen aus dem wissenschaftlichen Kontext, die sich mit Katechese befassen (n = 12).

Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten und Ressourcen sowie stark variierender Rücklaufquoten (SALK: 8, KKMP: 23, weiterer Personenkreis: 10) ist die Untersuchung in ihrer Aussagekraft deutlich begrenzt. Außerdem wurden keine freiwillig engagierten Katechet:innen befragt. Weiterhin wurde wie bei anderen Studien auch hier nur eine kleine Probandengruppe in den Blick genommen. Eine fundierte Exploration müsste jedoch auf ein breiteres Fundament gestellt werden, was ein Desiderat und gleichzeitig einen Ausblick darstellt.

Die qualitative Befragung ergab insgesamt 15 Themenschwerpunkte, von denen eine Auswahl im Folgenden kurz skizziert wird:

1) Beim Verständnis von Katechese traten bei den Katechesereferent:innen teils sehr unterschiedliche Vorstellungen zu Tage, von einem weiten Katecheseverständnis bis hin zu einem enger gefassten, stark an kirchlichen Traditionen orientierten Bild. Die religiöse Sozialisation und biographisch voneinander abweichende Kirchenerfahrungen lassen tendenziell keinen einheitlichen Begriff zu, unterschiedliche Definitionen können unabhängig von den Definitionen kirchlicher Dokumente nebeneinander parallel laufen und ihre Berechtigung haben.

2) Hinsichtlich des Wordings ist festzustellen, dass Begriffe oft synonym gebraucht werden: „Erstverkündigung“, „Katechese“, „Katechumenat“, „Evangelisierung“, „missionarische Pastoral“ werden nicht immer sauber auseinandergehalten.

3) Für Erstverkündigung können zwar vereinzelt Formate ausgemacht werden, jedoch fehlen hier oft (personelle) Ressourcen und Erfahrung. Orte der Erstverkündigung sind Krankenhäuser, Notfallseelsorge, an Lebenswenden, Segensfeiern, Tage der Orientierung, die Sternsingeraktion, die Nacht der Lichter sowie Nightfever. Temporär begrenzte katechetische Formate, wie Kirchenführungen oder Stammtischgespräche, werden ebenfalls benannt.

4) Katechese findet meistens als Sakramentenkatechese statt, im Bereich Kinder und Jugendliche jahrgangsweise und selten als Erwachsenenkatechese. Orte der Katechese sind häufig gemeindliche Kontexte, durchaus aber auch experimentellere Orte wie in der Citypastoral, in Bildungshäusern, bei kirchlichen Diensten (Bahnhofsmission) oder digitalen Orten. Es fehlen mitunter ansprechende Formate, zudem wird oft auf eine Überforderung hauptamtlicher Mitarbeiter:innen hingewiesen.

5) Freiwillig Engagierte übernehmen häufiger katechetische Verantwortung, aber werden aus Sicht der befragten Hauptamtlichen nicht ausreichend begleitet und unterstützt. Zudem werden mangelndes Zutrauen und Wertschätzung beklagt. Hier besteht Bedarf an Fort- und Ausbildungen, an Vernetzung und an Begleitung.

6) Daraus ergibt sich die Frage nach einer Ausgestaltung von Inhalten in Formaten der Qualifizierung, Ausbildung und Begleitung. Aktuell sind die Bistümer auch in dieser Perspektive unterschiedlich aufgestellt.

2. Hintergründe zum Katecheseverständnis und zur kirchlichen Sozialisation

Kirche ist nicht mehr alleiniger Player auf dem Markt der religiösen und spirituellen Möglichkeiten. Die Voraussetzungen in den Diözesen sind dabei sehr unterschiedlich. Daher ist es angebracht, mit einem nicht zu enggeführten Katecheseverständnis zu operieren. Kirche muss sich in einer sich säkularisierenden pluriformen Gesellschaft positionieren und wirken. Auch die individuelle Glaubensauffassung sowie die Glaubenspraxis befinden sich im Wandel. Die Gründe können individuelle Herausforderungen sein; Verlust, Krankheit, Krieg oder Klima- und Naturkatastrophen können den Anstoß liefern. Es ist keine Neuigkeit, dass Kirche massiv in Misskredit geraten ist und an Glaubwürdigkeit stark eingebüßt hat.

Das Erscheinungsbild von Kirche, in dem Macht und Unglaubwürdigkeit als die dominanten und düsteren Farben ausgemacht werden, das Nichtakzeptieren bestimmter ethischer Positionen der Kirche, eine in vielerlei Hinsicht oder gar in Gänze als „überholt“ angesehene Kirche können als Formen einer Abwesenheit Gottes und seines Schweigens (vgl. Halík 2022, 174) angesehen werden.

Neben sehr individuellen Gründen gibt es womöglich so etwas wie einen „ekklesiologisch bedingten Gottesverlust, der auf das Konto der kirchlichen Institution geht“ (Knop 2022, 157). Damit sind aktuelle Skandale etwa um Missbrauch und seine Vertuschung gemeint, aber auch, dass nicht jeder mit den Riten, mit der Liturgie und den kirchlichen Lehräußerungen überhaupt sowie mit der pastoralen Praxis etwas anfangen kann und dass die Kirche – gewissermaßen spiegelbildlich dazu – es versäumt hat, sich der Lebenswirklichkeit der heutigen Menschen anzunähern.

Die institutionelle Verfasstheit der Kirche scheint dem Gottesglauben jedes und jeder Einzelnen entgegenzustehen. Eine Ausprägung dieses Auseinanderdriftens von Institution und persönlichem Glauben sind die zahlreichen Austritte aus der Kirche. Menschen, denen ihr Glaube etwas bedeutet, scheinen die Reißleine zu ziehen und verlassen die Kirche, gerade weil ihnen Gott so wichtig ist (vgl. Knop 2022, 157 f.). Julia Knop beschreibt das Jahr 2018, als die MHG-Studie veröffentlicht wurde, als eine „Zäsur“, als ein „Symboljahr“, in dem vielen Menschen das Ausmaß des klerikalen Missbrauchs bewusst wurde.

Diese Diskussion bringt gerade kirchliche Mitarbeiter:innen, vor allem auch die, die in der Katechese tätig sind, in Gewissenskonflikte und setzt sie drängenden Fragen aus: Kann man überhaupt noch glaubhaft im Namen dieser Kirche agieren? Welche Sprache verwendet man? Kommt diese verkündete Rede beim Gegenüber an? Wie erreiche ich mein Gegenüber? Vertrete ich kirchliche Traditionen authentisch? Muss ich das überhaupt? Kann ich als moderner Mensch in unserer Gesellschaft, im 21. Jahrhundert, in dem der Schutz vor Gewalt, aber auch die gleichen Rechte von Männern und Frauen selbstverständlich sein sollten, in einer Gesellschaft, die sich von einer rigiden und überkommenen Sexualmoral gelöst hat, hierarchische Strukturen ablehnt, glaubhaft kirchliche Interessen vertreten?

Katechese muss diese Fragen ernst nehmen und die Menschen in ihren post-postmodernen Lebensräumen priorisieren. Sie darf Säkularisierung nicht als feindliches Gegenüber betrachten. Es geht um die Wahrnehmung, Akzeptanz und das Aushalten von Realitäten. Die Säkularisierungsthese besagt etwas pessimistisch, aber sehr ehrlich, dass Religion und Kirche in den westlichen Industrienationen an Bedeutung verloren haben und weiter verlieren. Entkirchlichung oder Entchristlichung als Abbrüche ehedem unhinterfragbarer Traditionen sind keineswegs zwangsläufig die Folge von individuellem Versagen bspw. der pastoralen Mitarbeiter:innen, sondern gesamtgesellschaftlich zu betrachten; sie sind Exponenten der facettenreichen Umbruchsprozesse in modernen Zivilgesellschaften.

Traditionellen Strukturen wie der Gemeindekatechese mit einer großen Pfarrfamilie und einem Pfarrer im Zentrum hinterherzutrauern, taugt offenkundig nicht mehr für ein Zukunftsmodell von Kirche.

Das Evangelium muss immer wieder in den jeweiligen historischen Kontexten betrachtet werden. Die Katechese im deutschsprachigen Raum erinnert zweifelsohne an das von Matthias Sellmann geprägte Bild einer Großbaustelle (vgl. Sellmann 2015, 113). Baustellen wirken oft chaotisch, konfus, unfertig, planlos und rauben Zeit. Sellmann begreift die Baustelle als Metapher für Dezentralität und Pluralität und für die Transformation der Kirche von der Institution hin zur Organisation. Die Institution erfülle bestimmte Bedürfnisse, betone man diese Bedürfnisse explizit, verlören sie ihre Selbstverständlichkeit und Alternativen gerieten in den Blick. Das ist laut Sellmann der Punkt, an dem Kirche zur Organisation wird und im Umfeld anderer Organisationen auf Umbruchsituationen reagieren muss.

Dieser Prozess muss aber nicht immer nur mit dem Gefühl von Verlust und einer kulturpessimistischen Gegenwartsanalyse einhergehen, sondern kann auch Chancen bieten. Die zukünftige Kirche wendet sich ab von dem Bild einer solid church (vgl. Ward 2002, 17–20), die Kontinuität in der Beteiligung fordert, u. a. durch regelmäßige Gottesdienstbesuche, die Gemeinschaft forciert und zudem noch durch eine eigene Sprache geprägt ist. Sie nutzt vielmehr moderne Formen der Digitalisierung und entwickelt eine größere Vielfalt an liturgischen Formen und Verkündigungsformaten, profiliert sich neu, u. a im Rollenverständnis der Hauptamtlichen, und steuert Innovation. Diese Verflüssigung von Kirche bedeutet auch die lineare Instabilität der Zeitstrukturen und den Rückgang von Momenten des Dauerhaften und Vorgegebenen.

Kirchliche Orte können an Bedeutung gewinnen und echte Orte des Evangeliums werden, wenn Kirche sich von diesen Orten und den Personen, die dort maßgeblich sind, selbst inspirieren lässt und von ihrem biblischen Auftrag her denkt, statt sich selbstreferentiell in den Fokus aller Betrachtungen zu stellen. Kirche muss selbstlos handeln, auch wenn das eine Ergebnisoffenheit zur Konsequenz hat. Bereits Karl Rahner schrieb 1959: „[Das Christentum; J. H.] wird nicht mehr einfach ‚von den Vätern ererbt‘. […] Das Christentum wird aus einem Nachwuchschristentum zu einem Wahl-Christentum“ (Rahner 1959, 33). Wenn Menschen die Wahl haben, können sie sich auch gegen christliche Traditionen oder die Zugehörigkeit zur (katholischen) Kirche entscheiden. Kirche muss lernen, diese Wahlmöglichkeiten auszuhalten.

Weiter zu überdenken sind bisherige Ansichten, die sich z. B. in der Beschreibung oben genannter Personen als „Fernstehende“ oder „Karteileichen“ äußern, sofern sie noch Mitglieder sind. Auf die Perspektive kommt es an, wenn wir für uns beanspruchen, andere als „fern“ zu betiteln, und uns damit als Teil einer Gemeinschaft oder Institution sehen. Jan Loffeld spricht sich gegen diese Negativierung des „anderen Volkes Gottes“ aus und betont die Relevanzkrise der Kirche, einer Kirche, die nicht in der Lage sei, den Menschen außerhalb dieses engen Milieus Antworten auf elementare Fragen ihres Daseins zu geben (vgl. Loffeld 2011, 120). Ausbuchstabiert und konsequent weitergedacht sollte sich Kirche diesen Personen und ihren Lebenswirklichkeiten öffnen, eine hörende Kirche werden und bereit sein, durch die Begegnung mit Menschen zu lernen und neue Räume für religiöse Kommunikation zu eröffnen. Eine reine Angebotspastoral, die nicht auf Augenhöhe agiert und vorgibt, zu wissen, was das Gegenüber braucht, ist nicht Bestandteil dieser Grundannahme.

Im Blick auf eine gern gestellte Frage, wie man die Kirchenaustritte verhindern kann, wird allzu schnell in Aktionismus geraten und nach möglichen Handlungsorientierungen gesucht. Stattdessen sollte man hinterfragen, ob wir auf dem richtigen Weg sind und warum es zu den Austritten kommt.

Wir dürfen nicht in die Verkirchlichungsfalle tappen; vor der Verkirchlichung des Christentums warnte bereits Franz-Xaver Kaufmann (vgl. Kaufmann 1979, 100 f.). Damit ist gemeint, dass das Ziel von Kirche die Entwicklung von Christsein ist und keine ererbte Kirchlichkeit. Das würde eine stärkere Charismenorientierung und die Betonung der Würde aller Getauften nach sich ziehen und den Prozess einer lokalen Kirchenentwicklung unterstützen.

Auf der einen Seite steht zurecht die Kritik an einem System, das den Einzelnen mitunter kleinhält, andererseits gibt es auch positive Erfahrungen innerhalb kirchlicher Biographien; das sind Erfahrungen, die mit Emotionen zu tun haben: die Erstkommunion und Firmung, die Lieder, für manche der Geruch von Weihrauch, feierliche Maiandachten draußen bei Frühlingswetter, die kirchliche Hochzeit des jüngeren Bruders, Wallfahrten mit guten Gesprächen während des Unterwegsseins, das Erleben von Gemeinschaft, das Geheimnis von Ostern, das besonders in der Liturgie der Osternacht eindrücklich und sinnhaft wird. All das zusammengenommen sind nach Rudolf Englert „wesentliche […] Baustein[e] einer im Laufe des Lebens ausgebildeten seelischen Stärke“ (Englert 2019, 94 f.).

Dazu gehört auch ein Urvertrauen auf eine höhere (Schöpfungs‑)​Macht, das Gefühl, geliebt, angenommen und geschützt zu sein. Freilich entstammt dieses Gefühl einem Kinderglauben, den wir als Erwachsene hinterfragen müssen. Und trotzdem ist es die Aufgabe von Katechese, diese positiven Empfindungen zu ermöglichen und wiederentdecken zu lassen.

Individuelle Biographien sind auch individuelle Glaubensbiographien, zumindest eine Auseinandersetzung mit Religiosität, mit Prozessen des Suchens – auch bei Konfessionslosen –, des Sich-auf-den-Weg-Machens, des Werdens, des Entdeckens, aber auch des Scheiterns, eine Biographie mit Rissen. Das ist kulturell nichts Neues, sondern die Geschichte aller Kulturen. Katechese kann Menschen auf diesem Weg begleiten.

Säkularisierung ist letztlich eine Phase des Hinterfragens, aber auch eine Phase neuer Möglichkeiten und Chancen – für die Kirche und für die Menschen –, eine Phase des Neu-Entdeckens und Wiederentdeckens.

Das hier Geschilderte ist als Prozess zu verstehen, der sich ereignet. Wir stehen vor einem weiter voranschreitenden Bedeutungsverlust von Kirche und Religion. Religion ist bereits eine Option unter vielen. Christsein wird nicht mehr selbstverständlich sein, aber die Kirche wird weiter Bedeutung haben, auch wenn die Mitgliederzahlen laut Prognose (2060: 31 % der Gesamtbevölkerung; vgl. Gutmann/​Peters 2021, 96) schrumpfen werden.

3. Impulse für die katechetische Praxis

Im Folgenden soll das unter Punkt 2 Skizzierte im Hinblick auf die katechetische Praxis weiter entfaltet, sollen Desiderate benannt und Anregungen zur Diskussion gestellt werden.

1) Den Antworten aus dem Fragebogen war zu entnehmen, dass von divergenten, teils stark voneinander abweichenden und kontrastierenden Katechesebegriffen ausgegangen werden muss, die nebeneinander parallel existieren. Es stellt sich zunächst die Frage: Was ist Katechese? Vielfach werden Begriffe wie „Katechese“, „Evangelisierung“, „Mission“, „Katechumenat“ gleichzeitig und ohne Unterscheidung synonym gebraucht. Ob hier partiell begriffliche und sprachliche Ungenauigkeiten zugrunde liegen und hingenommen werden oder ob inhaltlich differente Ansichten vorherrschen oder ein reduziertes Verständnis und Interesse von Katechese, lässt sich nicht eruieren. Vielleicht tut man aber ganz gut dabei – nach Sichtung entsprechender Begriffsdefinitionen –, ein eigenes Verständnis der Begriffe zu entwickeln, das sich durchaus im Verlauf eines (kirchlichen Arbeits‑)​Lebens noch einmal weiterentwickeln und umcodieren kann und darf. Existieren unterschiedliche Ansichten über Katechese und ein daraus abgeleitetes uneinheitliches Katecheseverständnis nebeneinander, ergeben sich neue Herausforderungen. Diese betreffen unterschiedlichste kirchliche Bereiche, z. B. können angedachte Qualifizierungsmaßnahmen in der Aus- und Fortbildung für Hauptamtliche und freiwillig Engagierte von der Zielsetzung her ins Leere laufen. Wie werden kirchliche Institutionen künftig damit umgehen?

2) Ein Desiderat in der katechetischen Praxis – und das zeigt der Fragebogen ganz deutlich – ist die Ausformung der Erwachsenenkatechese, nicht nur in Form des Erwachsenenkatechumenats, sondern auch als Katechese für und mit Erwachsenen.

Im Allgemeinen Direktorium für die Katechese (1997) wird der Katechumenat als Modell für sämtliche Katechese angesehen (dem folgen auch die deutschen Bischöfe), schon zuvor wird im Allgemeinen Katechetischen Direktorium (1971) die Erwachsenenkatechese als „vorzügliche Form der Katechese“ beschrieben. 2001 erschien die Arbeitshilfe Erwachsenentaufe als pastorale Chance und 2004 Katechese in veränderter Zeit, Dokumente, die erneut die Erwachsenenkatechese hervorheben.

Die Erwachsenenkatechese als solche richtet sich nicht nur an Menschen, die zum Glauben kommen wollen oder gekommen sind und einen Taufwunsch haben, sondern auch an „gläubige Erwachsene, die ihren Glauben leben und ihn vertiefen wollen; Erwachsene, die zwar getauft, aber nicht richtig unterwiesen wurden […], getaufte Erwachsene, die ihren Glauben zwar gewöhnlich nicht leben, aber dennoch in besonderen Augenblicken des Lebens Kontakt zur kirchlichen Gemeinschaft suchen […]“ (Direktorium für die Katechese 258).

Der Erwachsenenkatechumenat wurde durch das II. Vaticanum (1962–1965) wiederentdeckt. Im Zuge des allgemein geforderten aggiornamento fungierte er auch als Symbol für den Übertritt in die Moderne und als eine Verbindung zwischen der Lebenswirklichkeit moderner Menschen und der Kirche. Die intendierte Öffnung ist noch nicht in Gänze realisiert worden, wäre aber gerade jetzt eine weitere Chance. Der Erwachsenenkatechumenat ist weiterhin eine Chance, weil er wegführt von einem christlich-volkskirchlichen Milieu mit strikter pädagogischer Sozialisierung von Kindern und Jugendlichen (Erstkommunionkatechese und Firmung) hin zu einem erneuerten Kirchenverständnis. Dieser Prozess setzt eine fluide Pastoral voraus, die sich an die Gegebenheiten anlehnt, z. B. auch in ökumenischer Zusammenarbeit, die an vielen Orten, u. a. in der Krankenhausseelsorge, umgesetzt wird. Eine katechumenal gewünschte Kirche lässt sich auf die Veränderungen ein, um ihr Zeugnis zu stärken und das Evangelium ereignishaft zu vollziehen.

3) Daraus ergibt sich die Frage, wie und als was Katechese vor Ort in den Gemeinden vorkommt. Ist Katechese als Sakramentenkatechese zu verstehen, die vielerorts, sei es bewusst oder in Ermangelung personeller Kapazitäten und interner Dynamiken, die prominente Form der Katechese ist und eher einer Glaubensunterweisung gleicht, oder wird Katechese anders akzentuiert? Damit die eigene Lebensgeschichte als Glaubensgeschichte abseits dogmatischer Fixierungen verstanden wird, „[kann die; J. H.] Katechese […] deshalb nicht davon absehen, Lebenssituationen und Erfahrungen der Beteiligten anzuschauen, ernst zu nehmen und zu thematisieren“ (Katechese in veränderter Zeit 2004, 19). Eine situations- und erfahrungsbezogene Katechese nimmt den Menschen in seinem Glaubensweg als gleichberechtigtes Gegenüber wahr und orientiert sich anlassbezogen am Leben der Menschen. Damit ist keine bloße Ausrichtung am Wissens- oder Entwicklungsstand des Gegenübers gemeint, wie dies gerade, aber nicht nur, im Umgang mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Firmkatechese mitunter stattfindet. Könemann/​Sajak/​Lechner untersuchten im Auftrag der Deutschen Bischöfe die Wirksamkeit religiöser Lernorte wie bspw. der Sakramentenkatechese anhand verschiedener Fallportraits auf deren Nachhaltigkeit und Wirksamkeit. Sie halten darin fest, dass es darauf ankomme, wie Katechet:innen den Kindern und Jugendlichen begegnen, dass sie in der Firmvorbereitung praxisnahe Themen wählen, welche Atmosphäre sie schaffen und was auf der affektiven Ebene, u. a. in Gruppenkontexten, geschieht (vgl. Könemann/​Sajak/​Lechner 2017, 99–113). Konkret können die einzelnen Lebensstationen und Hintergründe des Menschen stärker in den Blick genommen werden und als integrativer Teil einer katechetischen Gesamtkomposition verstanden werden. Dazu gehören unabhängig von den Sakramenten die Wahrnehmung, Sichtbarmachung und Begleitung von sehr zentralen oder gar existentiell bedeutsamen Lebensphasen, angefangen mit der Schwangerschaft über Schulanfang, aktuelle politische (Groß-)​Ereignisse, das Ende einer Beziehung oder die Abwesenheit von (partnerschaftlichen) Bindungen, weiterhin das Altern und den Eintritt in die Rente als fundamental neue Lebensphase bis hin zum Tod des:der Partner:in. Eine Akzentuierung und Stärkung von Katechese in alle Lebensbereiche hinein könnte eine konstruktiv produktive Neuausrichtung sein sowie eine Konkretisierung der von Katechese in veränderter Zeit geforderten Ganzheitlichkeit. Im jahrgangsweisen Format und als klassischer Firmkurs mit wöchentlichen Treffen wird vermutlich nur noch in sehr volkskirchlich geprägten Regionen gefirmt werden. Wahrzunehmen sind vereinzelt Bestrebungen, neue Formate zu erproben. Exemplarisch sind das Firmwochenenden ohne wöchentliche Treffen oder Firmung als Startpunkt von Katechese, ohne Firmvorbereitung, stattdessen mit freiwilligen Aktionen im Nachgang.

4) Ein weiterer Fragenkomplex betrifft die (überdiözesane) Ausbildung, Qualifizierung und Begleitung von freiwillig Engagierten und Hauptamtlichen und eine damit verbundene Klärung möglicher Rollenunklarheiten, konkret auch die Frage nach ehrenamtlicher Beauftragung, wie es im katechetischen Ministerium angedacht ist. In einem Fachgespräch der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral am 5.5.2022 wurden diese Fragestellungen erörtert. Dem zu Grunde lag die Errichtung des laikalen Dienstes des Katecheten durch das Motuproprio Antiquum ministerium vom 10.5.2021. Am 1.1.2022 sind entsprechende Leitlinien mit dazugehörigem Ritus zur Beauftragung in Kraft getreten (vgl. Einführung des Katechetendienstes 2023). In diesem Kontext steht die Frage nach der Gabenorientierung und was sich an christlichen Berufungen entwickeln kann. Es wird nicht zuletzt auch um klassische Strukturfragen gehen, wie sich dies unter der Voraussetzung schwindender Zahlen von Mitgliedern, Priestern und Hauptamtlichen sowie größer werdender Pfarreien realisieren lässt und wer die zahlreichen Aufgaben quantitativ bewältigen und qualitativ erfüllen kann. Sozialraumorientierte Ansätze sowie multi- und interprofessionelles Arbeiten im Team sind Themen, die aus kirchenentwicklerischer Sicht stärker in den Fokus gerückt sind, die Arbeitspraxis allerdings weniger betreffen. Das kann an den lokalen Gegebenheiten liegen oder an der Frage, ob sich Kirche als zum Sozialraum zugehörig sieht oder sich auf religiöse Kommunikation mit und Angebote für eine bestimmte Gruppe verengt. Die Wahrnehmung, was zum Sozialraum dazugehört, variiert, da sich oftmals die Annahme hält, dass es sich bei Sozialräumen um Stadtteile als territoriale Gebilde handelt. Lämmlin/​Wegner betonen allerdings, dass ein Sozialraum erst durch die Interaktion von Akteuren miteinander entsteht und „beständig reproduziert und so stets neu initiiert“ wird (Lämmlin/​Wegner 2020, 29). Es stellen sich hier weitere Fragen: Konzentriert sich Kirche lediglich aufgrund einer existentiellen Notwendigkeit angesichts des Rückgangs der Mitgliederzahl auf den Sozialraum? Wie geht man mit dem Gefühl eines drohenden Identitätsverlusts um?

Das übergeordnete Ziel muss sein, aus der konkreten Sendung eine Gemeinschaft auf der Grundlage des Evangeliums entstehen zu lassen, in der wir uns von einer reinen Angebotspastoral mit Versorgermentalität weiterentwickelt haben zu einer partizipativen und inklusiven Pastoral der Vielfalt, die die Menschen mit ihren Gaben als selbstbestimmte Akteure ihres Glaubenslebens würdigt.