Tauschen und Teilen in Darmstadt
Beobachtungen aus der Nachhaltigkeitsblase
Heinerleih
Samstagmittag im Kaufhaus der Gelegenheiten in einem Darmstädter Gewerbegebiet. Eine große Halle, in der gebrauchte, gespendete Möbel und Haushaltswaren verkauft werden. In die Halle haben die Aktiven des Vereins Teilen & Leihen Darmstadt e. V. Anfang 2023 ein Lager für ihre Leihgegenstände gebaut: 350 cm hohe Regale, mit dünnen Brettern zum Raum hin verkleidet. Ein Shop im Shop sozusagen. Durch mehrere Fenster kann man hineinschauen. Über 300 Gegenstände warten darauf, kostenfrei ausgeliehen zu werden. Ein Online-Katalog auf der Website zeigt, was gerade verfügbar ist.
Vor dem Tresen warten bereits einige Menschen auf die Öffnung von Heinerleih. Dreimal die Woche für je drei Stunden verleihen Aktive ehrenamtlich die Gegenstände. Der erste Ausleiher braucht einen Bandschleifer. Das ist ein Gegenstand, der sehr häufig ausgeliehen wird. Bei Heinerleih gibt es inzwischen 17 Schleifgeräte. Die meisten davon wurden gespendet, aber manche wurden auch gebraucht gekauft. Schleifpapier gibt’s zum Einkaufspreis dazu.
Die nächste Ausleiherin möchte eine Party veranstalten: Biertischgarnitur, Lichteffektleiste mit Laser und Stativ, Schwarzlicht, Seifenblasenmaschine. Man zahlt nur ein Pfand und man kann etwas Geld in die Spendenbox werfen. Die Mitarbeitenden hören häufig: „Vielen Dank, dass es euch gibt! Ohne euch hätte ich mir eine Bohrmaschine kaufen müssen.“ Oder: „Da hat sich eine Schraube am Gerät gelockert, ich habe sie mal eben festgedreht.“ In der Regel kommen die Sachen in besserem Zustand zurück, als sie verliehen wurden. Im Sortiment sind unter anderem Messgeräte, Werkzeuge, Küchenzubehör, Gartengeräte, Reiseutensilien, Renovierungshelfer und Multimedia-Geräte. Es sind Dinge, die man nur selten braucht und die sonst 360 Tage im Jahr in der Wohnung rumliegen würden.
Wer Heinerleih nutzt, braucht viele Dinge nicht zu kaufen. Das entlastet den Geldbeutel und die Umwelt. So müssen weniger Gegenstände produziert werden. Im besten Fall kommt man mit einer kleineren Wohnung aus, die günstiger ist und weniger Heizenergie verbraucht.
Nach drei Stunden sind 20 Gegenstände verliehen oder zurückgegeben worden. Viele Menschen profitieren davon – auch die ehrenamtlich Aktiven. Denn man bekommt viel Dankbarkeit entgegengebracht. Ab und zu kann man auch sein Fachwissen zu Nähmaschinen oder Wandmaterialien oder Zelten einbringen. Man lernt nette Menschen kennen, die sich auch für das Gemeinwohl engagieren.
Der Verein ist gemeinnützig, denn er kümmert sich um die Förderung der Umsonstökonomie in Darmstadt, die ressourcenschonende Wiederverwertung von Gebrauchsgegenständen und die Vermeidung von Müll bzw. vermeidbaren Neukäufen.
Das kostenfreie Angebot sorgt immer wieder für erstaunte Gesichter: Wie kann etwas so Gutes kostenfrei sein? Antwort: Wir hinterfragen die gegenwärtige Konsumgesellschaft. Gedanken wie „Du bist nichts ohne Geld!“ oder „Du kannst dir alles kaufen, wenn du Geld dafür bezahlst“ oder „Neu ist besser als gebraucht“ oder „Einweg ist bequemer als Mehrweg“ – all das führt zu unendlichem Wachstum bei begrenzten Ressourcen. Wir versuchen mit „weniger“ gut zu leben und animieren andere dazu, es auch zu machen. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern als positives Angebot. Die schönsten Dinge im Leben sind umsonst.
Um die häufig gestellte Frage zu beantworten, wie wir uns finanzieren: Erstens ist die Miete mit 200 Euro im Monat recht günstig, weil das Gebrauchtkaufhaus von einem städtischen Eigenbetrieb getragen wird und wir keine Marktpreise zahlen müssen. Zweitens bekommen wir von etwa hundert Menschen regelmäßig drei bis fünf Euro pro Monat gespendet – ein kontinuierliches Crowdsourcing sozusagen. Die sogenannten Heinerleih-Fans und die Spendenbox auf dem Tresen sorgen für einen kontinuierlichen Cashflow. Manchmal können wir dadurch stark nachgefragte Gegenstände kaufen und Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Drittens bekommt niemand der 15 aktiven Menschen Geld für seine Arbeit. Viertens gibt es manchmal die Möglichkeit, sich für ein Förderprogramm zu bewerben. Damit können größere Ausgaben finanziert werden, etwa als Heinerleih vor einem Jahr umziehen musste.
Eine weitere häufige Frage ist: „Was macht ihr, wenn etwas kaputtgeht?“ Antwort: Wir schauen uns den Schaden an, fragen im Team nach, wer es reparieren kann, bestellen Ersatzteile, bringen die Sachen ins Repair-Café oder sortieren den Gegenstand aus.
Im letzten Jahr haben wir Workshops angeboten, damit jede:r die Bedienung der Geräte kennenlernen konnte. Die Menschen vom Verein Makerspace Darmstadt haben uns dafür kostenfrei ihre gut ausgestattete Werkstatt zur Verfügung gestellt. Expert:innen haben die Workshops kostenfrei geleitet. Es gab kostenfreie Workshops zu Elektro, Nähen, Holzbearbeitung, Metallbearbeitung. Außerdem haben wir ein Dinner-on-the-Run organisiert. Dabei ist man an einem Abend zu Besuch in drei Wohnungen und isst dort mit unterschiedlichen Menschen die drei Gänge eines Menüs. Einen Gang hat man mit seinem Kochpartner selbst gekocht. Wir haben dazu eingeladen, bei Heinerleih ein Küchenutensil auszuleihen und damit zu kochen (z. B. einen Raclettegrill oder einen Crêpes-Maker).
Schenk-Regal und Kost-Nix Kranichstein
Ortswechsel: Ein kleines Einkaufszentrum in Kranichstein, einem Vorort von Darmstadt mit vielen Hochhäusern aus den 70er Jahren, aber auch einem autofreien Passivhaus-Neubaugebiet. Das Einkaufszentrum soll abgerissen und neu gebaut werden, die ersten Ladenlokale stehen schon leer.
Eine kleine Gruppe Aktiver will ein Schenk-Regal im überdachten Außenbereich aufstellen. Sozusagen eine zentrale Schenk-Box fürs Viertel. Gesagt – getan: Eines Tages steht das Regal mit großem Schild „Schenk-Regal“ und mehrsprachiger Erläuterung da („keine Bücher, keine Kleidung“). Bedenkenträger unkten: Eine vermüllte Ecke würde entstehen, jeder würde seinen Sperrmüll dorthin bringen.
Die Gruppe schaut täglich nach dem Regal und freut sich: Jeden Tag stehen andere Sachen dort! Täglich werden Sachen gespendet, und täglich wird vieles mitgenommen. Klar gibt es ein bisschen Vandalismus: Puzzlespiele werden im Hof verteilt, Glas geht zu Bruch. Aber die meisten Menschen im Stadtteil machen gerne einen Schlenker, um neugierig die Geschenke zu betrachten. Und Sperrmüll gibt es nur wenig.
Der Erfolg beim Schenk-Regal gibt der Gruppe den Mut, ein ganzes Ladenlokal anzumieten. Eine ehemalige Arztpraxis mit vielen kleinen Räumen und Schaufenstern. Da könnte man Themenräume draus machen! Kinderspielzeug, Dekoartikel, Küchenzubehör ordentlich sortiert. Der Name: Kost-Nix Kranichstein. Der Träger: Teilen & Leihen Darmstadt e.V.
Der Vermieter ist vom Konzept und dem Enthusiasmus der Gruppe begeistert und bietet einen bezahlbaren Mietvertrag an. Wenige Wochen später ist das Schaufenster von Kost-Nix Kranichstein bunt beklebt. In sieben Sprachen steht dort: „Nimm dir, was du brauchst! Gib, was du nicht mehr brauchst!“ Die Einrichtung wird aus gespendeten oder gebraucht gekauften Regalen zusammengestellt. Eine gemütliche Sitzecke gibt es auch.
Zur Eröffnungsfeier sagt ein Lokalpolitiker in seiner Rede:
„Wir haben alle Dinge zuhause, Eigentum, das einmal aus Rohstoffen und Energie hergestellt, transportiert und gehandelt wurde, bis sie den Weg in unser Zuhause gefunden haben und jetzt in der Ecke verstauben. Eigentum verpflichtet, so steht es im Grundgesetz. Deshalb haben wir die Pflicht, die Dinge anderen zur Verfügung zu stellen, wenn wir sie nicht mehr nutzen. Auch die Gebäudeeigentümer stehen in der Pflicht, ihre Räume zum Wohle der Allgemeinheit zu vermieten. Als Kranichsteiner freue ich mich besonders, dass wir mit Kost-Nix Kranichstein die Möglichkeit bekommen haben, einen Beitrag zu leisten: einen Beitrag für das Miteinander, die persönliche Begegnung, einen Beitrag für mehr Verteilungsgerechtigkeit, einen Beitrag für die Möglichkeit von bürgerschaftlichem Engagement und einen Beitrag, den Stadtteil aufzuwerten und zu beleben.“
(Feierliche Eröffnungsfeier mit Reden 2023)
Kost-Nix Kranichstein stellt sich für viele Menschen als gutes Angebot heraus: Die einen freuen sich, dass sie ihre alten Gegenstände abgeben können, ohne sie wegwerfen zu müssen. Die anderen freuen sich, dass sie nützliche oder schöne Dinge bekommen, ohne Geld bezahlen zu müssen. Wer im Team dabei ist, kann andere Kranichsteiner:innen kennenlernen und fühlt sich gebraucht. Es ist ein generationsübergreifendes Team – von dem:r Schüler:in bis zum:r Rentner:in sind alle dabei.
Beim gemeinsamen Teamausflug bezahlen einige den Minigolf-Eintritt für andere – manche haben eben Geld und andere nicht. Man sollte sich nicht dafür schämen, wenig Geld zu haben. Es gibt eben Berufe und Lebensläufe, die nicht genügend Einkommen ermöglichen. Jeder Mensch ist gleich viel wert, egal welche Summe auf dem Kontoauszug steht.
Es hat sich herausgestellt, dass das Sprichwort: „Manche haben Zeit und kein Geld, und andere haben Geld und keine Zeit“ wörtlich genommen werden kann: Einige Menschen stehen die gesamten zwei Stunden Öffnungszeit im Laden und warten darauf, dass neue Sachspenden gebracht werden. Da wir dieses Verhalten nicht gut fanden – unter anderem, weil die Leichtigkeit des Gebens und Nehmens durch Gieren und Neid beeinträchtigt wurde –, werden Sachspenden nun außerhalb der Öffnungszeiten ausgepackt. Außerdem werden die liebevoll einsortierte Kinderkleidung und das thematisch sortierte CD-Regal immer wieder zerwühlt. Wir versuchen dem zu begegnen, indem wir mit möglichst vielen Teammitgliedern vor Ort sind und jeden Raum beaufsichtigen.
Auch wenn wir keine Miete zahlen müssen, die Nebenkosten sind mit 400 Euro in Monat happig – und die Spendeneinnahmen sind sehr gering. Dazu kommt die Unsicherheit der Zwischennutzung. Gerade wurden wir informiert, dass das Einkaufszentrum nun doch nicht abgerissen wird, sondern saniert wird. Das bedeutet aber, dass für unsere Ladenfläche wieder ein ordentlich zahlender Mieter gesucht wird. Unser Mietvertrag wird deshalb nur für ein paar Monate verlängert. Wir sind kontinuierlich auf der Suche nach Fördergeldern und Spenden. Die Gemeinnützigkeit unseres Vereins hilft uns dabei.
Wandelkarte Darmstadt
Ortswechsel: der Darmstädter Weltladen, wo man fair gehandelte Waren kaufen kann. Eine kleine Gruppe sitzt um einen Papierstadtplan von Darmstadt herum, den sie selbst entwickelt hat. Auf dem Stadtplan sind 80 Orte markiert: Dort kann man Bio-/faire Kleidung kaufen, Gebrauchtes kaufen, Fahrräder selbst reparieren, bio/regional/fair/vegan essen gehen. Die Fülle an Möglichkeiten, sich in Darmstadt nachhaltig zu verhalten, wird gebündelt dargestellt.
Die Wandelkarte Darmstadt erscheint jedes Jahr in einer neuen Auflage und das Team aktualisiert die Inhalte. Die Wandelkarte liegt an vielen Orten zur kostenfreien Mitnahme aus, zum Beispiel bei der Touristinformation, dem Einwohnermeldeamt oder den 80 Orten, die auf der Wandelkarte vorgestellt werden. Außerdem bekommen die jährlich 5.000 Erstsemester-Studierenden der drei Darmstädter Hochschulen die Wandelkarte in ihre Willkommenstaschen und Eltern bekommen die Wandelkarte im Willkommensordner für ihr neugeborenes Baby. Sozusagen eine Einladung zur Änderung des eigenen Lebensstils anlässlich des neuen Lebensabschnitts.
Zum Thema „Tauschen, Teilen & Schenken“ gibt es in der Karte z. B. folgende Einträge: Bücherschränke, Bibliotheken, Heinerleih, den freien Lastenradverleih Heinerbike, einen weiteren Umsonstladen, die Ludothek (Ausleihen von Gesellschaftsspielen), zwei Foodsharing-Fairteiler, drei Nachbarschaftsgärten. Bei „Reparieren“ sind Änderungsschneidereien aufgelistet, Fahrradreparaturwerkstätten, Repair-Cafés und die offene Werkstatt Makerspace. Auf der Rückseite der Karte gibt es viele Tipps zum nachhaltigen Handeln, eine Übersicht der verschiedenen Labels, und viele Initiativen werden vorgestellt.
Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, dass unser Konsumverhalten weltweite Auswirkungen hat, da viele Produkte globalisiert hergestellt werden. Wir möchten Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: Was kann ich tun, um Arbeitsrechte und die Umwelt zu schützen? Die Finanzierung der Druckkosten (20 Cent pro Karte) erfolgt in der Regel durch Förderanträge, was hier ganz gut funktioniert, da jede neue Auflage als neues Projekt läuft.
Gedanken zum Wert der Dinge
Warum gestalten wir all diese Projekte so, dass sie kostenfrei nutzbar sind? Ich denke, vor allem, weil die Dankbarkeit verschwindet, sobald die Dinge einen Preis haben. Ich kaufe etwas und dann ist es auch mein gutes Recht, es zu bekommen. Ich brauche gar nicht nett zu sein. Vielleicht bekomme ich es woanders noch billiger, dann gehe ich hier nicht mehr hin. Aber wenn ich etwas geschenkt bekomme, also die Tauschlogik aufgebrochen wird, gibt es eine Irritation. Wieso bekomme ich etwas, ohne etwas dafür zu geben? Nur die wenigsten sehen darin ein „Kost nix – taugt nix“. Stattdessen erlebe ich eine Dankbarkeit – und eine Idee davon, wie schön die Welt wäre, wenn noch mehr Bereiche des Lebens tauschlogikfrei wären.
Ein weiterer Grund für die kostenfreie Nutzbarkeit ist, dass wir die Macht des Geldes verringern wollen. Wenn man kein Geld braucht, um etwas zu nutzen, wird Geld weniger wichtig. Wenn wir schon kein bedingungsloses Grundeinkommen haben, bieten wir die Dinge eben kostenfrei an. Wie heißt es so schön über den Kapitalismus: Von dem Geld, das wir nicht haben, kaufen wir Dinge, die wir nicht brauchen, um Leuten zu imponieren, die wir nicht mögen. Kurz: Wir wollen ein klein wenig Sand ins Getriebe des Kapitalismus streuen, indem wir für eine kleine Irritation sorgen, wenn klar wird, dass man hier kein Geld braucht.
Projekte können kopiert werden
Eine weitere Gemeinsamkeit der vorgestellten Projekte ist – neben der Tauschlogikfreiheit –, dass sie leicht kopiert werden können. In jedem Ort, in jeder Gemeinde könnte es einen Leihladen, einen Umsonstladen oder eine Wandelkarte geben. Wir haben Anleitungen erstellt, damit der Einstieg ins eigene Projekt (Wandelkarte, Leihladen) leichtfällt.
Transition Town – Stadt im Wandel
Die Inspiration für diese Projekte kam unter anderem durch Rob Hopkins und seine Idee der Transition Town. Er hat in seinem kleinen englischen Ort viele Nachhaltigkeits-Projekte initiiert und ein Buch darüber geschrieben. Darin schreibt er: „Sobald Dinge praktisch umgesetzt werden, Dinge, die die Leute sehen und anfassen können, verändert sich etwas in der Kultur. Ein spürbarer Wandel greift Raum und die Realität beginnt sich zu verändern“ (Hopkins 2014, 61).
In vielen Städten gibt es Transition-Town-Bewegungen, unter anderem in Darmstadt. Neben den bereits vorgestellten Projekten hat die Transition-Town-Initiative Darmstadt eine Filmreihe zum gesellschaftlichen Wandel, einen veganen Kochtreff, einen Lastenradverleih, eine Gemeinwohlökonomie-Initiative, eine Permakulturwiese sowie einen Mailverteiler für Veranstaltungshinweise initiiert und veranstaltet regelmäßig einen offenen Treff.
Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt
Bereits im Jahr 2008 haben der Evangelische Entwicklungsdienst, der BUND und Brot für die Welt die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“ herausgegeben (Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland/Brot für die Welt/Evangelischer Entwicklungsdienst 2008). Wie können weniger Treibhausgase in die Atmosphäre abgegeben werden, wie ist ein naturverträgliches Wirtschaften möglich, wie kann ein sozialer Ausgleich zwischen Nord und Süd erfolgen? Im Rahmen des Projekts sind auch Arbeitshilfen für die Gemeindearbeit zu den Themen Klimawandel, Agrotreibstoff, Fischereiwirtschaft, Welthandel, Tourismus und Maßhalten entstanden. Diese Materialien sind online unter dem Titel „Den Kurs wechseln – neue Wege gehen – Zukunft fair teilen“ (Evangelischer Entwicklungsdienst e.V./Brot für die Welt 2009) bzw. „Zukunfts-WG“ (für die außergemeindliche Arbeit) bei Brot für die Welt weiterhin verfügbar.
Kirchenräume als Möglichkeitsräume
Projekte wie Kost-Nix Kranichstein und Heinerleih können nur existieren, wenn es verantwortungsvolle Gebäudeeigentümer gibt, die den Initiativen ihre Räume zu günstigen Preisen zur Verfügung stellen. Die christlichen Kirchen mit ihren vielen Gebäuden sehen wir hier in besonderer Verantwortung. Viele Kirchengebäude werden in der nächsten Zeit eine andere Nutzung erhalten. Aus Sicht des Autors wäre es geboten, die Gebäude nicht einfach an den Meistbietenden zu verkaufen und damit die Immobilienspekulation anzuheizen (so machen es z. B. die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BIMA und die Deutsche Bahn). Stattdessen sollte versucht werden, die Gebäude dem Immobilienmarkt dauerhaft zu entziehen. Das kann z. B. gelingen, indem es ein Vorkaufsrecht für gemeinnützige Initiativen gibt, indem die Gebäude im Eigentum der Kirche bleiben und sie (nach einer energetischen Sanierung) günstig vermietet werden oder indem das Modell „Mietshäuser Syndikat“ gewählt wird. Über 150 Wohnprojekte bundesweit sind aktuell in dem Unternehmensverbund selbstorganisierter Hausprojekte zusammengeschlossen, vom Kleinstprojekt mit sechs Menschen bis zu großen Häusern mit 280 Bewohner:innen.
Wissen teilen
Mit dem Internet gibt es viele Möglichkeiten, sein Wissen zu teilen. Einige Beispiele: Wikipedia ist eine Enzyklopädie, an der jede:r mitschreiben kann. Openstreetmap ist eine Landkarte, die jede:r verbessern kann. Bei der Karte von Morgen kann man nachhaltige Initiativen und Geschäfte in seiner Stadt eintragen. Man kann seine Werke unter Creative Commons Lizenz stellen und damit z. B. die kostenfreie Nutzung ermöglichen oder sogar auf sein Urheberrecht verzichten.
Fazit
Der weltweite Ressourcenverbrauch ist höher, als die Erde es verkraftet. Der Earth Overshoot Day, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen, die die Erde innerhalb eines Jahres zur Verfügung stellen kann, aufgebraucht hat, rückt jedes Jahr weiter nach vorne; 2023 war er bereits am 2. August. Es geht darum, eine Kultur zu finden, mit der unsere Lebensgrundlagen bewahrt werden. Die vorgestellten Projekte laden ein, eine neue Kultur zu erlernen: den persönlichen Ressourcenverbrauch zu reduzieren und seinen Lebensstil durch die Vermeidung von Neukäufen und die bewusste Auswahl von Geschäften nachhaltiger zu gestalten, ohne sich bei der Lebensqualität einschränken zu müssen. Zudem wird die Einladung ausgesprochen, ähnliche Projekte in seiner eigenen Kommune zu initiieren. Die Projekte können ohne Vorkenntnisse mit einer Gruppe von fünf bis zehn aktiven Menschen umgesetzt werden. Voraussetzung dafür ist lediglich ein Zugang zu günstigen Räumlichkeiten, die bei vielen Kirchengemeinden verfügbar sind.