Inhalt

Die Immobilienstrategie im Erzbistum Paderborn

Praxiserfahrungen aus einem aktuellen Konkretionsfeld von Kirchenentwicklung

Wo setzt die Immobilienstrategie im Erzbistum Paderborn an?

Kirchliche Gebäude sind Heimat und Orientierungspunkte für viele Menschen, nicht nur innerhalb der christlichen Gemeinden. Der Kirchturm im Ort gehört dann doch irgendwie dazu, auch wenn das Gebäude immer weniger für den Zweck aufgesucht wird, für den es einst errichtet wurde. Kirchliche Gebäude, vor allem die Sakralgebäude, sind nach wie vor sichtbare Zeichen für die Präsenz des Evangeliums in der Gesellschaft. Und doch ist im Erzbistum Paderborn wie auch in anderen Diözesen erkennbar, dass dauerhaft nicht alle heute vorhandenen Immobilien auf Zukunft hin zu halten sein werden.

In Anbetracht dieses Spannungsverhältnisses hat sich das Erzbistum entschieden, die künftige Entwicklung des Immobilienbestandes seiner Pastoralen Räume interdisziplinär anzugehen. Dabei bildet das Zusammenkommen der unterschiedlichen Sichtweisen pastoraler, baulicher und wirtschaftlicher Expertise die Komplexität von Gebäudefragen umfänglicher ab; so lassen sich tragfähigere Optionen für die Zukunft entwickeln, als den Umgang mit Gebäuden ausschließlich nur unter einem der genannten Aspekte zu betrachten. Denn was nützt es einer Kirchengemeinde, sich ein wohldurchdachtes pastorales Konzept für ihr Pfarrheim zu geben, ohne dessen Realisierung finanzieren zu können? Umgekehrt wird etwa eine rein wirtschaftliche Betrachtung kirchlicher Gebäude weder ihrer pastoralen noch der baulichen und vor allem emotionalen Bedeutung gerecht. Dieser komplementäre Ansatz ist für eine Organisation wie ein Generalvikariat durchaus ungewohnt und operativ herausfordernd, in letzter Konsequenz aber alternativlos.

„Der Anzug ist zu groß“

Ausgangspunkt der Paderborner Immobilienstrategie sind drei Prämissen, die auch für andere kirchliche Regionen Deutschlands zutreffen. Zum einen besteht eine immer geringere Passung zwischen dem bestehenden Gebäudebestand und den Anforderungen an eine zukünftige Pastoral. Zugespitzt formuliert: Wie soll eine tragfähige Pastoral der Zukunft mit den Gebäuden von gestern gelingen? Dies betrifft zum Beispiel die Gebäudeästhetik, welche sich vielerorts noch im „Ursprungszustand“ der Errichtung befindet und auf immer mehr Menschen immer weniger einladend wirkt. Aber auch die Gebäudegröße ist auf Belegungen ausgelegt, die eine kirchliche Realität annehmen, die im Vergehen ist. Für die Immobilienstrategie im Erzbistum Paderborn hat sich dabei das Bild des Anzugs geprägt, der zu groß geworden ist und nicht mehr zu den Anlässen passt, zu denen man heute und künftig eingeladen sein wird. Dies ist, um im Bild zu bleiben, nicht allein eine Frage der Mode oder der Körperfülle, sondern eine grundsätzliche Frage, wie Kirche sich künftig in unserer Gesellschaft mit ihren Gebäuden lebendig präsentieren will.

Zum anderen ist es schon heute absehbar, dass die Kirchensteuermittel, welche an die Kirchengemeinden zum Bauunterhalt weitergegeben werden können, geringer werden. Der demografischen Entwicklung und den Austrittszahlen stehen hier stetig steigenden Kosten, etwa für Energie, gegenüber. Bereits heute liegt der Anteil der Gebäudekosten an den verfügbaren Erträgen in vielen Kirchengemeinden bei zwischen 50 und 80 Prozent ihres Haushaltsbudgets. Strukturelle Defizite in den Haushalten der Kirchengemeinden zeichnen sich ab und sind mancherorts schon Realität. Die Ressourcen, welche das Erzbistum im Vergleich zu anderen Diözesen aktuell noch besitzt, eröffnen Spielräume, um den Gebäudebestand für die Zukunft umzugestalten.

Darüber hinaus nimmt die Komplexität für das Betreiben von Gebäuden immer weiter zu, etwa durch eine Zunahme an Vorschriften, Fördermechanismen, Fachkräftemangel usw. Dass diese Komplexität von einer immer geringer werdenden Zahl von Ehrenamtlichen bewältigt werden muss, verschärft den Druck auf den kirchengemeindlichen Gebäudebestand zusätzlich.

Finanzielle Rahmensetzung als Impuls für inhaltliche Arbeit

Die Bereitschaft, den eigenen Immobilienbestand an den pastoralen Bedarf vor Ort anzupassen, wird im Erzbistum Paderborn wesentlich durch einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Bezuschussung von Gebäuden evoziert. Vergangene Versuche des Erzbistums, die Pastoralen Räume über konzeptionelle Appelle, Hinweise oder Arbeitshilfen zur Reduktion von Gebäudeflächen zu bewegen, hatten demgegenüber nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Insofern muss an dieser Stelle auf die finanzielle Steuerungslogik der Immobilienstrategie eingegangen werden: Mit dem offiziellen Start der Strategie am 1. Juli 2022 wurden die Gebäude der Kirchengemeinden unterschiedlichen Förderstufen zugeordnet. Alle dienstlich notwendigen Gebäude, was im Erzbistum Paderborn Kirchen, Pfarrheime und Pfarrbüros bezeichnet, befinden sich in der Stufe 1, welche eine Bezuschussung aus Kirchensteuermitteln lediglich noch zum Erhalt der Gebäudesubstanz gewährt. Darüber hinaus gehende Renovierungen und Modernisierungen können nicht mehr gefördert werden. Wenn durch die örtlichen Gremien der Entschluss zur Reduktion von Gebäudefläche gefasst ist, kann die Stufe 2 erreicht werden. Diese bedeutet eine höhere Förderung für die im Bestand verbleibenden Gebäude. Wer diese Stufe anstrebt, bekommt durch das Erzbistum die Expertise des Teams Immobilienberatung für einen strukturierten Beratungsprozess angeboten. Unter Voraussetzung des Erreichens der Stufe 2 steht den Pastoralen Räumen schließlich noch die Stufe 3 offen, mittels derer Projekte mit besonderer pastoraler Bedeutung baulich besonders hervorgehoben und gefördert werden können (sog. Schwerpunktgebäude). Die anzustrebende Reduktion von Bruttogrundfläche mit Blick auf die dienstlich notwendigen Gebäude bemisst sich auf mindestens 20 Prozent (Stufe 2a) oder mindestens 30 Prozent (Stufe 3a). Durch diese Vorgaben soll eine signifikante Entlastung der Pastoralen Räumen mit Blick auf ihre Betreiberverantwortung erreicht werden, die zugleich neue Handlungsspielräume für eine Profilierung der Pastoral vor Ort eröffnet.

Auch wenn das Erzbistum einen Rahmen vorgibt und über die veränderte Bezuschussungslogik einen Steuerungsimpuls setzt, ist wichtig festzuhalten, dass alle Entscheidungen im Rahmen der Immobilienstrategie, vom Entschluss zur Anmeldung über den Verlauf der Beratungen bis hin zur Erstellung und Verabschiedung der Immobilienkonzeption, beim Pastoralen Raum und seinen Gremien liegen.

Beratungs- und Prozessdesign

Wie sind die Prozesse zur Beratung der Pastoralen Räume genau gestaltet? Zur Unterstützung der Verantwortlichen vor Ort stellt das Generalvikariat professionelle Beratungsexpertise zur Verfügung. Dieses Beratungsteam vereint theologische, bauliche und wirtschaftliche Expertise, zusätzlich begleiten zwei Mitarbeitende der Beratungsdienste in Fragen der Moderation, Prozessgestaltung und ggf. Mediation.

Wenn der Beratungsprozess im Pastoralen Raum beginnt, bildet sich zunächst eine Projektgruppe von meist 10 bis 12 Personen, in der sinnvollerweise Vertreter der Leitung (z. B. Pfarrer und Verwaltungsleitung), Mitglieder aus Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand sowie weitere Personen mit fachlicher Expertise vertreten sind. Gemeinsam entwickelt diese Gruppe in mehreren Schritten, die vom Team Immobilienberatung fachlich begleitet werden, ein Bild des zukünftigen Immobilienbestandes. Dieses wird in mehreren öffentlichen Plenumsveranstaltungen diskutiert, verändert und/​oder bestätigt, bevor dieses Bild dann von Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat final beschlossen wird. Das Erzbischöfliche Generalvikariat bestätigt diese beschlossene Immobilienkonzeption nach fachlicher Beurteilung durch das Team Immobilienberatung, so dass die Umsetzungsphase beginnen kann. Der zeitliche Ansatz für diesen Beratungsverlauf beträgt 12 bis 15 Monate.

Der Rahmen ist gesetzt, jetzt muss er gefüllt werden

Die Reduktion von Gebäudeflächen ist kein Selbstzweck. Sie dient dazu, sich von der zunehmenden Betreiberverantwortung zu entlasten, pastorale Schwerpunkte zu bilden und sich auf das zu fokussieren, was eine Wachstumsperspektive hat. Es geht also nicht um eine „Abwicklung“, sondern um eine Anpassung an die real existierenden Gegebenheiten.

Das Erzbistum setzt dabei mit dem Zielbild 2030+ einen Rahmen, der von den Pastoralen Räumen als Experten der örtlichen kirchlichen Wirklichkeit mit Leben gefüllt wird.

Sinnhafte, zukunftsweisende und ggf. neu-aufbrechende pastorale Initiativen sollen neben der „pastoralen Grundversorgung“ auch weiterhin gebäudetechnisch ein Zuhause haben. Dafür ist verstärkt über die multifunktionale Nutzung von Gebäuden nachzudenken.

Gerade der Sozialraum birgt Potenziale für innovative Lösungen, die allen Menschen vor Ort zugutekommen. Um auch sozialräumlichen Kriterien gerecht werden zu können, muss die Frage beantwortet werden, welche Bedürfnisse die Menschen vor Ort haben und inwiefern diese Bedürfnisse bereits gedeckt sind. In diesem Kontext bietet es sich an, mit anderen Einrichtungen, Gruppierungen und Initiativen zu kooperieren, um einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten zu können. Mit der Öffnung ihrer Gebäude für Anliegen und Themen der Menschen im Sozialraum können sich Kirchengemeinden immer mehr zu Akteuren in einem Netzwerk entwickeln und geübte Muster einer versorgenden Pastoral durchbrechen.

Wie definiert sich wirksame pastorale Fachberatung?

Das Ziel der Fachberatung aller drei beteiligten Bereiche des Generalvikariats ist eine durch die Gremien des Pastoralen Raumes konsentierte, gegenzeichnungsfähige und umsetzbare Immobilienkonzeption im angesetzten Zeitrahmen. Alternativ kann es auch ein Erfolg der Beratung sein, dass sich die Verantwortlichen des Pastoralen Raums nach entsprechenden Vorgesprächen dazu entschließen, den Beratungsprozess zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen und die Zeit bis dahin zur weiteren Vorbereitung zu nutzen. Im Weiteren soll der Fokus auf die pastoraltheologische Fachberatung gelegt werden.

Die Wirksamkeit pastoraltheologischer Fachberatung im Kontext der Immobilienprozesse zeichnet sich dadurch aus, dass sie bei den pastoralen und sozialräumlichen Realitäten ansetzt und von dort her für Veränderungsnotwendigkeiten sensibilisiert. Bereits lokal vorhandene Ideen bzgl. des Gebäudebestandes werden aufgegriffen und auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft, wobei der interdisziplinäre Zugang der beteiligten Fachexpertisen von großem Wert ist. Sehr oft gibt es Gebäude, deren Abgabe sich aus baulichen, finanziellen und/​oder pastoralen Gründen sehr nahelegt, was durch die Akteure vor Ort auch sehr rasch aufgezeigt wird. Umgekehrt haben sich an manchen Standorten schon lebendige Knoten eines künftigen pastoralen Netzes gebildet, an denen pastorales Wachstum merkbar ist. Pastoraltheologische Fachberatung konfrontiert durch ihre Arbeit mit der absehbaren kirchenentwicklerischen Realität in den nächsten Jahren und fragt die bekannten Muster pastoralen und institutionellen Handelns, sei es ein „Wünsch-dir-was“ oder ein „Es-war-schon-immer-so“, kritisch an. Dabei gilt es die Spannung zu halten, gewachsenen Traditionen und Emotionen adäquat Berücksichtigung zu verschaffen. Je nach Verlauf des Beratungsprozesses kann entweder ein eher aktives oder ein eher zuwartendes beraterisches Agieren geboten sein.

Zu den Aufgaben der Fachberatung gehört es auch, die Anwaltschaft für die o. g. pastoralen diözesanen Rahmensetzungen zu übernehmen und diese in die Beratungsprozesse einzuspielen. Auch hier gilt der Leitgedanke, dass seitens des Erzbistums ein Rahmen an die Hand gegeben wird, welcher durch die Engagierten in den Pastoralen Räumen mit Leben gefüllt werden muss. Pastoraltheologische Fachberatung wirkt dabei übersetzend und vermittelnd. Es gehört dabei zur pastoralen Wirklichkeit, vor Ort immer wieder auf eine mehr oder weniger ausgeprägte „pastorale Fantasielosigkeit“ zu treffen. In solchen Fällen bringt die Fachberatung eigene Ideen und Lösungsvorschläge zur innovativen Entwicklung des Immobilienbestandes ein, die auf ihrer Analyse der lokalen pastoralen und sozialräumlichen Gegebenheiten basieren. Die Entscheidung über die Aufnahme und Umsetzung dieser Impulse bleibt weiter bei den Verantwortlichen im Pastoralen Raum.

Durch die Vernetzung mit anderen Stakeholdern des Pastoralen Raumes, beispielsweise den Dekanaten oder den regionalen Caritasverbänden, werden die Wissensbestände wechselseitig erweitert und Grundlagen für mögliche Kooperationen und Unterstützungsmöglichkeiten in der Umsetzungsphase nach Abschluss des Beratungsprozesses gelegt.

Lernerfahrungen

Nach 18 Monaten operativer Arbeit mit und in Immobilienberatungsprozessen im Erzbistum Paderborn lassen sich thesenartig erste Lernerfahrungen beschreiben.
 

1. Der Pastorale Raum ist eine sinnvolle Handlungsebene für Immobilienfragen

Ein japanisches Sprichwort lautet: „Hebt man den Blick, sieht man keine Grenzen.“ Für das Nachdenken über kirchliche Gebäude ist es eminent wichtig, den Blick über den Tellerrand der eigenen Kirchengemeinde hinaus zu richten. Eine Fixiertheit auf den eigenen Kirchturm ist vielerorts und unabhängig vom städtischen oder ländlichen Kontext zu beobachten. Sie ist aber nicht hilfreich, um auch in Zukunft tragfähige Lösungen zu entwickeln. Im Erzbistum Paderborn stellen die Pastoralen Räume seit mehreren Jahren eine strukturelle Realität dar, die in unterschiedlicher Qualität auch eine pastoral gestaltete Realität ist. Der Pastorale Raum bietet einen Planungs- und Organisationsrahmen, um die Verwaltung zu vereinfachen, Pluralität zu erzeugen und die Zusammenarbeit unterschiedlicher gemeindlicher und kategorialer Aufgaben, Organisationen, Einrichtungen, Dienste, Verbände, Gruppen, Initiativen und Projekte zu stärken. Insofern wäre eine rein vermögensrechtliche Betrachtung, d. h. auf Ebene der Kirchengemeinden, welche die Eigentümerinnen der Gebäude sind, eine verkürzte Betrachtung, um die Nutzungen und Wirkungen kirchlicher Immobilien zu erfassen. Dass die Mehrheit der Pastoralen Räume im Erzbistum aus nicht fusionierten Kirchengemeinden besteht, stellt indes eine Herausforderung dar, insbesondere für Fragen des Verwaltungshandelns. Zugleich zeigt sich, dass eine bereits erfolgte Fusion zu einer Gesamtpfarrei den Immobilienberatungsprozess zwar befördern kann, aber nicht per se muss.
 

2. Zwischen theoretischer und tatsächlich existierender Veränderungsbereitschaft klafft eine Lücke

Für die vollständige Anmeldung zur Beratung durch das Team Immobilienberatung sind Beschlüsse aller Pfarrgemeinderäte und Kirchenvorstände des Pastoralen Raumes notwendig. Mit der Erfüllung dieses Kriteriums ist jedoch in den seltensten Fällen eine einmütige Willensbekundung aller Beteiligten, geschweige denn „Betroffenen“ im Pastoralen Raum verbunden. Auch drückt die formale Anmeldung keinesfalls eine umfassende Veränderungsbereitschaft mit Blick auf eine Reduktion des Gebäudebestandes und eine pastorale Schwerpunktsetzung aus. Nicht selten wird der Veränderungsdruck für die benachbarten Kirchengemeinden beschrieben, für den eigenen „Kirchturm“ aber nicht wahrgenommen. Dies ist eine zentrale Lernerfahrung aus den ersten Beratungsprozessen, die, obgleich durchaus erwartbar, zu Veränderungen am Prozessdesign geführt hat. Mittlerweile ist dem Start in die eigentliche Beratungsphase ein Clearing-Verfahren vorgeschaltet, in dem die Leitungsverantwortlichen und die Gremien des Pastoralen Raumes sehr klar über die Auswirkungen möglicher Entscheidungen zu Veränderungen informiert und zu einer Positionierung aufgefordert werden. Ein solches Clearing bringt in jedem Fall eine Richtungsentscheidung: Entweder bestätigt es den Entschluss, einen Beratungsprozess zu beginnen, oder der Prozess wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, bis die noch offenen Fragen und Themen vor Ort in eine Klärung gekommen sind. Möglichen Konfliktfeldern, die sich für den Prozess nicht gänzlich werden klären lassen, kann durch diesen Schritt aber die Spitze genommen werden.
 

3. Eine ambitionierte Zeitplanung ist hilfreich

Für die Beratungsprozesse sieht die Immobilienstrategie einen Zeitrahmen von 12 bis 15 Monaten vor. Die zu Prozessbeginn vereinbarte Zeitplanung stellt klar, dass das Angebot der Prozess- wie der Fachberatung eine zeitlich begrenzte Ressource ist, die nicht über einen ausgedehnten Zeitraum abgefragt werden kann, zumal die Nachfrage nach Beratung in Immobilienfragen kontinuierlich hoch ist. Der Zeitrahmen ist ambitioniert, er hat sich jedoch nach den ersten Prozessen als durchaus realistisch herausgestellt. Vor dem Hintergrund einer mitunter feststellbaren Prozessmüdigkeit in den Pastoralen Räumen wird ein klar umrissener Zeitrahmen als hilfreich angesehen, mag bei manchem vielleicht auch die Intention mitschwingen: „Dann haben wir es schnell hinter uns.“ Diese Intention kann auch positiv gewendet werden: Je rascher Gebäudefragen konsentiert sind, umso schneller kann die Phase der Umsetzung und Fokussierung auf Schwerpunkte des eigenen pastoralen Handels erfolgen.
 

4. Immobilienfragen legen ein Brennglas auf nicht gelöste Themen vor Ort

Die Beschäftigung mit der Zukunft kirchlicher Gebäude geschieht nicht im luftleeren Raum. Sie setzt an bei den Realitäten und Vorgeschichten des Miteinanders der Menschen in den Kirchengemeinden und ihren Beziehungen zu den Kirchen, Pfarrheimen und Pfarrhäusern. Das Nachdenken über die Gebäude bringt für den Diskurs, wie Kirche sich künftig im Stadtteil oder im Dorf entwickeln soll, eine gleichsam unvermeidliche Konkretion, die rein appellative Impulse zur pastoralen Veränderungsnotwendigkeit oft nicht erreichen. Diese Konkretion legt zugleich ein Brennglas auf die Themen und Konflikte, welche im Pastoralen Raum virulent sind. Diese können sehr unterschiedlicher Art sein, beispielsweise personen-, mentalitäts- oder strukturbezogen. So mag eine schon viele Jahre zurückliegende Fusion mehrerer Kirchengemeinden zuerst suggerieren, dass zwischen den unterschiedlichen Akteuren eine grundlegende Bereitschaft zur Kooperation und ein gutes Miteinander gewachsen sind. Das Ringen um den Gebäudebestand legt aber nicht selten unverheilte Wunden und Verletzungen aus dem Fusionsprozess offen, die für Fragen der kirchlichen Entwicklung noch Relevanz entfalten. Beratung kann dabei helfen, diese nicht gelösten Themen wahrzunehmen und in geeigneter Weise anzusprechen. Lösungen werden sich nicht in jedem Fall finden lassen, zumal bei sehr grundlegenden Konflikten.
 

5. Immobilienprozesse stoßen kirchliche Grundsatzfragen in höherer Frequenz an als bisher

Es zeichnet sich schon heute ab, dass durch die Immobilienstrategie bestimmte Grundsatzthemen häufiger zur Sprache kommen als bisher. Dazu zählen beispielsweise die Frage nach der Profanierung von Kirchen, damit verbunden die Gestaltung von Trauerprozessen in den Kirchengemeinden, aber auch die Kooperation mit anderen Akteuren im Sozialraum, etwa in der Ökumene. Auch wenn diese Themen für sich genommen nicht neu sind, bedarf es einer intensiveren Auseinandersetzung mit ihnen, auch um grundsätzliche Lösungen und Standards für ihre Bearbeitung in der weiteren pastoralen Entwicklung des Erzbistums Paderborn zu kreieren.

Ausblick

Seit dem Start der Immobilienstrategie am 1. Juli 2022 haben sich knapp 60 von insgesamt 87 Pastoralen Räume aus allen Regionen des Erzbistums zu einer Beratung angemeldet. Von diesen befinden sich derzeit elf in einem Beratungsprozess. Während manche Pastoralen Räume die Arbeit erst begonnen haben, andere sich mitten im Prozess befinden oder kurz vor dem Abschluss stehen, konnte ein Pastoraler Raum sein Immobilienkonzept bereits erfolgreich beschließen.

Für diejenigen Räume, welche noch auf den Start einer Beratung warten, wurden Hinweise und Tipps in Form zweier Webseiten zusammengestellt, um die „Wartezeit“ möglichst gut zu nutzen und sich auf den späteren Prozess optimal vorzubereiten, bspw. durch das Zusammenstellen relevanter baulicher oder finanzieller Daten oder durch die Förderung der Kooperationsbereitschaft zwischen den einzelnen Kirchengemeinden des Pastoralen Raumes. Ferner bezuschusst das Generalvikariat Exkursionen von Haupt- und Ehrenamtlichen zu Orten, an denen die Umnutzung von kirchlichen Immobilien, insbesondere von Kirchen, erfahrbar wird, um aus erster Hand mögliche Entwicklungsperspektiven für den eigenen Gebäudebestand anzuregen.

Im Idealfall erzeugt ein Immobilienberatungsprozess eine positive Veränderungsdynamik im Pastoralen Raum, die auch kirchenentwicklerische Impulse setzt. Dabei muss immer mit der Spannung umgegangen werden zwischen den Stimmen, die eine viel weitergehende Reduktion von Gebäudeflächen und damit eine viel stärkere Fokussierung des pastoralen Handels denken wollen, und den Stimmen, welche im Wesentlichen mit den bestehenden Gebäuden und der gewohnten pastoralen Wirklichkeit in die Zukunft gehen wollen.

Gleichwohl bleibt die Phase der Umsetzung eine große Herausforderung, insbesondere für die ehrenamtlich tätigen Akteure vor Ort. Wie diese Herausforderung mit bestehenden und ggf. neuen Unterstützungssystemen erfolgreich bewältigt werden kann, wird derzeit entwickelt.