Katholisches Medienhandbuch
Bereits das Vorwort des Katholischen Medienhandbuchs von „Medienbischof“ Dr. Gebhard Fürst benennt die missionarische Relevanz der kirchlichen Medienarbeit: Sie dient dem Gespräch zwischen Kirche und Welt und muss sich besonders auch darum bemühen, Kontakt aufzunehmen mit den Menschen, die mit dem kirchlichen Angebot keine Berührung haben (S. 11). Wie dies in vielfältigen Formen bereits verwirklicht und versucht wird, welche Möglichkeiten aber auch durch die internetbasierten Medien neu eröffnet und erst anfanghaft erschlossen worden sind und unter welchen gesellschaftlichen, medialen und theologischen Randbedingungen dieses Gespräch stattfindet, versucht das Medienhandbuch darzustellen. Die vier durch unterschiedliche Rand- und Akzentfarben auch optisch deutlich unterschiedenen Teile stehen dabei für verschiedene Blickwinkel auf das Themenfeld.
Unter dem Titel „Bezüge kirchlicher Kommunikation“ bietet der erste Teil einen Überblick über die grundsätzlichen Rahmenbedingungen des medialen Engagements der Kirchen. Um die Herausforderung durch die gegenwärtigen „Mega-Trends der Kommunikation“ – Digitalisierung, Vernetzung, Globalisierung u.a. – dreht sich der grundlegende Beitrag von Andreas Büsch „Kommunikation im 21. Jahrhundert“. Einige weitere Themen sind das schwierige Verhältnis der Kirche zur (Medien-)Öffentlichkeit (Matthias Wörther), das Verhältnis von Öffentlichkeitsarbeit und Seelsorge (Jürgen Holtkamp) und die Frage, wie religiöse Rede beschaffen sein muss, um in der Mediengesellschaft noch (oder wieder) Gehör zu finden (David Hober). Schon in diesem ersten Teil zeigt sich in mehreren Zusammenhängen, dass es nicht nur darum geht, neue Medien zu nutzen, um die gewohnte Art von Kommunikation über die modernsten Kanäle fortzusetzen, sondern dass in etlichen Punkten ein grundsätzliches Umdenken und eine neue Haltung erforderlich ist – die Wende von der einseitigen zur dialogischen Kommunikation ebenso wie die damit verbundene Bereitschaft, die gesellschaftlichen und kommunikativen Entwicklungen ernst zu nehmen, sich damit in Offenheit theologisch auseinanderzusetzen und Möglichkeiten und Grenzen auszuloten, statt mit Abschottungsversuchen zu reagieren, wie dies immer wieder der Fall ist.
Der zweite und umfangreichste Teil „Medien, Themen, Dienste von A – Z“ gibt in kompakten, jeweils von Fachleuten des entsprechenden Gebiets verfassten Kurzdarstellungen eine Erstinformation zu verschiedensten Medientypen vom Pfarrbrief und der Bistumszeitung bis zum „Web 2.0“, ebenso zu Institutionen der kirchlichen Medienarbeit und Meta-Themen wie Medienethik und Medienrecht. Die alphabetische Anordnung lädt weniger zu einer linearen vollständigen Lektüre als vielmehr zum Stöbern ein. Dem recht langwierigen Entstehungsprozess des Handbuchs ist es wohl geschuldet, dass einige Beiträge insbesondere zu Internet-Themen beim Erscheinen bereits nicht mehr auf dem aktuellen Stand waren; da es ohnehin nur um einen kleinen Einblick und nicht um eine erschöpfende Darstellung gehen kann, dürfte das für die meisten mit der Materie nicht bereits detailliert vertrauten Leser den Wert der betreffenden Beiträge jedoch nicht wesentlich mindern.
Im dritten Teil „Optionen kirchlicher Medienarbeit“ stehen Zukunftsperspektiven im Mittelpunkt – hier werden für verschiedene Arbeitsfelder Herausforderungen und Möglichkeiten aufgezeigt, die bisher erst ansatzweise realisiert sind.
Inspirierend hier die von Matthias Sellmann geschilderten Beispiele von technisch und gesellschaftlich bereits realistischen Szenarien von Medieneinsatz, deren Nutzung für die Kirche aber noch eher visionär erscheint. Sellmann mahnt einen „offensiven Eintritt in die mediale Manege“ an, und zwar „einen, der der Liga entspricht, in der die katholische Kirche spielt“ (221). Die Notwendigkeit eines „strategischen Drehs im Kopf“ (231) zeigt Jürgen Pelzer für den Versuch auf, im Sozialen Web die dort engagierten, aber kaum kirchengebundenen modernen Milieus zu erreichen: Das erforderliche Umdenken vom gewohnten Sender-Empfänger-Schema besteht darin, „nicht für diese neuen Zielgruppen Angebote zu erstellen, sondern mit ihnen“ und vom Anbieter zum Unterstützer von in den Milieus selbst entstehenden Initiativen zu werden. Zu den Voraussetzungen eines solchen Engagements und einer Ansprache der fernstehenden Milieus unter den Rahmenbedingungen der Inszenierungsgesellschaft stellt Jürgen Holtkamp Fragen nach der Bereitschaft in der Kirche, sich auf die dazu notwendigen Haltungen (Kritikfähigkeit, Transparenz, Akzeptanz unkonventioneller Wege u.a.) einzulassen, „Brückenbauer“ zu diesen Milieus zu finden und interne Hindernisse abzubauen (Denken in größeren Bezügen statt Fokussierung auf Gemeinde- oder Bistumsebene) (249f). Weitere Beiträge in Teil III befassen sich u.a. mit Medienethik, der kirchlichen Presse und Strategien zur Krisenkommunikation.
Schließlich bietet der vierte Teil „Aus der Praxis: Ansätze, Versuche, Beispiele“ einen Einblick in konkrete Projekte, die versuchen, kirchliche Kommunikation in neuer beispielhafter Weise umzusetzen oder die Voraussetzungen und Entwicklungen des medialen Engagements der Kirche aufgreifen und thematisieren.
Bedauerlich scheint mir, dass in verschiedenen Beiträgen des Buchs zwar die Bedeutung des einzelnen Gläubigen angesprochen wird, der gerade im Social Web für seinen Glauben einsteht, ihn authentisch in den Lebensraum Internet hineinträgt und ihn so als Person, nicht als Vertreter einer Institution bezeugt. Dennoch sind die Beispiele für zukunftsweisende Ansätze leider ausschließlich institutionelle Projekte und von kirchliche Medienprofis entwickelt und vorgestellt. Hier wäre es m. E. wünschenswert gewesen, auch mit einem Beitrag auf Phänomene wie die katholischen Blogger einzugehen, die im Beitrag „Wenn Kirche unter die Blogger geht“ von Thomas Belke leider nur am Rande als Gastautoren auf dem von Hauptamtlichen getragenen Blog „Sendezeit“ in den Blick kommen (306), oder auf privat ohne professionellen Anstoß entstandene Glaubensgruppen und Initiativen im Social Web. Ein Zeichen, dass auch bei zukunftsorientierten kirchlichen Medienprofis „Handeln der Kirche“ allzu leicht auf das Handeln der kirchlichen Hauptamtlichen enggeführt und der – auch kommunikative – Weltdienst der Gläubigen übersehen wird?
Das Layout mit der angenehmen farbigen Gestaltung gewährleistet eine gute Lesbarkeit – aber es fällt auf, dass ein Buch über die vielfältige kirchliche Medienlandschaft sich vollkommen auf Text beschränkt. Die einzigen Ansätze zu einer visuellen Darstellung finden sich in Form von zwei (nicht weiter zu den Themen in Beziehung gesetzten) „Wort-Clouds“, in den Umschlagklappen versteckt.
Im Ganzen jedoch bietet das Katholische Medienhandbuch den Interessierten einen umfangreichen und fundierten Einblick sowohl in das aktuelle Medien-Engagement der katholischen Kirche als auch in die Chancen und Herausforderungen seiner Weiterentwicklung. Einige der erwähnten grundlegenden Artikel mit Relevanz für die Kommunikation im Internet und insbesondere im Social Web, aber auch das Zeugnis von Bruder Paulus Terwitte OFMcap über seine Erfahrungen als „Webapostel“ (304) seien besonders denen empfohlen, die dem kirchlichen Engagement in diesem Bereich bisher eher skeptisch gegenüberstehen.
Andrea Imbsweiler