Auf dem Weg zur Einheit der Kirche
Frust und Lust ökumenischer Arbeit in einer entchristlichten Region
Ein Blick in die Geschichte der Kirche kann aus verschiedenen Blickwinkeln erfolgen. Einerseits kann er Trennungen mit nachhaltigen Verwerfungen und schmerzlichen Verletzungen beschreiben, andererseits ermöglicht er den Blick auf Bemühungen, den biblischen Ruf zur Einheit, die Christus seiner Kirche geschenkt hat, wieder neu zu hören und Schritte darauf hin zu wagen.
Dabei ist dieser zweite Blick keineswegs ein Phänomen der Neuzeit, sondern Bestandteil einer Sehnsucht, die immer wieder Aufbrüche in der scheinbar festgefügten Mauer der Abgrenzungen erkennen ließ. So kann an die Unionsversuche des 11. Jahrhunderts zwischen dem griechischen Kaiser Alexios I. und Papst Urban II. erinnert werden oder an die Unionsverhandlungen des Konzils von Florenz im Jahr 1439. Im 17. Jahrhundert versuchten der evangelisch-reformierte Hugo Grotius und der evangelisch-lutherische Georg Calixt eine innerprotestantische Annäherung unter Bezug auf die articuli fundamentales des Vincentius von Lerinum zu erreichen, indem sie ihr Verständnis des wahren katholischen Christentums auf die drei Kennzeichen antiquitas, universitas und consensio gründeten.
Unterschiede auf dem Weg zur Einheit
Die ökumenischen Bewegungen im engeren und im weiteren Sinne schlagen grob unterschieden drei Wege zur Förderung der Einheit der Kirche ein:
- Die Einheit der Kirche ist nur auf der Grundlage der Übereinstimmung in grundlegenden und notwendigen Lehraussagen möglich, wobei in allen nichtwesentlichen Dingen große Freiheit herrschen kann.
- Die tiefere Erkenntnis des Wesens der Kirche als Leib Christi ermöglicht den Blick auf Einheit und Kontinuität der Kirche und verpflichtet gleichzeitig dazu, die in Christus bereits gegebene Einheit in der Welt mittels sichtbarer Schritte zu manifestieren.
- Der dritte Weg geht von Erfahrungen der Mystik und des Pietismus aus, dass sich das Christentum nicht in erster Linie in formulierten Dogmen und Lehrsätzen wiederfindet, sondern im gelebten Glauben von Christen in allen Konfessionen.
Geistliche Ökumene
Gegenwärtige Schritte, Antworten auf die Risse zu finden, die sowohl Christinnen und Christen als auch Kirchen und Gemeindeverbände trennen, betonen eine geistliche Ökumene, ohne die jede Einheitsbemühung der Gefahr unterliegt, lediglich an der Oberfläche zu verbleiben. Bereits das Zweite Vatikanische Konzil betont in seinem Ökumenismusdekret diese Voraussetzung: „Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden“ (Unitatis redintegratio 8). Die Charta Oecumenica, die in Deutschland im Jahr 2003 von zahlreichen Kirchen unterzeichnet wurde, nimmt diesen Ansatz in ihrer dritten Leitlinie auf: „Ökumene beginnt deshalb für die Christinnen und Christen mit der Erneuerung der Herzen und der Bereitschaft zu Buße und Umkehr. In der ökumenischen Bewegung ist Versöhnung bereits gewachsen“ (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland 2013, 8). Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) versteht sich als ein wesentliches Element multilateraler ökumenischer Zusammenarbeit und nimmt den Ansatz der geistlichen Ökumene in ihrem Handeln auf.
Schritte zur Überwindung von Spaltungen
Die in der Regel mit den Grenzen der Bundesländer übereinstimmenden regionalen ACK sehen es als eine ihrer Aufgaben an, ihre Mitgliedskirchen dabei zu unterstützen, die Anliegen der Ökumene ihren Gemeinden nahezubringen. Dabei werden insbesondere regionale und lokale Gegebenheiten berücksichtigt, um ökumenisches Denken und Handeln in der Praxis zu verankern.
Die ACK Sachsen-Anhalt als eine von 14 regionalen ACK in Deutschland besteht, zunächst unter der Bezeichnung AGCK in den Bezirken Magdeburg und Halle, seit 1979 und profitiert von einer gewachsenen und vertrauensvollen Zusammenarbeit ihrer Mitgliedskirchen. Sie sieht sich wie die anderen ostdeutschen regionalen ACK der spezifischen Situation einer etablierten säkularen Gesellschaft gegenüber, die als besondere ökumenische Herausforderung wahrgenommen wird. In einem Bundesland mit einem Konfessionsanteil aller Kirchen und Gemeindebünde von lediglich rund 15 % der Gesamtbevölkerung stellt sich die Frage der Glaubwürdigkeit christlichen Handelns in verschärfter Weise. Die Umsetzung dieser Ausgangslage versuche ich an den folgenden fünf Beispielen zu verdeutlichen.
Charta Oecumenica konkret
Die 2001 von den europäischen Kirchen als Übereinkunft zwischen dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) unterzeichnete Charta Oecumenica (CÖ) wurde 2003 für den deutschen Bereich rezipiert. Dieser Prozess mündete in eine Phase der Umsetzung auf regionaler und lokaler Ebene, die jeweils eine feierliche Unterzeichnung der CÖ einschloss. Die entsprechenden Überlegungen in der ACK Sachsen-Anhalt führten dazu, über eine bloße Unterzeichnung hinauszugehen. Leitend war und ist der Gedanke, die Verpflichtung der Leitlinie 4 der CÖ zu gemeinsamem Handeln auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens im Sinne eines aktiven Initiierens zu unterstreichen. Für einige Leitlinien der CÖ wurden im Rahmen der Feier des 30-jährigen Bestehens der ACK Sachsen-Anhalt im Jahr 2009 Konkretionen für Sachsen-Anhalt im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes feierlich unterzeichnet. Diese Konkretionen nehmen Bezug auf die Verpflichtung, in einem säkularen Umfeld die öffentliche Bezeugung des Glaubens als verstärkte Verpflichtung zu praktizieren. Ökumenische Gastfreundschaft, diakonischer und caritativer Dienst stehen als Beispiele gemeinsamer Verkündigung ebenso wie Toleranz und Respekt gegenüber anderen Kulturen als Prüfstand ökumenischen Handelns im Blickfeld der Mitgliedskirchen (der Text findet sich in Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland 2013, 34 f.).
Besuche beim Nachbarn
Bereits im Jahr 1985 hatte sich die AGCK in den Bezirken Magdeburg und Halle mit der Frage beschäftigt, wie es gelingen kann, in den Kirchen nicht übereinander, sondern miteinander zu reden. Ausgehend von der alltäglichen Beobachtung, dass gute Nachbarschaft dann gelingt, wenn man sich gegenseitig besucht, wurde ein Besuchsprogramm gestartet, das gegenseitige Besuche in Gottesdiensten der verschiedenen Mitgliedskirchen zum Inhalt hatte. Diese positiven Erfahrungen hat die ACK Sachsen-Anhalt in den Jahren 2013 und 2014 aufgegriffen und eine Besuchsgruppe delegiert, die aus zehn Vertretern unterschiedlicher Kirchen bestand und Gottesdienste in Kirchen besuchte, in denen jeweils eine Taufe gefeiert wurde. Nach entsprechender Anmeldung hatte die Besuchsgruppe Gelegenheit, die ökumenische Bandbreite gottesdienstlichen Lebens kennenzulernen und mit den Gemeindegliedern ins Gespräch zu kommen. Die Verpflichtung der Leitlinie 5 der CÖ: „Wir verpflichten uns, […] die Gottesdienste und die weiteren Formen des geistlichen Lebens anderer Kirchen kennen und schätzen zu lernen“ (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland 2013, 10) wurde in wirksamer Weise umgesetzt. Die Auswertung des zweijährigen Besuchsprozesses ergab folgendes Bild, das zu einer Fortsetzung der gegenseitigen Besuche ermuntert:
- Die ökumenische Verbundenheit in Sachsen-Anhalt erweist sich als tragfähig.
- Die Mitglieder der Besuchsgruppe ließen sich für das Projekt ansprechen und haben über den gesamten Zeitraum von zwei Jahren geschwisterlich zusammengearbeitet. Aus verschiedenen Kirchen kann eine Gruppe einen gemeinsamen Weg zurücklegen, was früher nicht möglich gewesen wäre.
- Hätte das Projekt nicht stattgefunden, wären die Teilnehmer nicht in die Gottesdienste der unterschiedlichen Kirchen gekommen.
- Die Besuche stellten für die Teilnehmer eine wesentliche Bereicherung im Sinne des ökumenischen Lernens dar.
- Die Besuchsgruppe war offiziell in allen Kirchen willkommen.
- Die Besucher haben gespürt, dass sich der gemeinsame Glaube in verschiedenen Formen ausdrücken kann; ihnen ist die Vielfalt der Glaubensäußerungen, die große Anzahl von Gemeinden in Sachsen-Anhalt und die Bedeutung der Erwachsenentaufe neu bewusst geworden. Jede Kirche hat eine andere Glaubenspraxis als die aus der eigenen Kirche bekannte.
- Manches Erlebte bot Anlass, die eigene Praxis zu überprüfen, sich aber auch des eigenen Glaubens zu vergewissern.
- Die Praxis der Gottesdienstvollzüge und lebendige Menschen in ihrer Frömmigkeit zu erleben hat einen anderen Stellenwert, als die Glaubenslehren anderer Kirchen theoretisch zu kennen und zu reflektieren.
- Für die Bewertung der Besuche spielen die eigene Tradition und die eigenen Glaubenserfahrungen eine wesentliche Rolle.
Der Schatz der Bibel
Im Vorfeld des Reformationsgedenkens gab es zu Beginn der Lutherdekade Irritationen über eine mögliche einseitige evangelische Jubelfeier. Diesen Bedenken sollte Rechnung getragen werden, indem wir als die regionale ACK, in deren Gebiet die Lutherstädte Wittenberg, Eisleben, Magdeburg und Mansfeld liegen, aktiv den ökumenischen Aspekt dieses Gedenkens betonten. Die Bibel als die allen Konfessionen gemeinsame Glaubensgrundlage sollte in den Vordergrund gerückt werden, um die Möglichkeiten der Multilateralität ökumenischen Handelns herauszustreichen. Der Beginn von Luthers Psalmenvorlesung in Wittenberg am 16. August 1513 eröffnete die Chance, 500 Jahre später am 16. August 2013 einen zweistündigen Pilgerweg durch Lutherstadt Wittenberg mit Stationen in den verschiedenen Kirchen der Innenstadt durchzuführen. Beispielhaft gestalteten vier Mitgliedskirchen ihren Zugang zur Bibel im Rahmen einer Stationsandacht, wobei unter anderem der Lobpreis, die Katechese und der liturgische Gebrauch der Bibel gewählt wurden. Symbolträchtig war neben dem gemeinsamen Pilgerweg von Vertretern aller Konfessionen die Gestaltung der Stationsandacht durch die armenisch-apostolische Gemeinde in der Schlosskirche als dem Ziel von Protestanten aus aller Welt. Unabhängig vom Datum lässt sich der Pilgerweg an anderen Orten in ähnlicher Weise aufnehmen. (Näheres mit Ablauf der Stationsandachten findet sich in: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland/Ökumenische Zentrale 2015, 134–138.)
Versöhnung begehen
Die ökumenischen Irritationen im Vorfeld des Reformationsgedenkens veranlassten den Vorsitzenden der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Feige/Magdeburg, zu folgender Anregung: „Im Blick auf das 500-jährige Reformationsgedenken 2017 könnte es sicher entkrampfend sein, wenn vorher noch so etwas wie ein Versöhnungsprozess in Gang käme, der sich den tragischen Folgen der evangelisch-katholischen Trennung und Entfremdung stellt, gewissermaßen eine ‚Reinigung des Gedächtnisses‘ bzw. ‚Heilung der Erinnerungen‘.“ Nach den positiven Erfahrungen des Pilgerweges zum Schatz der Bibel konnte ebenfalls in Lutherstadt Wittenberg am 25. November 2015 ein wichtiger Schritt der Versöhnung mittels eines Pilgerweges gegangen werden, der vor dem Cranachaltar der evangelischen Stadtkirche St. Marien seinen Abschluss fand. Indem zugefügte Verletzungen, die durch Worte, Bilder und Taten erfolgt sind, ausgesprochen wurden, konnte eine Einheit im Glauben sichtbar werden, die Christen aus allen Kirchen bestärkte, gemeinsam das Jahr 2017 zu begehen.
Die Erfahrung, dass Christen und Kirchen über Jahrhunderte in Schuld und in Selbstbehauptung und Abgrenzung verstrickt waren, bildete den Ausgangspunkt der Versöhnung. Christen und Kirchen waren in einem hohen Maß und aktiven Sinn auch Täter durch verächtliche Worte, entwürdigende Bilder und vernichtende Taten. Dabei sind entwürdigende Bilder bis heute in den Köpfen vorhanden. Sie zeigen sich vielfach in Begrifflichkeiten. „Wir sprechen leichtfertig von Mitgliedern einer Sekte, von den ungläubigen Evangelischen, von chaotischen Pfingstlern, von den machtversessenen Orthodoxen, von den falschen Katholiken oder von pietistischen Frömmlern. Viel zu oft glauben wir diesen Bildern in unseren Köpfen und lassen nicht zu, dass sie durch Gespräche und Begegnungen in Frage gestellt werden“ (Liturgie zum Pilgerweg der Versöhnung). Da das Bekenntnis zur Versöhnung mit dem Aussprechen der Schuld verbunden ist, sollten gängige Vorurteile, wenn auch in teilweise plakativer Hinsicht, von verschiedenen Sprechern ausdrücklich benannt werden:
„Die Liste der ausgesprochenen Vorurteile ist lang:
Die Baptisten sind nur eine Sekte,
die Katholiken sind scheinheilig,
die Altlutheraner sind fanatisch,
die Protestanten glauben an gar nichts
und die Orthodoxen beten die Bilder an.
Um die Praxis der anderen Kirche verächtlich zu machen, können die Vorurteile sogar zu ausgesprochenen Vorwürfen werden:
In orthodoxen Kirchen werden Ikonen angebetet,
freikirchliche Gottesdienste sind reine Selbstdarstellung,
in der katholischen Messe oder in der orthodoxen göttlichen Liturgie hat der Formalismus die Oberhand
und in evangelischen Gottesdiensten fehlt die liturgische Form und geistliche Tiefe.
Bis heute wird versucht, die eigene kirchliche Identität in Äußerlichkeiten in Abgrenzung zu anderen Kirchen festzumachen:
Wir, wir tragen doch keine Albe, wir, wir bekreuzigen uns doch nicht – wir, wir sind doch nicht katholisch.
Unsere Gottesdienste sind wenigstens gut besucht, bei uns in der Kirche findet doch kein Jahrmarkt statt – wir sind doch nicht evangelisch.“
(Liturgie zum Pilgerweg der Versöhnung)
Die Vergebungsbitte wurde von allen liturgisch Beteiligten und der Gemeinde aufgegriffen und mündete in ein entsprechendes Versöhnungsgebet, das dazu beigetragen hat, dass Verletzungen und Spaltungen einem gemeinsamen Weg auf das Jahr 2017 zu nicht mehr im Weg standen.
Ökumeneknigge
Die positiven Erfahrungen des Jahres 2017 haben das „Gefühl verfestigt, dass dieses Jahr gerade im ökumenischen Miteinander Entscheidendes bewirkt hat. Das Christusfest des Jahres 2017 hat zu einer Stärkung der Verbindungen beigetragen, die das gemeinsame Zeugnis des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung zum Ausdruck bringen“ (Dittrich/Laser-Merker/Schmeja 2020, 3). Die Erkenntnis, dass es wesentlich für gemeinsame Schritte des Glaubens ist, sich gegenseitig möglichst gut zu kennen und voneinander zu lernen, hat den Wunsch verstärkt, praktisches Wissen über andere Konfessionen mit Hinweisen auf wünschenswertes Verhalten im gegenseitigen Umgang zu verbinden und es Gemeindegliedern zur Verfügung zu stellen. Dazu hat die ACK Sachsen-Anhalt in Verbindung mit der ökumenischen Kommission für pastorale Fragen des Bistums Magdeburg und der evangelischen Landeskirchen die Form eines kleinen Handbuches mit dem Titel „Ökumeneknigge“ gewählt, das den Gemeinden in der praktischen Arbeit dienen soll. In 19 Artikeln unter den Überschriften der vier Kapitel „Gottesdienstliches Leben“, „Frömmigkeit“, „Christliche Praxis im Alltag“ und „Formales“ werden so verschiedene Bereiche wie Gesangbuch, heilige Zeiten, Essen, Liebe, Partnerschaft, Ehe oder Rangordnung in den Blick genommen. Auf insgesamt 64 Seiten soll ohne den Anspruch, umfassende Informationen über den Standpunkt der Konfessionen zu liefern, ökumenische Sensibilität für das oft fremde Glaubensverständnis geweckt werden.
Alle 19 Artikel haben den folgenden gleichen Aufbau:
- Kurze Beschreibung der Thematik
- Darstellung des unterschiedlichen Verständnisses und der verschiedenen Handhabungen in den verschiedenen Kirchen der multilateralen Ökumene. Soweit möglich werden hierzu die bereits vorhandenen ökumenischen Möglichkeiten und ihre Anwendungsbereiche genannt.
- Der Blick auf das Handeln weist auf Punkte hin, die unbedingt in der Begegnung und im gegenseitigen Handeln beachtet werden sollten.
- Abschließend stehen Hinweise, die dazu dienen, eine Haltung der kirchlichen Selbstgenügsamkeit zu vermeiden, und die versuchen, ökumenische Sensibilität zu schärfen.
Wenn Begegnungen von Christen aus unterschiedlichen Kirchen oft von einem Gefühl der Fremdheit überschattet sind, das am unterschiedlichen „Stallgeruch“ der Kirchen liegt, dann kann der Ökumeneknigge durch die Beschäftigung mit praktischen Unterschieden dazu helfen, auch auf fremde Traditionen zuzugehen und so Hemmschwellen zu senken.
Die vielfältigen praktischen Hinweise dienen allerdings nicht nur dem vertieften Verständnis, sondern wollen ausdrücklich dazu ermutigen, den Schatz der anderen Kirchen in der Hinsicht zu entdecken, dass Defizite in der eigenen Frömmigkeit und kirchlichen Praxis deutlich werden und zur Erprobung und Umsetzung im Sinne der Ergänzung des Glaubens anregen.
Ob die von der ACK konstatierte positive ökumenische Grundstimmung nach der Feier des Reformationsgedenkens im Jahr 2017 nachhaltig ist, wird nach meiner Überzeugung an der Praxis einer geistlichen Ökumene erprobt werden, die die Kraft besitzt, zu „einer beständigen Umkehr zu Jesus Christus“ (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland/Ökumenische Zentrale 2018, 3) zu führen. Die Aufgabe, die Einheit der Kirche zu leben und je länger, je mehr sichtbar werden zu lassen, hängt jedenfalls nicht zuletzt davon ab, ob es gelingt, zugefügte Verletzungen zu heilen, um ein glaubwürdiges gemeinsames christliches Zeugnis zu ermöglichen, das in der Gesellschaft nicht nur als hilfreich wahrgenommen wird, sondern von glaubwürdigen Zeuginnen und Zeugen vertreten wird.