Wie kann Gott in einem kreativen, leicht chaotischen und unkonventionellen Umfeld erfahren werden? Sind messy churches eine Zukunftschance für Gemeinde- und Kirchenentwicklung?

Am 1. und 2. Februar dieses Jahres fand im Bonifatiuskloster in Hünfeld das Netzwerktreffen von Kirche Kunterbunt statt. Bei den aus Großbritannien stammenden messy churches handelt es sich um eine Form von Fresh X, die in Deutschland ökumenisch unter dem Label Kirche Kunterbunt läuft. 2004 gegründet, ist Kirche Kunterbunt, die sich als „Bewegung [mit] pubertäre[m] Charme in einer sehr seriösen kirchlichen Welt“ (kirche-kunterbunt.de/​verstehen/​geschichte) versteht, mittlerweile auf 5.000 Initiativen in 30 Ländern angewachsen und erfährt weiterhin stetigen Zulauf. Doch worum geht es genau? Kirche Kunterbunt richtet sich an Familien, die eigentlich nicht zur Kirche gehen, oder solche, die eine neue Form des Kirche-Seins suchen und erleben möchten. Die Gründerin, Lucy Moore, beschreibt die messy churches als „generationenübergreifende, neue Ausdrucksform von Kirche, in der Kinder und ihre Bezugspersonen zusammenkommen, um zu reden, kreativ zu werden, miteinander zu essen und Gott zu feiern“ (übersetzt aus Moore/​Leadbetter 2012, 15). Zusammen essen und zusammen Mensch sein, schöpferisch werden und Raum schaffen, um Gott mit allen Sinnen zu erfahren und ihn zu feiern, sind Bausteine für eine Kirchenentwicklung hin zu einer Kirche, die aus einer inneren Grundhaltung heraus das Evangelium verkörpert, indem andere willkommen geheißen werden und Gemeinschaft aufgebaut wird.

Das Netzwerktreffen nahm neben strukturellen und strategischen Aspekten der Bewegung innerhalb des deutschsprachigen Raums die kirchenentwicklerische Perspektive von Kirche Kunterbunt in den Blick. Die Verantwortlichen betonten, dass die Wachstumsphase der Bewegung nun in eine Verstetigungsphase übergehe, so dass die Frage nach Qualität noch einmal anders gestellt werden müsse, um ein Wachsen in die Tiefe zu ermöglichen. Anschaulich dargestellt wurde diese Wahrnehmung durch Referate einzelner Mitglieder, in denen Kirche Kunterbunt selbst als eine Form der Kirchenentwicklung vorgestellt wurde, deren innovatorisches Potential durch Ambidextrie (Beidhändigkeit) gekennzeichnet sei, der Fähigkeit eines Unternehmens, gleichzeitig forschen (Exploration) und Bestehendes optimieren (Exploitation) zu können. Diese Balance zwischen Innovation und Effizienz zeige sich in den Kernbereichen der Arbeit, d. h. der Arbeit mit Kindern und Familien, sowie im Hinblick auf Kirchenentwicklung durch neue Formen von Gottesdiensten und unkonventionellen Erprobungsräumen, die häufig gemeinwesen- und sozialraumorientiert sind.

Die Werte, gleichsam die DNA, für die Kirche Kunterbunt steht, sind: kreativ, fröhlich feiernd, gastfreundlich, generationenübergreifend und christuszentriert, was beim Netzwerktreffen sehr deutlich erfahrbar wurde. Im Hinblick auf Kirchenentwicklung bedeutet das: Eine kreative Kirche wird in der Lage sein, (klerikale) eindimensionale Traditionsmuster aufzubrechen und ggf. von ihnen Abschied zu nehmen und die Glaubensüberlieferung schöpferisch kommunikativ weiterzugeben. Diese „heilige Neugier“ (Krebs/​Sramek 2024, 62) als Potential wiederzuentdecken, dazu will Kirche Kunterbunt Kinder als auch Erwachsene ermutigen. Eine fröhlich feiernde Gemeinschaft ist emanzipiert und lässt Anteil haben an ihrer Lebensfreude, die vom Evangelium her bestimmt ist und deren Inhalt und Ausgangspunkt Relevanz für Lebensfragen des Gegenübers hat. Gastfreundlich ist diese Kirche, wenn Menschen aus einer Grundhaltung heraus willkommen geheißen werden, vor allem, wenn sie nicht selbstreferentiell agiert, sondern Milieugrenzen überwindend nicht aus den üblichen Gästen besteht, wie das Gleichnis vom Festmahl aus Lk 14,15–24 veranschaulicht. Kirche Kunterbunt ist generationenübergreifend, was bedeutet, dass nicht nur Kinder die Zielgruppe sind, sondern zusammen mit Erwachsenen das Evangelium entdecken. Dabei entwickelt sich Glaube nicht nur anhand kognitiver Prozesse, sondern auch auf motorischer, sozialer und emotionaler Ebene (vgl. Krebs/​Sramek 2024, 83). Alle genannten Werte selbst sind christuszentriert, vergleichbar einer Achse, um die sich alles dreht. Die Verkündigung ist somit in ihrer Gesamtheit zu sehen und als Beziehungsgeschehen zu bewerten, ein wesentlicher Baustein für zukunftsorientierte Kirchenentwicklung.

Ende des Jahres (8.–9.11.2024) lädt Kirche Kunterbunt zu einem Kongress nach Nürnberg ein, zu dem 400 Personen erwartet werden, um gemeinsam zu feiern und kreativ Kirche zu gestalten.