Universalität erfordert Heterogenität
Die Wiederentdeckung der Inkulturation als Chance für die Weltkirche
Zu groß, zu sichtbar sind die weltkirchlichen Risse geworden, als dass auch eine Jahrtausende alte globale Institution diese ignorieren könnte. Die jüngsten Briefwechsel zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und den Mitbrüdern aus Polen und den USA zeugen davon. In verschiedenen Ländern debattieren Katholikinnen und Katholiken, wie es weitergehen soll mit ihnen und ihrer Kirche. Für viele steht im Raum, getrennte Wege zu gehen. Auch deshalb befasst sich die kommende Weltbischofssynode in Rom im Jahr 2023 mit dem Thema der Synodalität selbst. Der Papst sieht die „Weggemeinschaft“ als einen Lebensmodus der Kirche. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass er an der traditionellen Rollenverteilung auf diesem gemeinsamen Weg wenig ändern will. Das sind schwierige Vorzeichen für diesen Prozess, weil gerade dieses Präjudiz, die Prozessherrschaft des Synodenvorstehers und seines Sekretariats, für viele zur Debatte steht.
Unzufriedenheit mit dem Vorrang der Kirche von Rom
Tatsächlich ist der binnenkirchliche Machtzuwachs der Diözese von Rom im Laufe der Jahrhunderte beispiellos. Aus dem primus inter pares, dem „Ersten unter Gleichen“, dem nur ein Vorrang in der Würde vor den anderen Ortskirchen zukam, entwickelte sich ein Jurisdiktionsprimat des Papstes mit universalkirchlichem Anspruch. Zeitgleich wuchs die katholische Kirche weltweit in nahezu allen Ländern und Kulturen. Meist verquickt mit politisch oder militärisch Mächtigen. Auf allen Kontinenten auch in den Regionen, die weitab urbaner Zentren sind, finden sich Kapellen und Gemeinden der katholischen Kirche. Manche Bistümer, wie etwa in Indien, wachsen gar so rasant, dass sie geteilt werden müssen, damit die Bischöfe überhaupt noch eine Übersicht über ihren Klerus und die anvertraute Herde haben. Gerade diese jungen Ortskirchen speisen ihre Legitimität und Autorität aus der Einheit mit dem Bischof von Rom, ihm geloben alle anderen Bischöfe Gehorsam. Gerade aus der Perspektive des Globalen Südens erscheint Rom meist als das legitime und legitimierende Zentrum der Weltkirche. Katechismus, Kirchenrecht und vatikanische Instruktionen haben noch immer den Anspruch, sämtliche gemeinschaftsbezogenen sowie persönlichen Aspekte des Glaubenslebens weltweit zu regeln – über alle Regionen und Kulturen hinweg, in allen Sprachen, Traditionen und Gesellschaftssystemen.
Doch diese globalen Normierungen des Katholischen werden von immer weniger Ortskirchen innerhalb der Universalkirche so umfassend mitgetragen, wie dies noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts der Fall war. Zwar gab es schon immer christliches Glaubensleben in Gebet, Liturgie und Moralvorstellungen jenseits der vatikanischen Normlinie, die in die eine oder andere Richtung abwichen. Die stete Mahnung aus Rom an diskussionsfreudige Ortskirchen, sich vor Sonderwegen zu hüten und jede Teilkirche strikt auf einer, ihrer, weltkirchlichen Linie zu halten, hat vor allem in Europa dazu geführt, dass die Reformanliegen immer deutlicher und immer strukturierter ins Wort gebracht wurden. Der Synodale Weg in Deutschland ist nicht das erste und die vielen anderen Prozesse in anderen Ortskirchen sind sicher nicht das letzte Zeichen für Unzufriedenheiten mit den römischen Vorgaben.
Kluft zwischen Lebenspraxis und Glaubenspraxis wächst
Aus einer westeuropäischen Perspektive bringen vor allem Laiinnen und Laien, aber auch immer mehr Ordensleute, Diakone und Priester, zaghaft sogar mancher Bischof einige zentrale Anliegen des Wandels der Kirche zum Ausdruck. Diese speisen sich aus dem, was sie als Kultur, als gemeinsame gesellschaftliche Praxis, als geteilte Werte und Normen erleben. So sind zum Beispiel demokratische Prinzipien für die Mehrheit der Gegenwartsmenschen in vielen Ländern der Welt selbstverständlich. In der Wahrnehmung der Mehrheit ist es Ausdruck ihrer Menschenwürde sowie ihrer Bürgerrechte, umfassende Beteiligungsmöglichkeiten wahrnehmen zu können. Je stärker Menschen es gewohnt sind, als Bürgerinnen und Bürger umfassende Artikulations- und Partizipationsmöglichkeiten zu haben, wenn es um Entscheidungen geht, die ihr unmittelbares Leben betreffen, umso unverständlicher erscheint es ihnen, dass ihnen diese Rechte im Raum der Kirchen verwehrt werden bzw. ihre Grenze an der Autorität des Weiheamtes finden. Wenn Papst Franziskus mit Blick auf synodale Versammlungen in der Kirche anmahnt, die „Logik des Parlaments zu verlassen“, steht dies quer zu den eingeübten und bewährten Verfahren der Entscheidungsfindung in den meisten Ländern der Welt. Die Argumente, mit denen Entscheidungsverfahren in der Kirche aber in zentralen Fragen auf Bischöfe zugeschnitten und zudem häufig mit minimalen Rechenschaftspflichten verbunden sind, überzeugen heute nicht mehr. Das Wirken des Heiligen Geistes ist im Verständnis der meisten Gläubigen im geschwisterlichen Austausch von Gremien und in ihren Abstimmungsverfahren mindestens ebenso möglich wie in der einsamen Entscheidung eines einzelnen Apostelnachfolgers. Beide sind fehlbar, beide Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile. Vermittelbar ist die bischöfliche Machtfülle vielen Gläubigen jedoch heute nicht mehr – weder wissenschaftlich-theologisch noch lebenspraktisch-systemisch.
Gleiches gilt, wenn Frauen und Männern in der Kirche nicht uneingeschränkt gleiche Rechte zukommen. Denn dies widerspricht nicht nur den Verfassungen nahezu aller Staaten der Erde, sondern auch zutiefst dem menschlichen Gerechtigkeitsgefühl. Selbst (oder gerade) in Kulturen mit einer starken patriarchalen Tradition sind feministische Diskurse nicht mehr aufzuhalten. Vollkommen zu Recht fordern Frauen jeden Alters vollständige Gleichberechtigung in Arbeit, Gesellschaft, Politik und eben auch in der Kirche ein. In den Dienstämtern der katholischen Kirche werden Frauen aber fundamental ausgeschlossen. Trotz fortschreitender Einbindung von Frauen auch in Leitungsfunktionen in manchen Pfarrgemeinden, Ordinariaten und selbst in den Dikasterien der römischen Kurie bleiben die zentralen, die machtvollsten und entscheidenden Positionen Männern vorbehalten. Das Charisma der Leitung bleibt im Kern fest verbunden mit der Weihe. Und in persona Christi capitis, also in Person Christi des Hauptes wirken somit nur Männer in der katholischen Kirche. Anteil an der Leitung haben Frauen nur insofern, als dass der Episkopat diese freiwillig an sie delegiert. In vielen Ländern ist die volle Gleichberechtigung von Männern und Frauen selbst deklaratorisch erst in den letzten Jahrzehnten Wirklichkeit geworden. De facto bleibt sie in allen Weltregionen in je unterschiedlicher Ausprägung ein uneingelöstes Desiderat. Das Ringen darum prägt aber gesellschaftliche Diskurse an vielen Orten, und für die Mehrheit der Frauen sind Anspruch auf und Einsatz für Gleichberechtigung eine Selbstverständlichkeit. Aus dem Kontrast, den die Gläubigen jedoch tagtäglich zwischen kirchlichem Anspruch an katholisches Glaubensleben und dieser Selbstverständlichkeit wahrnehmen, erwächst bestenfalls der Ruf nach institutionellen Änderungen; immer häufiger jedoch einfach der resignative Abschied von der Kirche.
Weltkirche kein Argument gegen den Wandel
Dies sind nur zwei Beispiele, in denen Menschen den Wertekanon ihres Alltagslebens nicht übereinbringen mit den kirchlichen Vorgaben für ihre eigenen Strukturen. Europäische Probleme seien das, meinen da manche; formuliert aus der Perspektive traditionsvergessener Berufskatholiken gar. Was Aufklärung und Säkularisierung für Europa bedeuteten, dürfe eben nicht auf andere Weltregionen und damit schon gar nicht auf die universale, weil weltweite Kirche angewendet werden. Damit muss die Weltkirche als Totschlagargument gegen jede Kirchenreform herhalten. Ihre Einheit stehe in Gefahr. Eine zu große Varianz in der Glaubenspraxis führe ins Schisma, wird angemahnt.
Aber ein Blick in die Realität der Diözesen der Welt spricht dafür, dass die derzeit diskutierten Strukturreformen in einzelnen Ortskirchen keineswegs die Einheit der Universalkirche bedrohen. Die katholische Welt ist in ihrer Glaubenspraxis schon jetzt viel heterogener, als die äußerlich-formale Präsentation des Katholischen vermuten lässt. Denn gleiche Messgewänder, ähnliche Kirchenbauten und die Feier von Heiligen Messen nur gemäß approbierter Formulare täuschen bisweilen darüber hinweg, dass es teils gravierende Abweichungen von der römischen Norm gibt – gleich in mehrere Richtungen. Warum auch sollte die gegenwärtige Melange kirchlicher Tradition, die offenkundig ein historisches, sicher auch geistgewirktes Ergebnis von Macht(‑asymmetrien) und Zufällen ist, widerspruchslose Geltung für alle Weltregionen erheben können? Die petrinische Begründungstradition, aus der sich der römische Primat speist, sticht fundierte Argumente, die Lebenswirklichkeit und die Gotteserfahrungen von Menschen an den unterschiedlichsten Orten der Welt nicht mehr.
Beispiele katholischer Heterogenität
Katholische Praxis ist also heute weitaus weniger uniform, als dies noch zu Zeiten der großen Missionsbewegungen der Fall war. Einige Beispiele seien nur kurz angerissen. In vielen Ortskirchen des Globalen Südens etwa verbindet sich das Weiheamt mit traditionellen Heiligkeitszuschreibungen an religiöse Führungspersonen, die eine klerikale Überhöhung der Amtsträger befördern. Noch weit über das Kirchenrecht hinaus üben dann Pfarrer und Bischöfe Macht über die Gläubigen aus. Papst Franziskus wird nicht müde, diesen Klerikalismus zu geißeln und an die Verantwortlichen zu appellieren, wahre Diener und Hirten zu sein. Zugleich gibt es andernorts wiederum, in Zentralamerika etwa, Laien, die vom Bischof beauftragt als Delegados de la Palabra de Dios die Seelsorge in den entlegensten Gebieten selbständig übernehmen.
Auch die priesterliche Ehelosigkeit wird in vielen Kulturen weniger strikt gehandhabt, als es nominell im Canon 277 § 1 des Codex Iuris Canonici vorgeschrieben ist. Das Zölibats-Versprechen steht bisweilen so diametral zu den lokalen Vorstellungen von Männlichkeit und Sexualität, dass es in der Praxis kaum eine Rolle spielt. Duldung durch die Hierarchie und Akzeptanz in den Gemeinden sind in einigen Ortskirchen Afrikas, aber auch Asiens eher die Regel als die Ausnahme.
Eine weitere Diskrepanz: Schlicht unvereinbar mit den Maßgaben des Lehramtes ist in manchen Ortskirchen der Umgang mit queeren Personen (LGBTQ). Zwar formuliert der Katechismus durchaus diskriminierend, aber fordert doch, homosexuellen Menschen mit „Achtung“ zu begegnen. Ablehnung, Ausgrenzung bis hin zu Gewalt und Mord erleben LGBTQ in fast allen afrikanischen Staaten. Auch die Kirchen bieten da leider nur selten Schutzräume oder fördern Akzeptanz und Inklusion. In anderen Diözesen Europas und Nordamerikas wiederum gibt es sogar Arbeitskreise mit dem Auftrag, die Seelsorge für queere Menschen zu gestalten.
Noch einmal ein Blick auf den Leitungsdienst von Frauen – denn sehr unterschiedlich sind die kulturellen Besonderheiten auch, wenn es um ihre Stellung und Beauftragung jenseits des Weiheamtes geht. In einigen Regionen bestätigen sich kultureller Machismus und kirchliche Frauendiskriminierung wechselseitig und weisen den Frauen allein „die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria“ zu, wie etwa Papst Franziskus in der Nr. 101 seines Nachsynodalen Schreibens Querida Amazonia im Jahr 2020. In anderen Diözesen wiederum nehmen Frauen, oft vor allem Ordensfrauen, schon jetzt Dienstämter bis zur Gemeindeleitung wahr. Auch hier ist die Bandbreite des Geduldeten bereits extrem groß bzw. die Einsicht in die Notwendigkeit gewachsen, Leitungsfunktion teilweise von der Anforderung der Weihe zu entkoppeln.
Die Einheit der Weltkirche ist also nur dann in Gefahr, wenn man Universalität mit Uniformität verwechselt. Die „versöhnte Verschiedenheit“, von der im ökumenischen Dialog gesprochen wird, ist schon jetzt der Modus der globalisierten katholischen Kirche. Dennoch bedarf es eines weltkirchlichen Austausches darüber, welche Glaubensüberzeugungen weltweite Identitätsmerkmale der Universalkirche sein sollen. Wir müssen neu ergründen, wie die Wahrheit des Evangeliums sich in den verschiedenen Kulturen der Erde ausdrückt und lebendig sein kann.
Inkulturation wiederentdecken
Missionstheologisch ist dies ein alter Diskurs, der unter dem Begriff der Inkulturation geführt wurde. Dabei meint Inkulturation das wechselseitige Verhältnis der christlichen Botschaft und der Kulturen, in die sie hineingesprochen wird. Die Notwendigkeit, sich damit zu befassen, ergab sich aus der Erfahrung, dass zwar alle Menschen dazu berufen sind, das Evangelium zu hören und Gott zu erkennen, dieses aber an eine konkrete kulturelle Bestimmung zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gebunden ist.
Inkulturation wurde jahrzehntelang vorrangig vor dem Hintergrund der Missionierung Afrikas, Asiens und Lateinamerikas diskutiert. Dabei stand stets die Frage im Raum, welches Maß an Adaptation, Akkommodation, Indigenisierung und Kontextualisierung es braucht, damit das Evangelium in den bisher weitgehend unbekannten Kulturen verstanden und praktiziert werden kann. Diese Erkenntnisfragen richteten sich besonders an gottesdienstliche Vollzüge und eine „Übersetzung“ ritueller Handlungen (wie Passage-Riten) in die vorgefundene Kultur. Im Blick sind dabei stets die nichtabendländischen Regionen gewesen. Selbst das Lexikon für Theologie und Kirche (LThK, 3. Auflage 1996) diskutiert dies im Beitrag von Giancarlo Collet allein unter der Perspektive der „besondere[n] Dringlichkeit, weil die Mehrheit der Christen in der südlichen Hemisphäre lebt“ (Collet 1996, 505). Inkulturation wird bisher also konzeptionell in erster Linie als Prozess des Austausches des Evangeliums mit den Kulturen verstanden, denen die Frohe Botschaft erst in den letzten Jahrhunderten verkündet wurde.
Dabei ist die Frage nach der christlichen oder katholischen Identität gerade mit Blick auf Europa und die Erosion der kirchlichen Bindung dort dringlich. Die Kategorie der Inkulturation bietet hier eine starke analytische Hilfe. Robert J. Schreiter weist im gleichen Artikel des LThK darauf hin, dass in der Rede vom Prozess der Inkulturation vor allem drei Metaphern verwendet werden: der wachsende Same, die Ehe und der Dialog. Durchgesetzt hat sich das Bild des Dialogs (vgl. Schreiter 1996). Thomas H. Groome buchstabiert dies an gleicher Stelle mit Blick auf die Konzilskonstitution Gaudium et spes (44) als „lebhaften Austausch“ aus (Groome 1996, 509). Dieser Dialog zwischen dem, was wir als tradiertes Glaubensgut vorfinden, und den jeweiligen regionalen Kulturen sollte geprägt sein von beiderseitigem Respekt und Zuhören, von wahrer Offenheit und Aufmerksamkeit. All jenes, was im Vorbereitungsdokument des synodalen Prozesses hin zur Weltbischofssynode 2023 von Papst Franziskus als wichtige Voraussetzung für gemeinsame synodale Bewegungen benannt wurde.
Gaudium et spes 42 formuliert zudem, dass die Kirche „an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden ist“. Ihre Universalität wird also notwendig in Heterogenität konstituiert. Dieser Dialektik muss sich der Glauben, noch mehr jedoch die mit enormem Absolutheitsanspruch auftretende römische Zentrale aussetzen. Inkulturation und ihre Methoden missionarischer Praxis, vor allem jedoch ihre Bereitschaft, den Glauben selbst und seine aktuellen Manifestationen im Dialog mit den Kulturen hinterfragen zu lassen, können ein Schlüssel für die Zukunft der Kirche sein. Europa, das Abendland ist und war nie ein monolithischer Block, der ein Glaubenskonzept aus dem Nahen Osten zum Exportschlager gemacht hat. Kulturen wandeln sich stetig und so haben sich auch die Kulturen Europas massiv gewandelt. Mit Blick auf die Rechte von Frauen und Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert wurden etwa, hat es einen radikalen Wandel der Kultur gegeben. Ironischerweise ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Geist des Evangeliums, die Liebesbotschaft Jesu diesen Wandel massiv befördert hat und nun die Trägheit der Institution Kirche herausfordert.
Von der Pastoral lernen
In der kirchlichen Pastoral Europas ist die Reaktion auf verschiedene Lebenswelten, Kulturen und Milieus vielerorts schon lange geübte Praxis. In der Verkündigung vor Ort wird versucht, mit der Übersetzung traditioneller Glaubensverkündigung und Katechese an die Lebenswirklichkeiten der Menschen anzuschließen. Was in der Pastoral oft gelingt, wie etwa Segnungsfeiern für homosexuelle Paare oder wiederverheiratete Geschiedene, findet seine Grenze an den normativen Setzungen legalistischer Religionsadministration durch die Amtskirche. Wo in der Seelsorge Inkulturation gelingt, kann sie im dialogischen Miteinander zu anderen Fragen auch gelingen. Die Suche nach dem unabänderlichen Kern des Evangeliums, nach dem, was die Liebesbotschaft Jesu über Kulturen hinweg ausmacht und was umgekehrt an ihr veränderliche Ausformung und Interpretation ist, muss etwas bewegen, sonst sind bald kaum noch Dialogpartner vorhanden.
Noch sind viele Menschen bereit, sich einzubringen und den Dialog zu führen. Doch die Zeit wird knapp. Immer mehr Menschen gehen das Wagnis ein, den Spuren Jesu auch ohne Mitgliedschaft in einer der großen Kirchen zu folgen. Je mehr es werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie neue Gemeinschaften gründen und erproben, wie sie das, was sie von der Frohen Botschaft verstanden und im Herzen angenommen haben, in ihrem Leben zum Klingen bringen können. Das Konzept der Inkulturation ist eine Chance, so Kirche zu sein, wie es dem Evangelium entspricht, und zugleich Formen und Strukturen der Glaubenspraxis zu entwickeln, in der Menschen aller Kulturen Heimat finden können.