Haltepunkt Leben: Wohin führt mich mein Lebensplan?
Mitten in der Stadt: Ah, eine Haltestelle! Doch nein – statt des gewohnten Gelb leuchtet dieses Haltestellenschild in himmlischem Blau. Wo normalerweise nur ein „H“ auf gelbem Grund zu sehen ist, steht „Haltepunkt Leben“. Und der darunter angebrachte Linienfahrplan beinhaltet Stationen wie „Zweifel“, „Zuversicht“, „Misstrauen“ oder „Gemeinschaft“. Irritiert bleiben Menschen stehen, betrachten den Plan genauer, fangen vielleicht sogar an, in Gedanken eine eigene Reise zu planen:
Sie wollen von Unzufriedenheit zu Hoffnung gelangen? Steigen Sie an der Station „Erkenntnis“ um. Vom Zweifel zum Vertrauen geht’s direkt mit den Zwischenhalten Staunen, Liebe und Mut. Ebenso kommen Sie ohne Umsteigen von der Einsamkeit zur Gemeinschaft. Von Glaube zu Vertrauen wechseln Sie bitte bei „Liebe“ auf die gelbe Linie. Der Plan ist wie klassische U‑Bahn-Übersichtskarten gestaltet und bietet nahezu unendliche Möglichkeiten, sich mit der Frage auseinanderzusetzen: An welcher Haltestelle im Leben stehe ich? Wohin möchte ich gelangen?
Mancherorts werden die Schilder begleitet von mobilen Bänken auf den Straßen, die zum Verweilen und Dialog einladen. Dazu gibt es inspirierende Karten mit Gedanken zu einzelnen Lebens-Stationen, einen Faltfahrplan zum Mitnehmen und weitere Materialien. In den sozialen Medien und auf Bildschirmen begegnen Ihnen dazu passende kurze Videoclips.
Gestartet hat diese ungewöhnliche Initiative das Netzwerk Citykirchenprojekte e. V., ein Zusammenschluss von derzeit 130 kirchlichen Einrichtungen aus drei Konfessionen in vier Ländern. Allen gemeinsam: Sie arbeiten auf die verschiedenste Art und Weise daran, den Menschen auf überraschende und niedrigschwellige Weise in der Stadt zu begegnen – ohne sie gleich für „Kirche“ vereinnahmen zu wollen. Zuhören, vielleicht zum Nachdenken anregen, da sein, Seelsorge im Vorübergehen. Da gibt es Cafés und kleine Buchhandlungen genauso wie mobile Kirchen und Eistrucks. Da sind große Innenstadtkirchen vertreten und kleinste Einrichtungen, die gerade mal ein Büro haben und mit ihren Aktionen auf die Straße gehen. Hauptsache, sie bieten eine Kontaktfläche für die Menschen, die gerade vorbeikommen.
So sollte auch eine Aktion werden, die das Netzwerk gemeinsam mit einer Agentur entwickelt hat: ein kleiner Gedanke, der im Vorübergehen hängen bleibt, ohne Verpflichtung, irgendwo dazuzukommen. Gedacht war an kurze Videos und an Plakate – doch herausgekommen ist viel mehr: eben der „Haltepunkt Leben“.
Die Fragen auf den Kärtchen, Plakaten und in den Videos sind bewusst offen gestaltet, so dass sie auch für sich alleine wirken. Ein positiver, hoffnungsvoller Gedanke ist immer dabei. Wer darüber hinaus mehr wissen will, findet auf der zentralen Homepage www.haltepunkt-leben.net die Adressen der Netzwerkmitglieder sowie für dringende Fragen Adressen wie die Telefonseelsorge.
Der Haltepunkt Leben ist nicht bloß eine kurzfristige Aktion, im Gegenteil: Das Konzept ist so gestaltet, dass es kontinuierlich wachsen kann. Neue „Haltestellen“ können problemlos integriert werden, und die Mitgliedseinrichtungen können eigenverantwortlich Aktionen planen.
Die Bremische Evangelische Kirche etwa hat einen kompletten Messestand mit dem abgewandelten Thema „Haltepunkt Liebe“ gestaltet. Das hat das Domforum Köln gleich am Valentinstag übernommen und auf der „Haltepunkt-Liebe“-Bank zum Platznehmen eingeladen. In Stuttgart und Ludwigsburg gab es einen „Haltepunkt Hoffnung“ auf dem Marktplatz. Und die Citykirche Schweinfurt gestaltete einen Gottesdienst der dort etablierten „MehrWegGottesdienst“-Reihe unter dem Titel „Haltepunkt Leben“.
Viel wichtiger als die „großen“ Aktionen ist aber wohl das, was das Netzwerk Citykirchenprojekte eigentlich ja beabsichtigte: die Wirkung im Vorübergehen. Fragen wie „Warum lässt mich das Leben manchmal ratlos zurück?“ oder „Wie kann ich nur allem gerecht werden?“ wirken weiter, selbst wenn es keine direkten, messbaren Kontakte gibt. Ein Denkanstoß im Vorübergehen. Und vielleicht ergibt sich im einen oder anderen Fall viel später sogar mal ein Gespräch daraus. Oder jemand, dessen Leben vorgezeichnet zu sein schien, macht einen Punkt, hält an und steigt in eine andere Linie zu einem anderen Ziel. Wer weiß?
In absehbarer Zukunft könnten auch andere kirchliche Dienste von den bereitgestellten Materialien profitieren. Erste Vorgespräche dazu gibt es bereits. Halten Sie die Augen offen: Möglicherweise stoßen Sie schon bald in Ihrer Stadt auf einen Haltepunkt Leben?
Hinweis: Der Beitrag findet wurde in ähnlicher Form bereits auf evangelisch.de veröffentlicht.