Inhalt

Wenn Städte nicht mehr wachsen

Gerade ostdeutsche Städte in den Jahren nach der Wende hatten einen deutlichen Bevölkerungsschwund zu bewältigen. Frank Eckardt zeigt auf, dass hinter dem Wachsen und Schrumpfen von Städten mehr steht, dass damit soziale und politische Dynamiken verbunden sind, deren Auswirkungen angesichts heutiger Herausforderungen immer sichtbarer werden.

Für viele Menschen in Ostdeutschland ist der Abriss der vielen Hochhäuser der DDR-Zeit eine traumatische Erfahrung gewesen. Von heute auf morgen wurden die Orte, an denen man aufgewachsen ist und mit denen sich noch in den 1980er Jahren beim Einzug große Hoffnungen auf einen gesellschaftlichen Fortschritt verbunden haben, abgewertet. Wer es sich leisten konnte, realisierte sich nun den Traum vom Eigenheim. Wer keine Arbeit mehr finden konnte, zog zumeist in den Westen um. Leerstand entstand und wurde in den 1990er Jahren zu der großen Herausforderung für die ostdeutschen Städte. Mit dem Programm „Stadtumbau Ost“ – ironischerweise das größte städtebauliche Förderprogramm in der deutschen Geschichte – wurde der Wohnungsmarkt durch massiven Abbau von Wohneinheiten bereinigt, um es wieder attraktiv zu machen, in den leerstehenden Stadtteilen zu investieren. Doch nicht nur der Wegzug von besserqualifizierten und mobilen, zumeist auch jüngeren Nachbarn wirkte befremdlich. Auch der Zuzug in eben jene in der Regel von den kommunalen Wohnungsunternehmen verwalteten „Platten“ führte zu einem Gefühl von Abwertung und Befremdung. Wer hier nun nebenan einzog, war in der Regel auf günstigen Wohnraum angewiesen und konnte sich auf dem privaten Wohnungsmarkt nichts anderes leisten. Die Befremdung wuchs noch, als die neuen Nachbarn sprachlich, religiös und kulturell als different wahrgenommen wurden.

In den klassischen Theorien der Soziologie wie der von Émile Durkheim zur Erklärung von Anomie als einem kritischen Zustand von Gesellschaft werden gesellschaftliche Veränderungen nicht als automatisch dafür ursächlich angesehen. Menschen empfinden Wandel als befremdlich und bedrohlich, wenn er plötzlich stattfindet, und dies kann sicherlich für viele Menschen angenommen werden, die in kürzester Zeit nicht nur ihre Arbeitsplätze, sondern auch ihre sozialen Rückzugsorte in den eigenen Siedlungen verloren haben. Solche drastischen Veränderungen werden als symbolhafte Vorgänge für einen tiefergehenden Verlust an Sicherheit gelesen, ungeachtet der angebotenen Alternativen und Unterstützungen. Diese anomische Dimension des gesellschaftlichen Wandels mag die Unterschiede erklären, wie auf das Schrumpfen der Städte politisch wie individuell in Ostdeutschland reagiert wird im Vergleich zu den westdeutschen altindustriellen Regionen wie dem nördlichen Ruhrgebiet mit langsamer Deindustrialisierung und damit verbundenen Schrumpfungsprozessen.

Das Narrativ vom Schrumpfen

Für viele Betroffene bedeutet das Erleben der Abwertung und des Schrumpfens der Räume, die individuell aber eine große persönliche Bedeutung haben, dass sie sich im Stich gelassen fühlen. Zudem fällt es schwer, diese Erfahrungen in eigene Worte zu fassen. Die erfahrene Befremdung über die Neubewertung des Wohn- und Lebensraums mischt sich mit einem Gefühl von Scham und Trotz. Das sind klassische emotionale Reaktionen, die sich aufgrund von Stigmatisierungen einstellen, die nun auch noch diskursiv und von außen vollzogen werden. Stadtteile, die noch vor wenigen Jahren als musterhafte Beispiele für die neue Gesellschaft und den neuen Menschen deklariert wurden und die auch als modern und egalitär von den Bewohner*innen erlebt wurden, gelten nun als benachteiligt, rückständig, arm und grau. Lokalpolitisch musste ein langer Weg gegangen werden, damit diese Umdeutung irgendwie akzeptabel werden konnte. Letztlich hat der übliche Pragmatismus vor Ort, mit dem man bei Anerkennung der Schrumpfung als eigentliches Problem der Stadt nun die dringend benötigten Fördermittel vom Bund erhalten konnte, gesiegt. Die Verdrängung der eigenen Befremdung durch die Stigmatisierung tickte als gesellschaftliche Zeitbombe weiter und entlädt sich seitdem in den Pogromen und Anschlägen gegen die Zugezogenen. Der Rassismus und Rechtsextremismus, der sich dabei manifestiert, ist aber nicht zufällig als individuelle und gesellschaftliche Coping-Strategie aufgegriffen worden, sondern bedient sich historischer Abwehrmechanismen und tradierter Vorurteile, die nach wie vor als gesellschaftlich akzeptabel gelten. In diesen aggressiven Akten wird auch eine Sprachlosigkeit sichtbar, die in einem Zusammenhang mit den dominanten Narrativen der Gesellschaft zu sehen ist, die für die gemachten Erfahrungen des gesellschaftlichen Wandels keinen Platz anbieten.

Das Narrativ vom Schrumpfen ist als ein solches einzuordnen. Schrumpfen und Wachsen sind metaphorische Beschreibungen, die sich aus einem biologischen Diskurs ergeben, wonach Städte wie Bäume und Blumen ganz natürlich größer oder kleiner werden. Wer Städte als schrumpfend beschreibt, setzt damit einen biologistischen Ton, der keinen Raum für die Analyse der politischen und gesellschaftspolitischen Dimension von Stadtentwicklung einräumt. Die schrumpfende Stadt bezieht sich auf Zahlen und Flächen, so wie man das Wachsen von Pflanzen ohne jede soziologische Analyse messen kann. Doch selbst die Auswahl des Datenmaterials, mit dem in der Regel das Schrumpfen von Städten objektiv beschrieben werden soll, ist in Wirklichkeit hochgradig selektiv. Ja, es ziehen Einwohner*innen weg und die Geburtenrate fällt. Der demographische Wandel wird somit als ein natürlicher Prozess dargestellt, der schon fast unbeeinflussbar erscheint. Wenn man andere Parameter anlegen würde, käme man gar nicht zu dem Schluss, dass die Städte wirklich schrumpfen. In ökonomischer Hinsicht ist der Bewohnerschwund nicht mit einem Rückgang der wirtschaftlichen Tätigkeiten und des Bruttosozialprodukts kausal verbunden – im Gegenteil. Das wirtschaftliche Wachstum Ostdeutschlands hat trotz des Verlusts von schätzungsweise drei Millionen Einwohner*innen seit der Wiedervereinigung weitgehend ungebremst stattgefunden. In ökologischer Hinsicht kann schon gar nicht vom Schrumpfen der Städte die Rede sein. Der Flächenfraß, die CO2-Emissionen, die Abfallproduktion, die Abnahme der Biodiversität, die Luftverschmutzung und viele andere Umweltbelastungen haben in keiner Weise abgenommen.

Eine Erfolgsstory

Warum sich diese naturalistische Erzählung vom Wachsen bzw. Schrumpfen von Städten so erfolgreich in unser Denken und Planen von Städten einnisten konnte, ist eine wichtige Frage, wenn wir uns auf die Suche machen wollen, wie die Stadt der Zukunft anders gedacht und vorgestellt werden kann. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Die Geschichte vom Wachsen ist emotional und argumentativ in einem größeren Kontext eingebettet. Für die neuere Geschichte Deutschlands kann man eine enge Verzahnung von Wachstum mit Wohlstand bzw. Wohlstandsversprechen nachvollziehen. Auch wenn die sozialen Ungleichheiten in der Gesellschaft sich keineswegs eingeebnet haben, so ist doch der materielle Reichtum insgesamt in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg so groß wie noch nie. Die Ungleichverteilung dieser Ressourcen wurde nicht aufgehoben, so dass eine Art Fahrstuhleffekt zu beobachten ist, d. h. Armut verschiebt sich auf eine andere Ebene, wenn etwa Kinder keinen Zugang zu Laptops und WLAN haben und dadurch den Anschluss an die Schulbildung verpassen. Diese Ungleichheiten werden im Wachstumsmodell durch ein Versprechen auf Teilhabe abgefedert, wonach sich durch Leistung und ein meritokratisches Gesellschaftsbild auf Dauer eine bessere Perspektive für die Benachteiligten ergeben soll. Durch die massiven Bautätigkeiten und Investitionen in die städtische Infrastruktur hat dieses Versprechen lange Zeit eine Plausibilität in den Augen vieler Menschen erhalten, die den Glauben nährte, dass etwas vom scheinbar stetig wachsenden Kuchen auch unten ankommen wird. In der Tat kann man sagen, dass der kontinuierliche Ausbau des Sozialstaats gleichsam das Wachstumsmodell zu bestätigen schien.

Für durchaus größere Teile der Gesellschaft, insbesondere der Mittelschicht, war die Teilhabe an der wachsenden Güterproduktion und Verbesserung der Lebensverhältnisse durchaus auch persönlich erfahrbar, und deswegen wird insbesondere von den bürgerlichen Milieus das Wachstumsmodell emotional verteidigt. Seine gesellschaftliche Relevanz verknüpfte sich in Westdeutschland seit den 1950er Jahren auch mit einer politischen Kultur, in die neben der Ideologie der Leistungsgesellschaft noch weitere unhinterfragte Postulate für deren Gelingen eingeschrieben wurden. Dazu gehört die Vorstellung, dass Städte rational und unpolitisch geplant werden können – und müssen. Die Lösung vieler praktischer Probleme im Alltag durch funktionierende Infrastruktur trug viel zur Überzeugungskraft des neuen demokratischen Systems bei und wurde in Konkurrenz zur sozialistischen Alternative in Ostdeutschland gesehen. Das dort verhältnismäßig schlechtere Funktionieren der Versorgung mit Wohnungen, Verkehrsinfrastruktur und Gütern des täglichen Bedarfs trug dazu bei, dass das westdeutsche Wachstumsmodell als alternativlos galt und für viele Menschen als unveränderlicher Kern der Demokratie angesehen wurde.

Die Postwachstumsstadt

Heute befinden wir uns allerdings in einer Situation, in der das Narrativ vom Wachstum als Lösung für die grundlegenden Probleme in der Gesellschaft seine Strahlkraft verloren hat und die ausgeblendeten sozialen Ungleichheiten offen zu Tage treten. Wir befinden uns in einer Phase gesellschaftlicher Entwicklung, in der die Wachstumserzählung nicht mehr ausschlaggebend für das Handeln und die Erfahrung für große Teile der Gesellschaft ist, aber andererseits nach wie vor an diesem Narrativ festgehalten wird. An prominentester Stelle in der Selbstdeklaration der Ampel-Regierung als Koalition des Forstschritts. Der Versuch der drei Parteien, durch einen Rückbezug auf dieses Narrativ die gesellschaftlichen Veränderungen und die damit einhergehenden Fragmentierungen der Milieus zu überbrücken, scheitert vor allen Augen.

Schon seit der ersten Kohl-Regierung wurde eine Abkehr vom Wachstumsmodell eingeleitet zugunsten neoliberaler Vorstellungen, wonach durch Privatisierungen, Marktadaptionen, Individualisierungen und Subjektivierungen gesellschaftliche Probleme zu lösen sind und der Staat nur eine Form des permanenten Krisenmanagements betreiben soll, damit das Wachstumsmodell im Wesentlichen weiter funktionieren kann. Das Versprechen einer Angleichung der Lebensverhältnisse und der Verringerung der sozialen Ungleichheiten wird dadurch in der Alltagswahrnehmung vieler Bürger*innen ausgehöhlt, wenn elementare Grundrechte wie das Recht auf Gesundheit und Wohnen nun an die marktwirtschaftliche Logik der Kosteneffizienz und der Profitabilität ausgerichtet werden.

In der neoliberalen Perspektive auf die Stadt werden Städte selbst als eine Art Unternehmen gesehen, in der diese betriebswirtschaftlich kalkulierend Schulden vermeiden müssen und in erster Linie Standortpolitik betreiben sollen, damit durch Investitionen Kapital in die (Innen‑)​Städte fließt, wodurch dann angeblich alle Einwohner*innen irgendwie profitieren werden. Dieses Wohlstandsmodell radikalisiert das bis dahin vorhandene, sozial ausgehandelte Wachstumsmodell. Es reduziert Städte auf marktkonforme Prozesse der Konkurrenz und sorgt für die soziale Akzeptanz unternehmerischer Aktivitäten. Öffentliche Räume, die für lokale Demokratien Orte der gesellschaftlichen Aushandlungen von gemeinsamen Werten und Normverständnissen sind, werden in der unternehmerischen Stadt zu Aushängeschildern für das Stadtmarketing, das eine Wohlfühlarchitektur für den Konsum benötigt, um im globalen Kampf der Städte um die Aufmerksamkeit von Investoren, Fachkräften und Touristen als attraktiv wahrgenommen zu werden. Konsequenterweise werden durch eine euphemistisch als „defensive Architektur“ umgesetzte Stadtgestaltung nicht nur Menschen, die das Image der Stadt stören könnten, mehr oder weniger sanft daran gehindert, sich in den öffentlichen Räumen aufzuhalten, sondern es findet eine normative Neuorientierung anhand rigider Vorstellungen von Sauberkeit und Sicherheit statt und somit eine implizite Absage an die gesellschaftliche Integrationsaufgabe der Städte.

Die populistische Stadt

Anstelle der gesellschaftlichen Teilhabe, die zumindest ansatzweise im Wachstumsmodell anvisiert und die nun weitgehend auf eine staatliche Krisenvorsorge reduziert wurde, wird das Legitimitätsproblem des heutigen Wohlstands und seiner ungleichen Verteilung für viele Menschen offensichtlich. Die partizipative Wende in der Stadtplanung seit den 1970er Jahren – erst von unten erkämpft, heute im Baugesetzbuch entpolitisiert festgeschrieben –, kann als gesellschaftliche Antwort auf das entstandene Demokratiedefizit verstanden werden. Da aber Partizipation in der Regel nicht darauf aus ist, die Dynamiken sozialer Ungleichheiten reaktiv aufzunehmen, reduzierte sich gesellschaftliche Teilhabe auf Teilnahme an partizipativen Prozessen. Da dies für Benachteiligte keine lohnenswerte Perspektive ist, nehmen diese in der Regel nicht an den partizipativen Stadtplanungen teil. Vielmehr kann man beobachten, dass Partizipation durch viele Hürden die Benachteiligungen noch verstärken kann. Menschen in benachteiligten Stadtteilen haben über die Jahre lernen müssen, dass ihre Belange weder hier noch bei den unterschiedlichen Wahlen berücksichtigt werden.

Das Entstehen der populistischen Bewegungen geht sicherlich auf eine Reihe von Ursachen zurück. Auf der Ebene der Städte kann man allerdings sehr wohl beobachten, dass die politischen und stadtplanerischen Antworten auf den Zerfall des Wachstumsmodells in keiner Weise den Verlust an Kommunikation mit den Betroffenen wiederherzustellen vermögen. Die fehlende direkte Interaktion zwischen den gesellschaftlichen Repräsentanten und Teilen der Bevölkerung wird ansatzweise durch andere Formen der politischen Kommunikation angestrebt, die auf die Institutionen der Wachstumsgesellschaft – öffentlicher Raum, Lokalmedien, kommunale Repräsentation vor Ort, leistungsstarke Verwaltungen und Infrastrukturen – nicht mehr zurückgreifen, sondern im Sinne von Nancy Fraser entweder eine Art „Identitätspolitik“ oder neokonservative Autoritätsorientierungen in den Vordergrund stellen. Beides funktioniert durch selektive Prozesse der medialen Kommunikation, die entweder auf die Bestätigung von konstruierten Identitäten (etwa mit Bezug auf die Stadt insgesamt [„Kölsche Jungs“] oder verankert an Vorstellungen über die eigene Persönlichkeit bezüglich Religion, Nation, Lebensstil etc.) oder aber personalisiert auf Persönlichkeiten, die Sicherheit und Vertrauen vermitteln können, setzen. Gerade auf der lokalen Ebene ist eine Rückkehr von „starken“ Politikern, die sich ungeachtet ihrer politischen Partei in dieser Weise inszenieren können, häufig zu beobachten. Die autoritäre Variante der populistischen Stadt kann sich mit unterschiedlichsten politischen Inhalten verknüpfen, ist in der inhaltlichen Ausrichtung oftmals auch ziemlich flexibel, wobei die Frage nach der gesellschaftlichen Teilhabe immer nur selektiv für den Unterstützerkreis betrieben wird. Im Ergebnis betrifft dies auch die identitäre Ausrichtung der populistischen Stadt, in der ein Proporz von und Koalitionen zwischen sich unterschiedlich definierenden Gruppen im Vordergrund stehen.

Städte jenseits des Wachstumsmodells

Materieller Fortschritt und zunehmende soziale Ungleichheiten werden heute im Kontext der Begrenztheit natürlicher Ressourcen diskutiert. Da dies in den Schemen autoritärer oder identitärer Kommunikation geschieht, ist die Chance auf eine konsensuelle Verständigung weder auf lokaler noch überregionaler Ebene vorstellbar. Tatsächlich realisierte Lösungen insbesondere bei der Frage der sozialen Ungleichheit werden auf diese Weise weiterhin nicht als ursächlich für die gesellschaftliche Sprachlosigkeit und Fragmentierung sichtbar. Mit der Anerkennung der verharmlosten und zumeist unbesprochenen „Nebenwirkungen“ der Modernisierung der Großstadt durch das Narrativ vom Wachsen und Schrumpfen der Städte wird nicht das Grundprinzip der entpolitisierten und entkontextualisierten Effizienz von Stadtplanung und ihrer angeblichen Rationalität in Frage gestellt. Konzepte von der nachhaltigen und grünen Stadt und in seiner technodeterministischen Weise noch viel mehr die Konzeption der smart city können deshalb eher als Versuch verstanden werden, durch weitere Effizienzsteigerungen die Nebenwirkungen zu reduzieren.

Auf der lokalen Ebene wird aber auch deutlich, an welcher Stelle eine kritische Auseinandersetzung mit dem globalen Wachstumsmodell ansetzen kann und muss. Der Ort dafür ist die Grenze. Die Frage danach, wer an dem produzierten Wohlstand teilhaben soll und von wem und wo die Kosten dafür getragen werden, wird zur essentiellen Lokalität, an der sich alternative Ansätze zur populistischen Verteidigung bestehender Grenzziehungen in der Stadt – nach innen wie nach außen – bewähren müssen. Das Prinzip der Verhandlung muss hier gegen autoritäre und identitäre Vorstellungen von der Wagenburg, von No-go-Areas, Not-in-my-Backyard-Politiken und Gated Communitys durchgesetzt werden. Die Dämonisierung von Migration, die für viele schrumpfende Städte die einzige Hoffnung auf neuen Wohlstand darstellt, verunmöglicht diese Verhandlung der Grenzen der Stadt und der Stadtgesellschaft. Gelingen wird dies aber nur, wenn die Grenzziehungen insgesamt in der Stadt – auch zwischen denjenigen, die zu viel Wohnraum haben, und den beengt Wohnenden und Wohnungslosen – zur Disposition stehen. Die Postwachstumsstadt ist eine Stadt der Verteilungs- und Zugehörigkeitskonflikte, die aber auch noch auf der Suche nach neuen Narrativen, Imaginationen, sozialen Innovationen und Handlungsangeboten ist, mit denen sich ein urbanes Zusammenleben generieren kann, das Grenzen entmythologisiert und geteilte Räume für das solidarische Leben mit möglichst vielen Menschen in Zeiten der Klimakatastrophen schafft.