In Gottes Ohr
Von der Kunst poetischer Gottesrede
Der emeritierte Kölner Fundamentaltheologe, Sozialethiker und Religionsphilosoph Hans-Joachim Höhn beginnt sein Buch in medias res mit der Frage, warum das Reden von Gott nicht mehr ins Ohr geht. Ziel und Hauptthese der Auseinandersetzung soll sein, eine Sprache und literarische Form zu entwickeln, die „prägnant und pointiert, gehaltvoll und stilsicher“ (8) religiöse Inhalte vermitteln kann. Nach Wittgenstein, den er zitiert, müsse alles, was gesagt werden kann, kurz und knapp gesagt werden können.
Das mit „Hörsturz“ überschriebene erste Kapitel geht ausführlich und analytisch präzise auf ein durch allzu „redselige Glaubensverkündigung“ (12) ausgelöstes Desinteresse ein. Hierzu zählt Höhn auch Beispiele von digitaler Glaubensverkündigung, die keineswegs neue Möglichkeiten und Zielgruppen erschließen, sondern häufig nur dieselbe Klientel ansprechen. Auch der Content sei nicht immer innovativ oder, biblisch ausgedrückt, finde man in neuen Schläuchen keineswegs neuen Wein (13). Religiöses Reden stehe sich dabei selbst im Weg, indem missionarische Monologe und Litaneien produziert werden (15), statt sich auf die avisierte Zielgruppe einzulassen und klarzumachen, worüber eigentlich gesprochen wird. Sowohl die Form als auch die Performanz eines Textes verweisen laut Höhn auf den Inhalt desselbigen. Kommunikationsversagen bestehe indes, wenn im Zuge eines Schrumpfens an pastoralen Wortbeständen die Botschaft allein auf ein banales und klischeehaftes „Jesus hat dich lieb“ reduziert werde (21). Im Blick auf die Liturgie kritisiert Höhn das Ausnutzen klerikaler Macht statt einer Haltung auf Augenhöhe, ein Hindernis in der Kommunikation, das durch zeitgemäße Sprache allein nicht aufgehoben werden könne.
Im zweiten Kapitel führt Höhn die Theopoetik als Methode ein. Mit dem Ziel, religiöse Sprachlosigkeit zu verhindern, ist die Theopoetik unter Verwendung lyrischer Sprache die Performance ihres eigenen Inhalts. Theopoet:innen wie Huub Osterhuis, Dorothee Sölle, Kurt Marti oder auch Andreas Knapp versuchen sich existentiellen Fragen durch besondere Sprachsensibilität anzunähern. Der Autor stellt die These auf, dass jede:r Betende schon ein:e Theopoet:in sei, und ermahnt im Folgenden erneut, dass Theopoetik kurz, aphoristisch zugespitzt, semantisch klar und sachlich objektiv sein soll (61).
Kapitel drei ist eine Anleitung zu und umfangreiche Aneinanderreihung von Aphorismen, dem Spiel mit Tippfehlern und anderen Sprachspielen aus unterschiedlichen Bereichen der Theologie, zu deren Nachahmung und Einübung die Leser:innen selbst angeregt werden.
Das letzte Kapitel hat den Charakter einer Abschiedsvorlesung mit theopoetischen Zügen und dem Abschiednehmen und Aufhören als zentralem Inhalt.
Die für Christ:innen und Nicht-Christ:innen attraktive und einer Willkommenskultur entsprechende christliche Botschaft „Du darfst so sein, wie du bist“ löse laut Höhn lediglich Indifferenz gegenüber dem Gesagten und den „Gottesstalkern“ als Absendern aus (27 f.). Höhn weist auf die Verzichtbarkeit dieser Aussage hin, da man auch ohne jegliche Bindung an Gott oder das Christentum so sein kann, wie man ist. Die vermehrt geübte Kritik Höhns an der eigenen Gilde im Allgemeinen und den Theolog:innen im Besonderen ist für diese womöglich nur schwer nachvollziehbar, zumal von einem Theologen selbst geäußert. Sehr positiv zu bewerten ist der praktische Teil, in dem der Autor Einblicke und Anleitungen zu einer theopoetischen Sprechweise gibt, deren Aneignung sich gerade für Praktiker:innen in der Pastoral in ihrer Arbeit als hilfreich und für eine relevante Rede von Gott als nützlich erweisen kann.
Jasmin Hack