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Editorial

Schrumpfungsschmerzen

Liebe Leserinnen und Leser!

Wachstumsschmerzen sind Schmerzen unklarer Herkunft, die bei Heranwachsenden v. a. in den Beinen auftreten können und von selbst wieder weggehen. Wohl gravierender sind die „Schrumpfungsschmerzen“, die wir derzeit allerorten beobachten können: wenn wegen geringerer Steuereinnahmen in öffentlichen Haushalten gespart werden muss, wenn Automobilzulieferer Stellen streichen, weil für Elektroautos ihre Produkte nicht mehr benötigt werden, wenn Umweltauflagen die Spielräume von Landwirtinnen und anderen Unternehmern beschneiden, wenn die Inflation das Einkaufsbudget auffrisst, wenn kirchliche Einrichtungen schließen müssen, weil nicht mehr finanzierbar … Oder auch ganz direkt die körperlichen Beschwerden, wenn die Muskeln auf der Körperrückseite durch sitzende Tätigkeit verkürzt und unflexibel geworden sind.

Natürlich gibt es auch Menschen, die sich Reduktion auf das Wesentliche, Minimalismus oder auch Bescheidenheit auf die Fahnen geschrieben haben. Schrumpfen tut ansonsten aber oftmals weh und löst Trauer ob des notwendigen Abschiednehmens vom Gewohnten aus. Wie belastend das sein kann und wie wenig wir darauf eingestellt sind, Dinge, die ihre Zeit hatten, auch wieder zu beenden und uns stattdessen auf eine neue Situation einzulassen, zeigen teilweise massiv dysfunktionale Reaktionen: Menschen wählen Parteien, die die Rückkehr zu nur scheinbar heilen früheren Zeiten oder unfinanzierbare Wohltaten für bestimmte Bevölkerungsgruppen propagieren. Proteste gegen Veränderungen und Einsparungen eskalieren. Oder man ist auf die Wahrung eigener „Besitzstände“ fixiert, ohne zu bedenken, dass wir alle in einem Boot (Planet Erde) sitzen.

Wir in der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral haben keine fertigen Rezepte (erst recht keine Patentrezepte!), wie die derzeit laufenden und unvermeidlichen Transformationsprozesse in Gesellschaft und Kirche am besten zu gestalten sind. Wir können nur Impulse setzen, Anregungen geben; und auch nicht die korrespondierende Dimension, nämlich das Wachsen, vergessen. Lassen Sie sich deshalb zum Nachdenken anregen und inspirieren durch die Beiträge dieser Ausgabe! Der Bogen spannt sich weit: von der Großen Transformation über den Umbau von Städten, Industrien und auch in der Kirche bis hin zu persönlich-biographischen Wachstums- und Schrumpfungserfahrungen. Dass diesmal so viele Autorinnen und Autoren für unseren Schwerpunktteil geschrieben haben, freut uns!

Eine den Horizont erweiternde Lektüre wünscht

Ihr