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Christentum – kann das weg?

Glauben in Zeiten der Kirchen-Erschöpfung

Die provokante Frage des Titels greift die aktuelle Diskussion um den Vertrauensverlust, den die Kirchen gerade erleben, und die damit einhergehenden Austrittswellen aus der Kirche als Körperschaft auf. Welchen zukünftigen Herausforderungen gilt es zu begegnen?

Glaubwürdigkeitsverluste als Folge eines römischen Zentralismus oder eines „klerikal-feudalistische[n] Kirchen-Selbstmissverständnis[ses]“ (26) sind laut Werbick, emeritierter Professor für Fundamentaltheologie an der Universität Münster, maßgeblich verantwortlich nicht nur für eine Kirchenkrise, sondern für eine Kirchen-Erschöpfung, wie es der Titel nahelegt. In zehn Kapiteln zeichnet Werbick aktuelle Problemstellungen aus zentralen Themenbereichen der Theologie (Kirchenentwicklung, Traditionalismus vs. Partizipation und Demokratisierung, Soteriologie, Eschatologie, Gebet, Eucharistie) nach und stellt admonierend die Frage nach mehr Partizipation statt einer Einseitigkeit im Traditionsverständnis, die sich im Gebrauch des Begriffes servus servorum Dei manifestiere, der lange Zeit als „eine fast schon zynisch gebrauchte Selbst-Legitimationsfigur“ (40) diente. Demokratisierung bedeute hier das Anerkennen von Glaubensüberlieferung und neuer Inkulturierung gleichermaßen.

Werbick plädiert dafür, den Blick für den Umstand zu schärfen, dass Gott sich überall dort ereignen kann, wo man nicht mit ihm rechnet, und spricht sich damit gleichsam gegen eine kirchliche Selbstreferentialität und für mehr Selbstrelativierung aus. Letzterer Begriff stellt zugleich den roten Faden dar, der sich durch das gesamte Buch zieht und an dem Werbick auf entsprechende Problemlagen hinweist. Die biblische Reich-Gottes-Metaphorik nimmt er zum Beleg, dass Gott nicht erst am Ende der Zeiten komme, wenn ohnehin alles zusammengebrochen sei. Hier stellt Werbick allerdings zu Recht die Frage, ob die Kirchen diesen Bruch als eine Unterbrechung durch Gott wahrnehmen. Werbick fordert einen konsequenten Neuanfang statt Oberflächenkosmetik und eine Glaubens-Naivität, die Hoffnung auf Alternativen gibt und Mut macht, solidarisch zu sein. Kirche müsse in der Lage zur Selbstrelativierung sein, um eine Kirche der Zukunft zu werden.

Werbick gelingt eine dem Themenreichtum geschuldet nicht ganz konzise, dafür aber rhetorisch äußerst treffsichere Auseinandersetzung mit einer sehr aktuellen Fragestellung. Sprachlich versiert und nahezu spielerisch kritisiert er allzu klerikale Strukturen und ermutigt anhand biblischer Befunde zu „Selbstvertrauen im Gottesvertrauen“ (221).

Jasmin Hack