„Allerdings halten wir Maß“ (Tert. apol. 42,2)
Frühchristliche Luxuskritik im antiken Rom
Der Begriff Luxus stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutete ursprünglich „üppige Fruchtbarkeit der Erde“ (Weeber 2003, 7). In Anlehnung an diese Naturbeschreibung bildete sich das noch heute gültige Verständnis für Luxus. Im antiken Rom entstand bereits im 2. vorchristlichen Jahrhundert ein Terminus, der die negativen Eigenschaften des übermäßigen Reichtums, der Genuss- und Ruhmsucht, der Verschwendung und des Strebens nach Prunk und Pracht zusammenfasste. Dieser Begriff lautet luxuria. Die luxuria wurde im Laufe der Zeit zum Angriffspunkt durch Philosophen, Politiker und, wie gezeigt werden soll, frühchristliche Autoren. Während Politiker mit der luxuria den Sittenverfall in Rom sich ausbreiten sahen, äußerten Philosophen sowie frühchristliche Schriftsteller vornehmlich Kritik am verschwenderischen Lebensstil (vgl. ebd.).
Die luxuria war aber keinesfalls Privatsache einiger weniger Reicher. Vielmehr kann man den Luxus in Rom in zwei Kategorien einteilen. Auf der einen Seite ist der private Luxus, der sich zuweilen durch Luxusvillen, ausgefallenen Schmuck oder auch durch pompöse Gastmähler offenbarte, und auf der anderen Seite der öffentliche Luxus, der zumeist repräsentativer oder besser gesagt ostentativer Darstellung herrschaftlicher Macht diente. Der öffentliche Luxus präsentierte sich dabei in verschiedensten Formen, wie bspw. durch Aquädukte, große Triumphzüge, öffentliche Spiele oder aber auch in sakralen und profanen Prachtbauten, die Rom in eine Stadt des Marmors verwandelten (vgl. Weeber 2006, 13).
Mit dem Transformationsprozess des Christentums von einer apokalyptischen Endzeitbewegung hin zu einer Religionsgemeinschaft, die in die Welt gekommen ist, um in ihr zu bleiben, ist in der Frühphase eine Entwicklung zu erkennen, die die philosophische und theologische Begegnung mit Staat und Gesellschaft sucht. Ab dem 2. Jahrhundert lässt sich eine Gruppe von Autoren registrieren, die sich dieser Aufgabe verschrieben haben. In der Forschung spricht man hierbei von den frühchristlichen Apologeten. Neben der Apologetik – also der Verteidigung (des Glaubens) – zeigen die Autoren reflexives Interesse an der Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Leben und versuchen einen christlichen Lebensentwurf darzulegen, der teils kompatibel, teils inkompatibel mit dem Leben in der römischen Antike ist. Geprägt ist diese denkerische Konfrontation durchaus auch von Kritik, nicht zuletzt am Umgang mit Mitmenschen, der Natur und materiellen Dingen. Kurz gesagt, es entsteht eine Luxuskritik, die verschiedene Ebenen des alltäglichen Lebens betrifft und einen mithin christlichen Gegenentwurf produzieren möchte.
In Stellvertretung der frühchristlichen Apologeten des 2. Jahrhunderts kommen im Folgenden Justin der Märtyrer, Tertullian und Minucius Felix zu Wort. Exemplarisch für das luxuriöse Leben im antiken Rom werden drei Bereiche der luxuria genauer beleuchtet und die frühchristliche Kritik daran aufgezeigt. In den Blick genommen werden dabei erstens der luxuriöse Blumenschmuck, der zweitens in Verbindung steht mit üppigen und prunkvollen Gastmählern, die drittens häufig in opulenten Villen oder auch in öffentlichen Prachtbauten stattfanden. Abschließend wird versucht, einen Gegenentwurf des Gemeindeverständnisses der frühchristlichen Apologeten nachzuzeichnen.
Von Blumen und Kränzen – eine Kritik am Schmuck der Römer*innen
Wenn sich die römische Oberschicht zum Festessen traf, stand nicht nur das Essen im Mittelpunkt. Schon in vorchristlicher Zeit bildete sich bei Banketten eine gewisse Affinität zum mondänen Schmuck heraus. Ebenso wie Salböl bei den Gastmählern im Neuen Testament (vgl. Lk 7,36–50) eine wichtige Rolle einnimmt, kommt diese Obliegenheit in der römischen luxuria Blumenkränzen zu (vgl. Weeber 2003, 33). Die Kränze waren zunächst aus Pflanzen wie Efeu oder Myrte gefertigt und wurden während der Gastmähler auf dem Kopf getragen. Dieser eher einfache Kopfschmuck, von dem man annahm, dass er die Träger*innen vor den üblen Nachwirkungen des reichlichen Genusses des Weines schützen sollte, wurde alsbald abgelöst von aufwendigeren und farbvolleren Kränzen. Mit der Zeit wurden so aus den vormals schlichten Laubkränzen luxuriöse Geflechte, die zum Statussymbol unter den Teilnehmer*innen und Gastgeber*innen avancierten. Ein Kranz galt dann als schön und edel, wenn er mit Blüten, insbesondere von Veilchen, Lilien und allen voran Rosen, verziert war. In den warmen Jahreszeiten war dies freilich kein Problem, unterdessen es sich im Winter durchaus anders verhielt. In der frühen Kaiserzeit folgte daraus geradezu ein Boom der Blumenindustrie, da man nicht mehr gewillt war, auf das Statussymbol zu verzichten. In Italien, in Pompeji und in Kampanien, entstanden Treibhäuser, die der Aufgabe nachkamen, fortwährend frische Rosen und Lilien zu liefern, die dann zu opulenten Kränzen verarbeitet werden konnten. Auch der Import aus dem entfernten Ägypten war nicht unüblich, was dazu führte, dass die Preise der Kränze förmlich explodierten. Die Blumenkränze wurden bisweilen zu Prestigeobjekten, die von großzügigen Gastgeber*innen an die Gäste verschenkt wurden, um so den eigenen Reichtum und Status zu unterstreichen (vgl. Weeber 2003, 33 f.).
Ferner gehörte es auch bei den einfachen Bürger*innen Roms bald zum guten Ton, mit pompösen Blumenkränzen an den öffentlichen Spielen und Festen teilzunehmen. Im Werk „Octavius“ von Minucius Felix, das in Dialogform geschrieben ist und in dem zunächst ein (fiktiver) Gegner des Christentums Namens „Caecilius“ das Wort ergreift, wird die Kritik geäußert, dass die Christ*innen weder an öffentlichen Ereignissen wie Spielen, Festzügen oder öffentlichen Speisungen teilnehmen noch ihr Haupt mit Kränzen schmücken (vgl. Min. Fel. 12,4–6). In dieser direkten Bemängelung lässt sich eine negative Haltung der Christ*innen gegenüber dem oben beschriebenen luxuriösen Kopfschmuck herauslesen. Minucius Felix, der mithilfe des hypothetischen Christen „Octavius“ auf den vorgetragenen Einwand antwortet, entgegnet Folgendes: „Auch wir erfreuen uns an den Blumen des Frühlings – wer wollte das bezweifeln? Gern pflücken wir uns die Frühlingsrose, die Lilie und was es sonst noch geben mag an schönfarbigen, wohlduftenden Blumen“ (Min. Fel. 38,2). Statt dass die Blumen in Kränzen auf dem Kopf getragen werden, betont Minucius Felix jedoch, dass die Christ*innen lieber den Duft genießen, wenn die Blumen in einfacher Form um den Hals gebunden sind (vgl. ebd.). In gleicher Weise argumentiert auch Tertullian, der nicht ganz ohne Ironie bekräftigt: „Ich kaufe mir keinen Kranz für den Kopf. […] Wenn welche mit dem Haare riechen, ist es ihre Sache!“ (Tert. Apol. 42,6). Hinter den weniger scharfen Aussagen verbergen sich handfeste Kritikpunkte. Einerseits wird auf die Jahreszeit rekurriert und damit implizit Ablehnung des Vorgangs der Beschaffung der Blumen geäußert und andererseits lässt sich im Hintergrund der ironischen Aussage Tertullians die paulinische Theologie, dass der Mann sein Haupt aufgrund seiner Abbildhaftigkeit Gottes nicht verhüllen solle, erkennen (vgl. 1 Kor 11,7). Darüber hinaus betont Minucius Felix, dass die Christ*innen keine Kränze benötigen, sondern auf den „immergrünen Kranz von unvergänglichen Blumen“ (Min. Fel. 38,4) aus Gottes Hand hoffen, womit eine klare Absage an den luxuriösen Kopfschmuck getätigt wird.
Lukullisch gespeist – Gastmähler in Rom und die frühchristliche Antwort
Lucius Licinius Lucullus (117–56 v. Chr.) gilt geradezu als der Inbegriff des Römers, der große Bankette veranstaltet, auf denen allerlei Köstlichkeiten serviert werden. Nicht umsonst hat sich der Name sprichwörtlich für gutes üppiges Essen im Sprachgebrauch etabliert. Was mit Lucullus Fahrt aufgenommen hat, sollte nur der Anfang einer außergewöhnlichen Leidenschaft der Römer*innen zu ihren Gastmählern sein (vgl. Weeber 2003, 15 f.).
Über die luxuriösen Gastmähler des Lucullus ist überliefert, dass ein „normales“ Gastmahl, das nur wenig Vorbereitungszeit hatte, gerne mal 50.000 Sesterzen kostete. Zur Einordnung sei hier erwähnt, dass der Tagesverdienst der einfachen Bürger*innen Roms ca. zwei bis vier Sesterzen betrug und es keine Selbstverständlichkeit war, dass jeden Tag der Hunger gestillt wurde. Lucullus wirkte dennoch regelrecht stilbildend mit seinen Gastmählern, die immer ausgefallener wurden und die verschiedensten Arten von Spezialitäten, wie Turteltauben, Pfauen oder Drosseln, präsentierten (vgl. ebd. 17 f.). Nahezu identisch war das Auftreten eines gewissen Apicius (ca. 25 v. Chr – 42 n. Chr.), der in der Kaiserzeit mit seinen Gastmählern Aufsehen erregte. Ganz in der Tradition des Lucullus veranstalte er prächtige Bankette, bei denen er erstmals Flamingozungen als Delikatesse in Rom einführte. Apicius soll für seinen Lebensstil, der in erster Linie aus glamourösen Gastmählern und dem Anhäufen von Tafelsilber bestand, insgesamt mehr als 140 Millionen Sesterzen ausgegeben haben. Gewollt provozierte er mit seinem Luxus, den er offen nach Außen trug, und galt mithin in Rom als der Prototyp eines „Edelfressers“ (ebd. 22).
Ganz neue Maßstäbe des Tafelluxus setzte Kaiser Vitellius (12–69 n. Chr.). Sobald der Kaiser zu Gast war, haben die erlesenen Gastgeber*innen nur selten weniger als 400.000 Sesterzen für ein Gastmahl zu seinen Ehren aufgewendet. Wichtig war dem Kaiser die Internationalität seiner Speisen. Dabei wurden Spezialitäten der Extravaganz wie Leber von Papageienfischen, Hirn von Fasanen oder die auch schon genannten Flamingozungen dargeboten (vgl. ebd. 27).
Zusätzlich war es aber nicht nur wichtig, was offeriert wurde, sondern auch worin. Bereits in vorchristlicher Zeit entfaltete sich innerhalb der römischen Aristokratie eine Vorliebe für Tafelsilber, was bewirkte, dass immer mehr Silber nach Rom eingeführt werden musste. Das Verlangen nach Tafelsilber hatte wiederum zur Folge, dass in den eroberten Gebieten, vor allem in Spanien, Silberminen für die Belange der luxuriösen Oberschicht ausgebeutet wurden. In der Kaiserzeit war es dann keine Seltenheit mehr, kiloweise Silbergeschirr zu besitzen. Besonders reiche Römer ließen sich im Zuge dessen Silberschalen anfertigen, die zum Teil mehr als 150 kg wogen, um so ihren Reichtum bei Gastmählern präsentieren zu können. Neben dem Streben nach Quantität wuchs die Neigung zur qualitativen Silberkunst. Mit dem Aufkommen der Relieftechnik im 2. Jahrhundert, durch die das Tafelsilber mit repräsentativen und mythologischen Darstellungen sinnbildlich vergoldet wurde, stieg der Wert dermaßen, dass die Silbergefäße zu Kapitalanlagen und Statussymbolen schlechthin arrivierten (vgl. ebd. 31).
Zwar gab es schon in vorchristlicher Zeit Versuche, gegen die luxuriösen Gastmähler staatlich vorzugehen, wobei Gesetze erlassen worden sind, die vorschrieben, dass ein Gastmahl nicht mehr als 100 Sesterzen kosten dürfe, doch müssen diese Versuche als gescheitert angesehen werden. Tertullian attestiert diesen Umstand mit bissiger Ironie und führt aus: „Denn ich sehe […], dass ‚Hundertmahle‘ so benannt werden müssen nach den gar hunderttausend Sesterzen, die sie kosten […]“ (Tert. Apol. 6,3) und übt im gleichen Atemzug massive Kritik an der Ausbeutung von Silberminen, wenn er feststellt, „dass ganze Silbergruben zu Schalen verarbeitet sind“ (ebd.). Die Ausbeutung der Natur wird bei frühchristlichen Apologeten vornehmlich aus schöpfungstheologischer Sicht betrachtet, worin der Natur etwas Heiliges zugesprochen wird, zumal sie direkt von Gott stammt und der/die Christ*in den Auftrag hat, über die Welt zu walten (vgl. Gen 1,26).
Mit dem umgewandelten Herrenwort: „Doch den Strohhalm im fremden Auge erblickt man auch leichter als im eigenen den Balken“ (Tert. Apol. 39,15; vgl. Mt 7,3; Lk 6,41) enthüllt Tertullian, dass es auch aus römischer Warte Kritik an christlichen Mahlgemeinschaften gegeben hat, was sich überdies auch am Einwand des Caecilius erkennen lässt. Dabei wird den Christ*innen vorgeworfen, dass die Mahlgemeinschaften Trinkgelage wären, die von okkulten Riten begleitet werden (vgl. Min. Fel. 9,6–7). Bezug auf die Vorwürfe nehmend antwortet Tertullian, dass die Christ*innen, anstatt Geld bei Trinkgelagen oder bei großen Festessen herauszuschmeißen, mit dem Geld die soziale Nachhaltigkeit der christlichen Gemeinden fördern. Das Geld wird dabei eingesetzt „für den Unterhalt […] für Jungen und Mädchen, die ohne Habe und Eltern dastehen, und außerdem für bejahrte Hausbedienstete, ebenso für Schiffbrüchige, und […] Menschen in den Bergwerken, auf den Inseln oder in den Gefängnissen […]“ (Tert. Apol. 39,6). Verstärkt wird die Kritik an den römischen Gastmählern, wenn Tertullian betont, dass die Christ*innen lieber Bankette für Mittellose veranstalten, als das Ziel zu verfolgen, „nach dem Ruhm zu streben“ (ebd. 39,16). Überdies wird die Maßlosigkeit der opulenten Festessen kritisiert, indem Minucius Felix die christlichen Mahlgemeinschaften kontrastierend als besonders maßvoll beschreibt und beteuert, dass diese nicht durch ausgiebigen Weingenuss in die Länge gezogen werden (vgl. Min. Fel. 31,5).
Ein weiterer Aspekt, der als gelebte Antwort auf die luxuriösen Bankette zu verstehen ist, ist das Fasten. Justin deklariert das Fasten als Konstitutivum für den Eintritt in die christliche Gemeinde. Der Verzicht für die Katechet*innen und bereits getauften Christ*innen, die die Anwärter*innen begleiten, rückt infolgedessen in den Mittelpunkt (vgl. Just. Apol. 1. 61,2). In dieser Handlung zeigt sich wiederum ein klarer Schritt gegen Völlerei und Luxus, der bereits durch den Eintritt ins Christentum vollzogen wird.
Von Prachtbauten und Villen – ein Sieg über die Schöpfung
Seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. ist ein regelrechter Wettstreit innerhalb der römischen Oberschicht um die schönsten und prächtigsten Luxusvillen zu erkennen. Ursprünglich verstand man unter dem Begriff villa einen Gutshof außerhalb der Stadt. Mit der Baulust der Reichen veränderte sich die Bedeutung in die heutige Konnotation und die originale landwirtschaftliche Funktion wurde nur noch in den seltensten Fällen betrieben. Die Villen avancierten zur Verkörperung der luxuria, da sie fast ausschließlich der Inszenierung dienten. Schon früh ist vor diesem Hintergrund Kritik erkennbar, in der die Villen gleichsam als „eine Perversion des ‚Naturzustandes‘“ (Weeber 2003, 46) gekennzeichnet wurden (vgl. ebd. 44–47). Bei der Standortwahl war es wiederum von großer Bedeutung, einen Blick in Richtung Meer, auf Flüsse oder auf Hügel zu haben, woraus folgte, dass auch dort, wo sich geographische Schwierigkeiten boten, Luxusvillen erbaut wurden. Es galt geradezu als Zeichen des absoluten Reichtums, wenn man in der Lage war, die Natur zu zähmen, wodurch sich der Bau solcher Luxusstätten zum Sieg des Menschen über die Natur exponierte. Wo Berge im Weg standen, wurden sie abgetragen, wo das Meer gefährlich nahe war, wurden Stützpfeiler errichtet, und wo die Natur noch wild war, wurde sie zu Gartenlandschaften modifiziert (vgl. ebd. 57–60).
Aber nicht nur die Darstellung von Besitztum war mit den Villen verbunden, sondern auch intellektuelle Stilisierung der Villenbesitzer*innen. Großangelegte Bibliotheken arrivierten dabei zum Statussymbol der Oberschicht und angesichts der Beschaffung der Bücher zum enormen Kostenfaktor. Überdies wurden Statuen aus der griechischen Mythologie zum Merkmal der luxuria. Mochte man nicht an Ansehen verlieren, stand es außer Frage, eine luxuriöse Sammlung griechischer Kunst zu besitzen (vgl. ebd. 49–52).
Waren Prachtbauten vor der Kaiserzeit vornehmlich Privatsache, änderte sich dies unter Augustus (63 v. Chr. – 14 n. Chr.) nachhaltig. Konsequent wurden öffentliche Luxusbauten, die die kaiserliche Macht demonstrierten, geschaffen. Aber nicht nur auf der profanen Ebene entstanden neue Luxuseinrichtungen, wie Amphitheater oder Badeanstalten, die alles Dagewesene in den Schatten stellten, sondern auch in der sakralen Sphäre kam es zu einer nie erreichten Bautätigkeit. Aus dem Tatenbericht des Augustus kann man entnehmen, dass er alleine in seinem sechsten Konsulatsjahr über 80 Tempel erbauen ließ. Die Heiligtümer wurden aufgrund ihrer opulenten Bauweise und ihrer Ausstattung mit Marmor, Gold und Silber zum Archetypus des römischen Tempelluxus. Die prunkvollsten augusteischen Tempel waren der Mars-Ultor-Tempel und der Tempel des Apollo Palatinus, die mit prächtigen Statuen der jeweiligen Gottheiten ausgestattet waren. Ebenso war das Forum Augustum inmitten Roms geprägt von einer Reihe an Figuren, die Gottheiten darstellten und so angelegt waren, dass alles auf Augustus als den göttlichen Retter Roms hindeutete (vgl. Weeber 2006, 140–147).
Neben der allgemeinen Missbilligung der Verschwendung und Ehrsucht zeigt sich die frühchristliche Kritik an den Prachtvillen der römischen Oberschicht auf zwei Arten (vgl. Tert. Apol. 6,2). Einerseits kritisiert Tertullian die Wohnweise der Römer*innen scharf, indem er ihnen vorwirft, sich von den Idealen der Vorfahren, dem mos maiorum, zu entfernen (vgl. ebd. 6,9). Andererseits legt Minucius Felix dar, dass die Welt von Gott erschaffen wurde und nach einer planvollen Ordnung abläuft. Gott ist derjenige, der die ganze Natur beseelt, bewegt, lenkt und für deren Erhaltung zuständig ist. Die Natur hat somit Anteil am Göttlichen, woraus resultiert, dass sie mit Respekt und nachhaltig behandelt werden muss (vgl. Min. Fel. 17,3–6). Der direkte Eingriff in die Schöpfungsordnung wird dadurch zur Widerhandlung gegenüber Gott.
Stärker noch als die Kritik an den Luxusvillen ist der Einwand gegen die mythologischen Skulpturen. Verständlich wird dies vor dem theologischen Hintergrund des alttestamentlichen Bilderverbots (vgl. Ex 20,4; Dtn 4,16 f.). Tertullian geht mit seiner Argumentation sogar so weit, dass durch die Darstellungen der Götzen Gott dermaßen erzürnt wird, dass das Ende der Welt bald nahe ist (vgl. Tert. Apol. 41,1–2). Gleichzeitig verbindet sich mit der theologischen Kritik an der Idolatrie auch eine gesellschaftliche Luxuskritik. Aufgrund der Huldigung von Statuen, die u. a. aus Gold, Silber und Marmor hergestellt wurden, zeigt Minucius Felix Missbilligung am Umgang mit Luxusgütern. Abgesehen vom Aspekt der Bildanbetung wird die äußere Form der Darstellungen als Personifikation der Habsucht gekennzeichnet, die mit Gier nach Reichtum Hand in Hand geht (vgl. Min. Fel. 24,10). Justin betont in Bezug auf die generelle Zurschaustellung von Luxus und Reichtum, dass Gott keine materiellen Gaben benötige. Stattdessen bekräftigt er, dass Gott vor allem die Verhaltensweisen der Mäßigung, Gerechtigkeit und Menschenfreundlichkeit berücksichtige, und übt so Kritik an den luxuriösen Gottesbildern und opulenten Tempeln (vgl. Just. Apol. 1. 10,1).
Die Tempelkritik der frühchristlichen Autoren zeigt sich dann wiederum auf zwei Ebenen. Zum einen wird der Aspekt der Anbetung der „falschen Götter“ wie bereits bei den Statuen angeführt und zum anderen der ausbeuterische Umgang mit den Tempelschätzen bemängelt. Justin akzentuiert seine Darlegung gegen die Tempelschätze dahingehend, „dass die Dinge unbeseelt und tot sind und nicht die Gestalt Gottes haben […]“ (ebd. 9,1), während Tertullian darauf aufmerksam macht, dass die Tempelschätze mit der Ausbeutung von Bergwerken in Verbindung stehen (vgl. Tert. Apol. 29,2).
Auch der Einwand, dass Christ*innen keine eigenen Tempel haben, wird aus frühchristlicher Sicht verteidigt. Minucius Felix führt diesbezüglich aus, dass es nicht notwendig ist, sich in einem kleinen Raum zu verschließen, um zu Gott zu beten, vielmehr ist der Mensch Ebenbild Gottes (vgl. Gen 1,26) und die ganze Welt der Tempel Gottes, um folglich die Frage zu stellen: „Sollen wir Gott nicht besser in unseren Herzen verehren?“ (Min. Fel. 32,2).
Gegen Reichtum und Luxus – frühchristliches Gemeindeverständnis
Abschließend soll nun ein frühchristlicher Gegenentwurf zur luxuria der römischen Gesellschaft aufgezeigt werden, der in erster Linie das Gemeindeverständnis der frühen Christ*innen in den Blick nimmt.
Die römische Kritik an der Armut der Christ*innen kehrt Minucius Felix ins Gegenteil um, wenn er argumentiert, dass der Wohlstand den Geist schwächt, während Bescheidenheit diesen stärkt. Auch die Frage nach der wahrhaftigen Armut wirft er auf, indem er fragt: „Und wie könnte denn der arm sein, der keine Bedürfnisse empfindet, der nicht nach fremdem Gut trachtet, der reich ist in Gott?“ (Min. Fel. 36,4). Die Ruhmsucht und der übermäßige Reichtum wird dann vielmehr als ein Entferntsein von Gott gedeutet und es wird ein Gegenbild zur luxuria entworfen, das auf soziale Nachhaltigkeit ausgelegt ist: „Die Wohlhabenden und die, die wollen, geben – ein jeder nach seinem eigenen Ermessen, was er will. Und was zusammenkommt, wird beim Vorsteher hinterlegt, und der hilft Waisen und Witwen und denen, die wegen einer Krankheit oder aus sonstigen Gründen bedürftig sind […]“ (Just. Apol. 1. 67,6–7). Die caritative Aufgabe konstituiert sich wiederum durch ein frühchristliches Menschenbild, das von der Ansicht, dass alle Menschen unabhängig von Alter, Bildungsgrad, Geschlecht oder Rang gleich erschaffen wurden und zum selben Gebrauch der Vernunft imstande sind, bestimmt ist. Damit verbunden ist wiederum eine Kritik an der luxuria, die diese Gleichheit außer Kraft setzt (vgl. Min. Fel. 16,5).
Auch der Vorwurf, dass die Christ*innen sich dem gesellschaftlichen Leben entziehen, wird entkräftigt und es wird beteuert, dass die Christ*innen für den Kaiser und den Bestand der Erde beten sowie an Festen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen (vgl. Tert. Apol. 30,4; 42,2). Mit Bezug auf den Umgang mit der Schöpfung wird jedoch eine andere Lebensweise postuliert, die sich wie folgt äußert: „Wir verschmähen keine Frucht seiner [sc. Gottes] Werke, allerdings halten wir Maß, um sie nicht über das Maß hinaus oder falsch zu gebrauchen“ (ebd. 42,2).
Das frühchristliche Gemeindeverständnis ist demgemäß von drei Faktoren geprägt. Erstens wird ein Gegenentwurf des Schemas von Arm und Reich gezeichnet, der die materiellen Besitztümer in den Hintergrund treten lässt und den Glauben in den Mittelpunkt rückt. Zweitens wird die soziale Nachhaltigkeit, die sich durch das caritative Verhalten der Gemeindemitglieder äußert, zum neuralgischen Punkt der Gemeinde und drittens wird das Maßhalten sowohl gegenüber der Schöpfung als auch im gesellschaftlichen Umgang zum Kennzeichen der frühen Christ*innen.