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Charismenorientierung im Petrus-Weg aus der Perspektive eines Mitglieds der ersten „Equipe“

Sr. Margret Fühles RSCJ berichtet von den Erfahrungen von und mit Ehren­amtlichen in Gemeindeleitung im Pastoralkonzept des Petrus-Wegs der Pfarrei St. Petrus in Bonn, und zwar aus der Perspektive eines Mitglieds der ersten „Equipe“. Sie nimmt dabei v. a. besondere Aspekte des Weges wie die Haltung der Unterscheidung und ein verändertes Selbstverständnis der Gemeinde in den Blick.

Dieser Beitrag war ein Impuls beim Vernetzungstreffen Ehrenamt vom 6. bis 7.2.2018 in Erfurt. Der Vortragsstil wurde beibehalten.

Bei dieser <link ausgabe-1-2018 termine-berichte vernetzungstreffen-ehrenamt>Tagung „Ehrenamtliche Gemeindeleitung“ sind die Erfahrun­gen des Petrus-Weges unter dem Wort „Charisma“ zusammengefasst. Das entspricht dem Petrus-Weg, so wie er von der Inspiration her ange­legt ist und wie wir ihn bisher in der Gemeinde gegangen sind.

In der Kirche gefragt sein, berufen sein

Ich zitiere aus einem Artikel des „Eckstein“, eines Pfarrblatts, das zwei­mal im Jahr erscheint. Dieser Artikel ist nach einigen Monaten Erfah­rung von allen Equipemitgliedern zusammengestellt und von der Moderatorin formuliert worden:

„Der Entschluss, tatsächlich loszugehen und sich in die Equipe beru­fen zu lassen, kam bei niemandem von uns spontan und ohne Zögern. Was allerdings in großer Spontaneität geschah, war das „dann doch“, das – trotz anfänglichem Zögern – plötzliche Spüren, dass es richtig ist aufzubrechen. Der Prozess der Entscheidung war bei uns allen gleichermaßen einer, der Freude ausgelöst hat. Ähnlich mag es auch denjenigen ergangen sein, die gefragt wurden und sich schließlich dagegen entschieden haben, eine Berufung anzunehmen. Schon die Erfahrung, gebeten zu werden und darüber mit sich selber ins Ge­spräch zu kommen, war und ist für alle Beteiligten etwas Wichtiges. Der Geist Gottes war mit im Spiel …“

Schon im Ansatz geht es um Überraschungen, um Talente und Begabun­gen, darum, diese mit dem eigenen Lebensgrund in Berührung zu brin­gen. Es geht um gegenseitiges Vertrauen, auch um das Vertrauen in den Geist Gottes, der mit uns geht, möglicherweise auch mit in Sackgassen hinein. Welche Geistesgaben, Talente zeigen sich in der Gemeinde, die für den Aufbau der Gemeinde geweckt werden wollen? Welchen Weg führt uns dadurch der Heilige Geist?

Es geht nicht mehr um Aufgabenorientierung, darum, Lücken zu stop­fen, ja noch nicht einmal darum, die Kirche in ihrer jetzigen Gestalt zu retten. Es geht vielmehr um die Frage: Wohin führt uns der Geist? Er ist der Wegweiser. Zu welcher Gestalt von Kirche führt er uns? Das wissen wir erst, wenn wir den Weg gehen, dem Geist, der Intuition folgen. Die Haltung der Mitglieder der Equipe wurde von jemandem von außen bezeichnet als „Seismograph“: Ihr seid in der Gemeinde mit anderen Antennen von Aufmerksamkeit und Sensi­bilität.

Aspekte des Weges

a) Die Haltung der Unterscheidung
Wir als Equipe haben sehr positive Reaktionen bekommen, auch von außerhalb der katholischen Gemein­de, sind sehr schnell von verschie­denen Seiten gebeten worden, bestimmte Initiativen zu unterstützen bzw. Aufgaben zu übernehmen (Osterfrühstück, Flüchtlingsarbeit …). Wir haben (mit Kriterien der Unterscheidung) dem widerstanden. Wir möchten uns den Raum der neuen geistlichen Freiheit nicht nehmen und zuschütten lassen.

Pfr. Meik Schirpenbach, unser geistlicher Begleiter, hat des Öfteren formuliert: Überfordert euch nicht! Das heißt auch: Belastet euch nicht mit Fremdem, das euch von außen angetragen wird, sondern übt die Unterscheidung der Geister, hört, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2,11).


b) Leitung

Es war in der Formulierung der Übertragung dieses Amtes in der Ge­mein­de von „Teilnehmen an der Leitungsverantwortung in der Gemein­de“ die Rede. Es war nicht einfach und ist es bis heute nicht, hier eine Klärung der Kompetenzen zu erreichen, eben weil nicht alles hierar­chisch gegliedert ist. Es hat sich aber im Laufe des Tuns etwas anderes entwickelt, was ein Gemeindemitglied so formuliert hat: „Ihr leitet sehr effektiv, indem ihr Orientierung gebt, Schwerpunkte herausarbeitet, Kommunikation pflegt.“ Das heißt nicht, letzte Entscheidungen zu treffen, aber Leben zu bewirken, das sich Bahn bricht. Dies drückt für uns einen neuen Aspekt von Leitung aus.


c) Veränderung des Selbstverständnisses der Gemeinde – Kirche der Nähe

Eine Initiative, aus Frustration und Ärger entstanden, ist bezeichnend: Die Prospekte, in denen wir unsere ersten Unternehmungen (Anlässe, miteinander ins Gespräch zu kommen) veröffentlichen wollten, sind nicht rechtzeitig vor den Sommerferien fertig geworden, so dass wir den gewohnten Weg der Verteilung in die Briefkästen der katholischen Ge­meindemitglieder nicht mehr gehen konnten. Im allerletzten Gottes­dienst waren die Prospekte da. Ich kündigte am Ende der Messe an: „Auf dem Kirchplatz werden wir jedem gleich ein Päckchen Prospekte in die Hand geben. Bitte lesen Sie sie und verteilen Sie sie an Ihre Freunde, Nachbarn, Mitarbeiter, an Arztpraxen, Supermärkte etc.!“ Die Gemeinde ist dadurch selbst aktiv geworden. Der Bereich derer, die angesprochen wurden, hat sich nicht auf die Katholiken der Gemeinde beschränkt, sondern erweitert über gewohnte Grenzen hinweg. Dies ist ein kleiner Moment, aber wie im Brennglas betrachtet ein Moment der Verlebendi­gung der Gemeinde. Als Motto eines Reflexionstages mit der Gemeinde hieß es später entsprechend: „Der Ort der Gemeinde ist die Stadt.“ Das hat sich zu unserer zentralen Erfahrung ausgeweitet.


d) Selbstverständnis der Equipe im Kontext der Gemeinde

Wir haben uns nicht als „Säulen“ (Vertretung der Hauptcharakteristika einer kirchlichen Gemeinde) verstanden, sondern – wohl mit dem je­weiligen Akzent – uns gegenseitig aufeinander bezogen. Das machte es auch nicht nötig, kleinere Kreise um die „Säulen“ herum zu bilden wie in Poitiers, wir waren vielmehr unsere eigene Referenzgruppe, gerade in der Überschneidung und Verflechtung der Themen. Es waren uns auch zu viel der Termine, die wir hätten wahrnehmen müssen, einen solchen Kreis regelmäßig zusammenzurufen. Wer sich aber dennoch meldete, waren einzelne Pfarrmitglieder, die sagten: „Wenn du mich von Zeit zu Zeit brauchst, steh’ ich gern zur Verfügung.“ Es machte uns Mut, solche Menschen daraufhin für bestimmte Unternehmungen zu fragen und um Hilfe zu bitten – auch eine Art des „Rufens“. Hier einige Beispiele:

  • Für unseren ersten Gesprächsanlass gingen wir auf einen Waldspa­ziergang mit mehreren Stationen. Eine Frau bot uns an: „Ich möchte euch unterstützen. Ich kenne dort die Wege gut und begleite euch. Und dann seid ihr eingeladen zu einer Pause mit Getränken in unse­rem Forsthaus.“
  • Im Frauenmuseum, das auf dem Gelände unserer Gemeinde liegt, fand zu dieser Zeit eine Ausstellung zum Thema „Frauen in den Welt­religionen“ statt. Nach Absprache mit der Leiterin, Frau Pitzen (Grün­derin des ersten Frauenmuseums der Welt), lud die Equipe zu einer wöchentlichen Zeit des Schweigens (eine Viertelstunde) ein, mitten zwischen den Exponaten im ersten Stock der Ausstellung. Das ge­meinsame Schweigen wurde durch einen Impuls eingeleitet. Diesen übernahmen verschiedene Frauen aus der Gemeinde und aus ande­ren Konfessionen und Religionen: eine evangelische Frau, eine Mus­lima, eine Buddhistin, eine Quäkerin … Daran schloss sich manchmal ein Gespräch an.


e) Zusammenarbeit

Eine weitere Vorgehensweise war es, mit anderen Institutionen oder Initiativen zusammenzuarbeiten. Zunächst einmal mit solchen, die es im Viertel schon gab: Fest der Kulturen, Mackefest; dann auch auf Stadt­ebene: Nacht der Kirchen.

Neu ist die Gestaltung des Advents im Viertel (zusammen mit dem Katholischen Bildungswerk): „unerwartet – erwartet“ (24 kulturelle Ereignisse). Jeweils zwei Personen oder Familien oder Institutionen tun sich zusammen, um etwas Drittes, Kreatives zu finden, das öffentlich angeboten wird. So gibt es an jedem Tag des Advents einen Sammlungs­punkt im Viertel mit Überraschungen, vor allem von Kindern gern be­sucht und mitgestaltet.

Etwas Neues war auch die Zusammenarbeit der Vertreter der sozialen Bereiche auf den verschiedenen Ebenen im Viertel auf Initiative des entsprechenden Mitglieds der Equipe. Es gab jetzt den „Runden Tisch. Soziales in der Bonner Nordaltstadt“ mit Vertretern der Equipe, des PGR, der Hauptamtlichen, der Kommune und auch der muslimischen Gemeinde, die dort eine Moschee hat.


f) Weitere Konkretisierungen – Verantwortung in der Gesellschaft

Jemand aus der Equipe hat Kontakt zu Homosexuellen der Umgebung, er bereitete eine Andacht vor für die in der letzten Zeit an Aids Verstor­benen. Viel Engagement gab es für eine Altenbegegnungsstätte im „Blu­menhof, die von der Stadt geschlossen werden sollte. Es wurde zusammen mit der Stadt eine Lösung gefunden, an der sich die katholi­sche Gemeinde aktiv beteiligt und so denen, die ohne Stimme sind, eine Stimme gibt.

Türkische Kinder in der Grundschule auf dem Gelände der Gemeinde, die in ihrem Deutschlernen zu Hause nicht unterstützt werden können, bekamen durch das Engagement einer Frau aus der Equipe die Chance, durch Studenten der Erziehungswissenschaften hierin speziell gefördert zu werden („Sprachfunken“).

Durch die Vertreterin der Liturgie wurde eine ökumenische Stadtteil­vesper initiiert, die bis heute alle vier Wochen gefeiert wird. Von großer Intensität war – auch von einem Ad-hoc-Team vorbereitet – der Segensgottesdienst für Menschen in Übergangssituationen. Einmal im Jahr findet ein Schnuppertag „Straßenexerzitien“ statt, wo es darum geht, an den Orten in der Stadt aufmerksam zu sein auf das, was uns begegnet, vielleicht eine Ahnung zu bekommen von Christus, den wir suchen und der uns vielleicht in einer anderen, unerwarteten Gestalt begegnet.

Was hier aufgezählt ist, sind nicht einzelne Aktivitäten. Sie sind – so hoffen wir – mit Hilfe des Heiligen Geistes im Tun erspürte Möglichkei­ten, im Glauben lebendig zu sein und die geschenkten Talente der Ein­zelnen für die anderen zur Verfügung zu stellen – eine Konkretisierung der Charismen.